Bauwelt

Burbach


Ortszentren stärken


Text: Gruber, Roland, Wien


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    Luftbild: Gemeinde Burbach

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    Luftbild: Gemeinde Burbach

Keine Genehmigungen mehr für Einzelhandelsketten auf der grünen Wiese, keine Ausweisung neuer Wohnflächen – mit einer konsequenten Flächenpolitik und einem kommunalen Förderprogramm für das Bauen im Ortskern hat die Gemeinde ihr Zentrum wieder belebt.
Seit Jahren setzt Burbach beispielhafte Impulse für die Stärkung der Ortszentren, im Hauptort wie in den dazugehörigen Dörfern. Ein Kern­thema der Gemeindeentwicklung ist die konsequente Flächenpolitik. Außerhalb der Ortskerne gibt es seit mehreren Jahren nahezu keine Genehmigungen für Wohnungsbau oder Einzelhandel. Die Gemeinde versucht, die Potenziale von Baulücken, Brachen und Leerständen zu nutzen. Diese Strategie, die dem ungeheuren Druck der großen Einzelhandelsketten standhalten muss, macht sich bezahlt – das Zentrum lebt, es gibt im Hauptort nur ein leerstehendes Geschäftslokal, und es entstehen intelligente Nutzungsmischungen. So haben in einem Gebäude mitten im Ort ein großer Supermarkt, ein Drogeriemarkt und ein Bekleidungsgeschäft Einzug gehalten. Über dem Supermarkt befindet sich die Turnhalle der Schule.
Bis Ende der 90er fand die Entwicklung vorwiegend in Neubaugebieten statt. Im Ortskern passierte nicht viel, ein Teil der Gebäude war stark sanierungsbedürftig. Erst der Bau ei- ner Umgehungsstraße brachte Veränderung. Ein wichtiges Projekt war im Jahr 2000 die Umgestaltung der Ortsmitte durch den Ankauf mehrerer leerstehender, teilweise historischer Gebäude und ihren Umbau zu einer Einkaufspassage, der Römerpassage. Der Eigentümer der größten Immobilie, ein Elektrohändler, suchte einen neuen Standort, wodurch sein Geschäft neben anderen desolaten und sanierungsbedürftigen Gebäuden zur Disposition stand. Die Gemeinde nahm sich Zeit, um Ideen zu sammeln. Anstelle eines Wettbewerbs wurde in Gesprächen mit allen Beteiligten und Betroffenen der ideale Plan gefunden und weiterentwickelt. Es sollte eine ausgewogene Mischung von Sanierung, Abriss und Neubau sowie öffentlichen und privaten Nutzungen werden. Einige Häuser wurden abgerissen, andere saniert und mit der neuen Einkaufspassage verbunden. Das brachte Platz für weitere Geschäftsflächen und eine öffentliche Bibliothek. Auch in den umliegenden Häusern entstanden neue Nutzungen, so ein Res­taurant mit Hotel, das auf zwei Gebäude aufgeteilt ist, und ein Kulturhaus im sanierten ältesten Gebäude der Gemeinde, der „Alten Vogtei“.
Damals fiel auch die Entscheidung, den Lebensmittelhandel im Ort zu halten und keine Genehmigungen auf der grünen Wiese zu erteilen. Ausgehend vom Passagenprojekt gab es von 2000 bis 2007 eine intensive Ortsteilplanung mit diversen Bürgerforen unter fachlicher Begleitung der Fakultät Städtebau und Architektur der Universität Siegen. Dies stärkte erheblich die positive Wahrnehmung des eigenen Dorfes. Zeitgleich wurden im Flächennutzungsplan keine neuen Wohnbauflächen mehr ausgewiesen. Aus diesen Impulsen und der Arbeit mit örtlichen Vereinen erwuchs die Idee, die vielen Bausteine zur Stärkung der Ortskerne im Projekt „Lebenswerte Dörfer“ zusammenzufassen. Daraus entwickelte sich das kommunale Förderprogramm „Bauen in den Ortskernen“. Es bietet seit 2009 finanzielle Anreize für bauliche Maßnahmen innerhalb der Ortskerne der Dörfer. Das Programm mit seinem niedrigen Jahresbudget von 50.000 Euro sieht sich vor allem als Impulsgeber und dient der Beratung und Bewusstseinsbildung. Bisher wurden über hundert Förderanträge von Privatpersonen bewilligt, u.a. für den Kauf von Häusern im Ortskern, für Neubauten, barrierefreien Umbau oder energetische Sanierung und dorfgerechte Bepflanzung.
An das Förderprogramm ist eine Bauberatung durch Architekten gebunden. Damit versucht die Gemeinde, eine Sicht für das Thema Bauen und Wohnen im Ortskern zu erzeugen, die demographische, energetische und gestalterische Aspekte berücksichtigt. Obwohl das Programm die Kosten der Bauherren nicht wesentlich verringert, sensibilisiert es für die Folgekosten einer Erschließung peripherer Neubaugebiete, wie Infrastruktur und hohe Kosten für Mobilität. Diese Zusammenhänge zu vermitteln und Wohnen im Ortskern als hochwertige Alternative zu etablieren ist das zentrale Anliegen des Programms. Daher kommt der Öffentlichkeitsarbeit eine wesentliche Rolle zu. Eine „Baufibel“ dokumentiert gelungene Beispiele, die besichtigt werden können, und unterbreitet Gestaltungsvorschläge. Sie macht auf städtebauliche und architektonische Qualitäten sowie auf ortstypische und unverwechselbare Merkmale aufmerksam. So werden die Bürger für die Qualitäten des eigenen Dorfes, wie ein gewachsenes Ortsbild und Material- und Farbensprache der Gebäude, sensibilisiert.
Trotz der Aufklärungsarbeit, die auch von der Universität Siegen unterstützt wird, die Mus­terentwürfe für modernes, aber städtebaulich angepasstes Bauen im Ortskern von Burbach geliefert hat, bestechen bisher weniger konkrete Bauten, sondern der baukulturelle Prozess. Die Architektur der Neubauten ist von solider Qualität, Leuchtturmprojekte sind jedoch so gut wie keine vorhanden.




Adresse Burbach


aus Bauwelt 24.2013
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