Oscar-Paret-Schule in Freiberg am Neckar
Kleine Stadt, große Schule: Freiberg am Neckar gehört zur Metropolregion Stuttgart und zählt etwa 16.000 Menschen. Die neue Schule von mvm+starke gibt 1500 Kindern und Jugendlichen Raum zum Lernen.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
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Der Schulneubau an der Autobahn läutet den Beginn einer großen Veränderung ein. Ab 2030 ist der schrittweise Bau eines neuen Zentrums geplant.
Foto: Brigida González
Der Schulneubau an der Autobahn läutet den Beginn einer großen Veränderung ein. Ab 2030 ist der schrittweise Bau eines neuen Zentrums geplant.
Foto: Brigida González
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Der Platz unterhalb der Freitreppe ist Ausgangspunkt für die Pause.
Foto: Brigida González
Der Platz unterhalb der Freitreppe ist Ausgangspunkt für die Pause.
Foto: Brigida González
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In der angrenzenden Aula deutet sich die Organisation der Schule über vier Farben bereits an.
Foto: Brigida González
In der angrenzenden Aula deutet sich die Organisation der Schule über vier Farben bereits an.
Foto: Brigida González
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Grundriss erstes Obergeschoss im Maßstab 1:1000
Grundriss erstes Obergeschoss im Maßstab 1:1000
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Farbe nur zur Orientierung: Grau dominiert die Verkehrsbereiche. Das Schulbau-erfahrene Architektenteam plante den Komplex auf Dauerhaftigkeit und setzt auf die Robustheit von Sichtbeton.
Foto: Brigida González
Farbe nur zur Orientierung: Grau dominiert die Verkehrsbereiche. Das Schulbau-erfahrene Architektenteam plante den Komplex auf Dauerhaftigkeit und setzt auf die Robustheit von Sichtbeton.
Foto: Brigida González
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Einschnitte, Lichthöfe und Gebäudeversprünge geben der Oscar-Paret-Schule eine gestalterisch starke Identität und die Silhouette einer Stadt.
Foto: Brigida González
Einschnitte, Lichthöfe und Gebäudeversprünge geben der Oscar-Paret-Schule eine gestalterisch starke Identität und die Silhouette einer Stadt.
Foto: Brigida González
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Eingefasste Rasenflächen und Sitzbereiche auf dem Dach des Sockelgeschosses geben Raum für Zerstreuung zwischen Physik und Französisch.
Foto: Brigida González
Eingefasste Rasenflächen und Sitzbereiche auf dem Dach des Sockelgeschosses geben Raum für Zerstreuung zwischen Physik und Französisch.
Foto: Brigida González
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Vier Physik-, drei Chemie-, fünf Biologie- und vier Kunsträume sind im Erdgeschoss neben mehreren PC-Räumen, technischen Werkstätten ...
Foto: Brigida González
Vier Physik-, drei Chemie-, fünf Biologie- und vier Kunsträume sind im Erdgeschoss neben mehreren PC-Räumen, technischen Werkstätten ...
Foto: Brigida González
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... und zwei Schulküchen um fachspezifisch genutzte Atrien geordnet.
Foto: Brigida González
... und zwei Schulküchen um fachspezifisch genutzte Atrien geordnet.
Foto: Brigida González
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Innerhalb des Schulhauses gibt es unter anderem dafür die farbigen „Marktplätze“.
Foto: Brigida González
Innerhalb des Schulhauses gibt es unter anderem dafür die farbigen „Marktplätze“.
Foto: Brigida González
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Vom Aufenthaltsraum des Oberstufengeschosses in Rosa gibt es einen direkten Zugang ...
Foto: Brigida González
Vom Aufenthaltsraum des Oberstufengeschosses in Rosa gibt es einen direkten Zugang ...
Foto: Brigida González
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... zum Pausendach. Dagegen niedrigschwellig liegt das Sekretariat im Erdgeschoss (unten).
Foto: Brigida González
... zum Pausendach. Dagegen niedrigschwellig liegt das Sekretariat im Erdgeschoss (unten).
