Bauwelt

„Man kann nicht an jedem Ort ein Standardbauprogramm durchziehen“

Interview mit Andreas Emminger

Text: Emminger, Andreas, Nürnberg; Kleilein, Doris, Berlin

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Andreas Emminger
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„Man kann nicht an jedem Ort ein Standardbauprogramm durchziehen“

Interview mit Andreas Emminger

Text: Emminger, Andreas, Nürnberg; Kleilein, Doris, Berlin

Auch in Nürnberg wurden zwei Depotgebäude nach dem Selfstorage-Modell errichtet. Eines davon fällt völlig aus dem Rahmen: kein Rot-Blau-Grau, keine massiven Werbeflächen, aber auch keine Anbiederung an die Nachbarschaft. Die Architekten von johannsraum finden, dass der Bautypus durchaus auch im Wohngebiet Sinn machen kann.
Herr Emminger, warum sieht das Selfstorage-Gebäude in Nürnberg anders aus als die anderen 33 Filialen des Unternehmens?
Wir haben den Auftrag, ein Depot- und Archivgebäude mit einer Maximalgeschossfläche zu entwerfen, nicht vom Bauherrn bekommen, sondern von einem Nürnberger Projektentwickler. Wir kannten den zukünftigen Nutzer also gar nicht und waren daher ziemlich frei von Corporate-Identity-Überlegungen. Wir haben das Gebäude städtebaulich ent­wickelt. Als der Nutzer am Ende des Vorentwurfs dazu kam, stand alles schon mehr oder weniger fest.
Dennoch: Wie konnten Sie den Bauherrn überzeugen, seine auffallende Corporate Identity so stark zurückzunehmen?
Die Corporate Identity war nicht unbedingt Gegenstand der Diskussion. Der Bauherr hatte vorher bereits in Nürnberg-Schweinau einen Neubau errichtet und sich dann für ein Grundstück nahe der Altstadt interessiert. Von Seiten der Stadt war ein derartiges Gebäude an diesem relativ sensiblen Ort nicht vorstellbar. Der Baukunstbeirat hat sich in den Entwurfsprozess eingeschaltet, wir mussten das Projekt dort zweimal vorstellen. Dabei ist dem Bauherrn ziemlich schnell klar geworden, dass er an dieser Stelle von einer anderen Grundlage ausgehen muss. Es ging um Volumen und städtebauliche Kanten, wir wollten zeigen, dass es ein Archiv ist und kein Wohngebäude, kein Bürogebäude. Und dann haben wir diese drei „Stadtschaufenster“ frei gestellt.
Die Stadtschaufenster sind eine Werbefläche hinter Bauprofilglas. Wieso wurde das in dieser Größe genehmigt?
Wir haben in Nürnberg eigentlich eine sehr restriktive Werbeanlagensatzung. Durch die Fenster haben wir die Flächen aus der Diskussion über Werbeanlagen heraus bekommen. Es sind einfach Fenster, hinter denen etwas hängt, und damit keine Werbeanlage im baurechtlichen Sinne.
Der Stadtbaukunstbeirat spielt in Nürnberg eine wichtige Rolle. Hatten Sie als Architekturbüro Rückendeckung?
Ja, wobei Rückendeckung so klingt, als ob man unter Beschuss steht. Das war nicht der Fall. Wir hatten im Baukunstbeirat einen kompetenten Partner, eine Instanz, die uns selber auch geholfen hat, Dinge zu klären. Der Beirat hat in Nürnberg traditionell eine sehr starke Position, da die Stadtspitze architekturaffin und interessiert ist, wie sich die Stadt entwickelt. Das Stadtplanungsamt und die Bauordnungsbehörde sind ähnlich aufgestellt.
Es gibt einen Projektentwickler, der nicht zum Unternehmen gehört, es wird ein Architekturbüro beauftragt, die Stadt ist mit im Boot. Kann man so Investoren bändigen?
