Bauwelt

Ein Visavis für die Villa Planta

Erweiterung des Bündner Kunstmuseums in Chur

Text: Adam, Hubertus, Zürich

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1. Rang: Estudio Barozzi Veiga

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1. Rang: Estudio Barozzi Veiga


Ein Visavis für die Villa Planta

Erweiterung des Bündner Kunstmuseums in Chur

Text: Adam, Hubertus, Zürich

Betonstrukturelemente und ein leicht turmartiges Volumen charakterisieren den siegreichen Entwurf im Wettbewerb um die Erweiterung des Bündner Kunstmuseums in Chur. Ob er gebaut werden kann, hängt auch von einer Klage des Drittplatzierten ab.
Als der Zürcher Banker und Industrielle Henry Carl Martin Bodmer im Juni vergangenen Jahres bekannt gab, 20 Millionen Franken für das Bündner Kunstmuseum in Chur bereitzustellen, gewann die schon längere Zeit virulente Idee einer Erweiterung an Dynamik. Seit 1919 ist die renommierte Institution in einer 1874/75 von dem Architekten Johannes Ludwig für den Kaufmann Jacques Ambrosius von Planta errichteten Villa untergebracht. Der neoklassizistische Bau, dessen orientalisierende Details im Inneren auf die Tätigkeit des Bauherrn im ägyptischen Alexandria verweisen, liegt – von einem Garten umgeben – nördlich des Altstadtkerns von Chur; der unmittelbare Nachbar ist das monumentale Verwaltungsgebäude der Rhätischen Bahn, das Nicolaus Hartmann zwischen 1907 und 1910 in einer zwischen Heimatschutz und Palastarchitektur oszillierenden Formen­sprache ausführte. Im Zwickel zwischen Villa und Bahnverwaltung steht seit 1927 das von den Gebrüdern Sulser erbaute Gebäude des Naturhistorischen Museums, das in den frühen 80ern dem Kunstmuseum zugeschlagen und mit diesem durch eine Pas­serelle verbunden wurde. Neubauprojekte zerschlugen sich in der Folgezeit, die von Peter Zumthor, Peter Calonder und Hans-Jörg Ruch zwischen 1987 und 1990 durchgeführten Baumaßnahmen beschränkten sich auf die Sanierung und den Umbau des Altbaus.
Schon damals bestand Raumnot, die sich in der jüngsten Zeit angesichts des grassierenden Wechselausstellungsbusiness noch verstärkt hat. In Abstimmung mit dem Kanton Graubünden entwickelte das Museum daher das Konzept einer Erweiterung der Nutzfläche von heute 1900 auf zukünftig 4600 Quadratmeter. Mit gut 1500 zusätzlichen Quadrat­metern soll die Ausstellungsfläche mehr als verdoppelt werden, doch daneben werden auch das Foyer sowie die Gastronomie- und Pädagogikbereiche stark erweitert.
Auf Basis einer Präqualifikation wurden Ende August 2011 18 Architektenteams zu einem Projektwettbewerb geladen, in dem sich Estudio Barozzi Veiga aus Barcelona durchsetzen konnte. Wie auch die übrigen Teilnehmer machen die Sieger keinen Gebrauch von der Möglichkeit, den Sulser-Bau zu erhalten, sondern ersetzen ihn durch ein solitäres Volumen, das als Eingangsbauwerk dient. Die Planta-Villa und das Bahngebäude bilden die räumlichen Bezugspunkte, doch wahrt das leicht turmartige Volumen, das mit Betonstrukturelementen rundum verkleidet ist (die Jury will darin Anspielungen auf die orientalische Motivik der Villa sehen), gebührenden Abstand. Dies war nur möglich, weil die viel größeren Ausstellungsbereiche in zwei Geschossen unterirdisch angelegt sind und der oberirdische Neubau neben der Eingangshalle lediglich Administrationsräume und zuoberst ein Café birgt. Konzediert man, dass angesichts des geforderten Raumprogramms, des beengten Grundstücks und des solitären Charakters der Villa ein letztlich – wie das Beispiel der Hamburger Kunsthalle lehrt – immer etwas unbefriedigendes Eingraben in den Untergrund nicht zu vermeiden war, so ist dem Entwurf des spanischen Teams Logik, Klarheit und Funktionalität nicht abzusprechen. Im Rahmen dessen, was zeitgenössische Museumsarchitektur zu leisten vermag, mag es sich um „state of the art“ handeln. Wie aber auch das Kunsthauserweiterungsprojekt von David Chipperfield in Zürich (Bauwelt 1–2.2009) oder der erstplatzierte Entwurf für das Kunstmuseum in Lausanne, mit dem Barozzi Veiga im vergangenen Jahr in der Schweiz bekannt wurden, wirkt doch alles etwas brav und konventionell. Mut sieht anders aus.
Das zweitrangierte Projekt von EM2N operiert mit seinen unterirdischen Flächen, die eine stärkere Flexibilität aufweisen, strukturell ähnlich; das ober-irdische Volumen aber tritt weniger als solitärer Körper in Erscheinung. Dass auch andere städtebaulichen Bezugspunkte gesucht werden können, beweist ebenfalls eine Reihe anderer Arbeiten.
Das unkonventionellste und anregendste Projekt stammt ohne Zweifel von Valerio Olgiati. Wie auf einem Präsentierteller zeigt sich die historische Villa auf einer leicht pyramidal angeschrägten weißen Betonfläche, die den bisherigen Garten ersetzt. Von der Villa aus, deren Haupteingang wieder aktiviert wird, gelangt man in die drei Untergeschosse. Die sich nach unten hin weitenden Räume wirken wie Negativformen von Häusern in einem archaischen Betonmassiv. Diese Säle, die nichts von der gepflegten Langeweile des Siegerprojekts haben, möchte man gern erleben. Angesichts prognostizierter Kostenüberschreitungen – gesamthaft ist der Preis des Projekts auf 28,5 Millionen Franken begrenzt – wurde Olgiatis Vision auf den dritten Platz verwiesen. (Das Büro hatte „kein Interesse“, die Pläne für die Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Anm. d. Red.)
Ob der Weg wie geplant frei ist für den Entwurf von Barozzi Veiga, bleibt indes fraglich. Valerio Olgiati hat beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht, weil die ersten beiden Preisträger gegen die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs verstoßen hätten. Nach Informationen der in Chur erscheinenden Zeitung „Südostschweiz“ könnte es sich dabei um Missachtungen des Raumprogramms handeln. Die Architekten wollten sich zu Details nicht äußern. So lange die Causa nicht geklärt ist, ruht die weitere Planung.
vollständiges Ergebnis:
Selektiver Projektwettbewerb
1. Rang Estudio Barozzi Veiga, Barcelona | 2. Rang EM2N, Zürich | 3. Rang Valerio Olgiati, Flims | 4. Rang Buchner Bründler, Basel | 5. Rang Durisch + Nolli Architetti, Massagno
Fakten
Architekten Estudio Barozzi Veiga, Barcelona; EM2N, Zürich; Buchner Bründler, Basel
aus Bauwelt 18.2012
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