Foto: Brigida González
Große Pause. Der Gong (er klingt ein bisschen wie von der Tagesschau) löst Bewegung aus, Stühlerücken, Fußgetrappel. Ein guter Schulbau gibt der Pause, wie der jugendlichen Selbstermächtigung generell, Raum. Kinder machen im Schulverband erste Schritte in Richtung ihrer mündigen Persönlichkeiten. Das System Schule muss sie dazu ermutigen und ihnen vertrauen, die Schularchitektur dieses Vertrauen räumlich ausformulieren.
Der Schulneubau der Oscar-Paret-Schule (OPS) im schwäbischen Freiberg am Neckar ist Teil eines größeren Plans. Bereits 2011 lobte die Stadt neben dem Realisierungswettbewerb für die neue Schule einen Ideenwettbewerb zur Erneuerung ihres in die Jahre gekommenen Zentrums aus, das direkt an die Autobahn 81 grenzt.Die neue OPS des Kölner Teams aus Architekturbüro mvm+starke und Club L49, die für die Landschaftsplanung verantwortlich zeichnen, funktioniert wie eine Kleinstadt in der Stadt. Mit dem Beschluss für den Neubau 2015 begann ein Austausch zwischen dem Architekturteam um Michael Viktor Müller und der Schulgemeinschaft, der laut Müller beispiellos war.
Wenn es im Freiberger Zentrum zur Pause gongt, breitet sich vor den Herausströmenden kein Schulhof, sondern ein „Schulpark“ aus. Verwilderte Hecken, die zum Geheimtreffpunkt taugen, gibt es nicht. Das Sockelgeschoss des Schulhauses fasst einige rechteckige Plätze, die zur höherliegenden Autobahn von Freitreppen und gräsernen Anhöhen begrenzt werden. Eine Verbindungsbrücke vom westlichen Grundstücksrand führt geradewegs auf die zweite Ebene des Pausen-Parks. Es ist, als klappe die sich nach Osten hin streng vom Straßenraum abgrenzen-de Fassade hinunter und franse horizontal aus. Der Blick kann über die hügelige Kleinstadt schweifen. Was auf den tieferliegenden Freiflächen vor sich geht, ist nicht zu sehen. Ecken, Nischen und Versprünge sind die gebaute Entsprechung der geheimen Hecke. Der Außenbereich der OPS schenkt Vertrauen. Aktuell ist er etwa zur Hälfte fertiggestellt. Eine Sporthalle ist im Bau, die Sportfelder sollen auch während der Pause nutzbar sein.
Zwar bedeute die Anlage des Schulparks einen größeren Aufsichtsbedarf, Schulleiter René Coels ist dennoch sicher, dass es in den Pausen weniger Konfliktsituationen gebe als vorher. Vorher – da gab es die alte OPS. Coels erlebte die Unzulänglichkeiten des „70er-Jahre-Sündenfalls“. Zu dunkel, zu klein, zu schlecht gebaut.
Vom Schulpark aus führt der meistgenutzte Zugang ins Haus ebenerdig in die Aula. Mit Mensa und Bühne ist sie wie so oft mischgenutzt. Vonder Aula aus schießt wie eine Hauptstraße die „Magistrale“ über die gesamte Gebäudelänge hinweg gen Süden. Nach Osten ragt ein Gebäuderiegel ins Freiberger Stadtzentrum. Hier liegen Sekretariat, Leitungsbüros, Krankenzimmer und Konferenzräume. Im unteren Drittel angrenzend an zwei Lichthöfe dann: das Lehrerzimmer. Die enge Zusammenarbeit des Kollegiums mit dem Planungsteam hat auch hier, wo die arbeiten, die vermutlich am längsten an der Schule bleiben, gefruchtet. Getrennte Arbeits- und Pausenbereiche mit angrenzendem Ruheraum waren an der alten OPS nicht gegeben und funktionieren nun im Neubau ausgesprochen gut.
Ebenfalls an der Magistrale befindet sich ein weiterer wichtiger Baustein für eine funktionierende Schulgemeinschaft. Der Bereich ist verglichen mit dem restlichen Innenraum weniger gläsern, von dem Raum mit Küchenzeile und mehreren kleinen Tischgruppen gehen einige Türen ab. Aktuell drei Mitarbeitende bieten hier soziale und psychische Unterstützung für Schulgemeinschaft und Eltern an. Wieder half die Erfahrung aus der alten OPS: Die Leiterin der Schulsozialarbeit äußerte konkrete Vorstellungen für den Neubau. Der Ruheraum heißt „sicherer Hafen“, im Küchenbereich gibt es Frühstück, falls es Zuhause keins gibt. Ein Mitarbeiter führt eine Box-AG, es gibt Hausaufgabenhilfe und Gespräche zur Konfliktlösung. Aktuell nehmen etwa siebzig Schülerinnen und Schüler die Schulsozialarbeit regelmäßig in Anspruch. So etwas steht in keinem Lehrplan, „gebaute Realität“ nennt René Coels das.
Laut Michael Viktor Müller war es vor allem das Konzept für das Erdgeschoss, das den Entwurf von anderen Einreichungen hervorhob. Neben Aula, Verwaltung und Sozialarbeit befinden sich hier nur Fachklassenzimmer, alle um zugehörige Atrien gruppiert – der Belichtung, aber auch der Praxis wegen. Experimente unter freiem Himmel knallen besser. In diesen kleinen gläsernen Freiräumen greift im Gegensatz zum Pausenbereich die Kontrolle. Ähnlich ist es in Tei-len der technischen Werkstätten, zu denen nur Lehrkräfte Zugang haben: Zwischen Maschinen- und Klassenraum sind Sichtfenster zur Kontrolle und Kommunikation mit der Klasse eingesetzt.
Von der Magistrale führen drei offene Treppenhäuser in zwei weitere Geschosse. Orange, Grün und Blau sind die Orientierungsfarben für die Stufen fünf bis elf. Je zwei aufeinanderfolgende Klassenstufen teilen sich eine Farbe und ein Treppenhaus, sie liegen übereinander. Gemeinschaftsschul-, Realschul- und Gymnasialklassen sind nach dem Lernhaus-Prinzip nicht getrennt untergebracht. Die Klassenzimmer liegen um je zwei Lichthöfe und eine offene Zone mit Spinden und Sitzmöbeln in den Orientierungsfarben. Die Architektur manifestiert das Leitbild der Schule: getrennt, wo es nötig ist und vereint, wo es möglich ist. Der Unterricht findet nach Schulformen getrennt statt, Schülermitverwaltung, AGs und alle Arten von Veranstaltungen sind gemeinschaftlich organisiert. Jedes Lernhaus, jedes Klassenzimmer und jedes der drei Leitungsbüros im Erdgeschoss ist gleich aufgebaut. Für die Schulgemeinschaft soll allein die Altersklasse einen Unterschied machen.
Es ist nur konsequent, die Stufen elf bis dreizehn baulich hervorzuheben. Das Lernhaus der Oberstufe ist das kleinste, es gibt keine mittlere Gemeinschaftszone und entsprechend der sich altersbedingt erübrigenden Schulformen weniger Klassenzimmer. Mit Küchen- und Aufenthaltsbereich, Zugang zum Pausendach und offenen Lernzonen gibt die Architektur den Ältesten das Privileg, den Raum verantwortungsvoll und selbstbestimmt zu nutzen.
Die Oscar-Paret-Schule vereint gebauten und inhaltlichen Anspruch an eine zukunftsfähige Schule. Ihre Umgebung wird sich in den nächsten Jahrzehnten grundelegend verändern. Ein nächstes Ziel ist für René Coels, dass die Autobahn überdeckelt wird – eine Machbarkeitsstudie für eine bebaute Landschaftsbrücke gibt es im Rahmen der IBA Stuttgart schon.
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