Das war natürlich eine spezielle Konstellation, die man normalerweise nicht vorfindet. Der Projektentwickler ist schon lange in Nürnberg tätig. Wenn sie in ihrer eigenen Stadt Projekte entwickeln, dann ist es wichtig, was am Schluss heraus kommt, um die Glaubwürdigkeit nicht zu beschädigen.
Wie gehen die Nutzung und die geschlossene Fassade zusammen mit den dahinter liegenden Wohnhöfen?
Das Grundstück liegt an einer hoch verkehrsbelasteten Kreuzung, an der selbst die Straßenbahn zurück gebaut wurde, um den Verkehrsfluss noch schneller zu gestalten. Das nordöstlich der Kreuzung liegende Wohngebiet war schwer von Lärm und Staub belastet. Der Kreuzungsraum ist noch dazu sehr weit, da drei Eckgrundstücke unbebaut waren. Da hilft eine geschlossene Fassade, die Situation zu stützen. Zum Hof ist das Gebäude aufgrund der Abstandsflächen stark gestaffelt. Die Innenwirkung ist Lärmberuhigung, Schallschutz. Es ist eine Verbesserung für das Wohnquartier.
Das Gebäude wirkt aufgrund seiner Kubatur und der Fas­sade nicht wie ein Lagerhaus, eher wie eine Kunstgalerie oder ein Museum. Was waren die Entwurfsprinzipien?
Lagergebäude heißt Fläche, Fläche, immer die gleiche Geschosshöhe, dadurch ist man sehr frei, was das Verhältnis der Kubatur zum Außenraum und die Bekleidung betrifft. Der Neubau vermittelt zwischen der ehemaligen Medaillenfabrik im Osten und dem 50er-Jahre-Gebäude auf der anderen Seite. Die Gebäudekanten resultieren aus den Grundstücksgrenzen und den Abstandsflächen. Dort, wo Überleitungen zwischen diesen baurechtlichen Rahmenbedingungen stattfinden, öffnen wir das Haus. Das führt dazu, dass man zwei Materialien hat, einmal geschlossen, einmal offen – und einen polygonalen und auf den Ebenen variierenden Grundriss.
Wie konnten Sie im Kostenrahmen des Industriebaus bleiben?
Das hat mit der Struktur zu tun, einem Stützen-Platten-System in Stahlbeton. Die Stützenstellungen sind auf die Grundrisssystematik optimiert, die Innenaufteilung der Lagerflächen ist ja variabel. Deshalb verspringen die perforierten Öffnungen auch, die Stützen und der Kern gehen durch.
Was hat das Gebäude gekostet?
Diese Angabe darf ich Ihnen nicht geben. Der Bauherr hat die Kostensteuerung selbst übernommen. Wir waren mit den Leistungsphasen 1 bis 5 und der Planungsverfolgung beauftragt. Die Vergabe ist in den Händen des Bauherrn geblieben. Das einzige, was in der Ausführung kostentechnisch eine Rolle gespielt hat, war die Wahl der Farbe des Fassadenma­terials. Wir wollten eine Pulverbeschichtung auf Stahlblech. Das war deutlich teurer als eine Wandbeschichtung auf Aluminium, so dass wir am Ende nur ein sehr eingeschränktes Farbspektrum zur Verfügung hatten.
Sie haben das Gebäude mit zwei Sanitärsträngen und offener Leitungsverlegung auch für eine spätere Umnutzung konzipiert. Was können Sie sich vorstellen?
Auf Grund der hohen Belastung des Verkehrsraumes kann ich mir eine Nutzung aus dem Kulturbereich vorstellen, auf den unteren beiden Ebenen auch Läden. Darüber eigentlich nur Büroflächen. Das ist durch einen banalen Wechsel der Fassade möglich.
Selfstorage ist in Deutschland eine relativ neue Bauaufgabe. Die Investoren wollen am liebsten mitten im Wohngebiet bauen. Eine Herausforderung?
Die Nutzung bietet sich für innerstädtische, verkehrsbelastete Leerstellen durchaus an. Sie haben vorhin eine ganz andere Typologie angesprochen, die eines Museums oder eines Schauspielhauses, die auch mit großen Volumen arbeitet. Es ge­-hört Disziplin dazu, derartige Grundstücke in Beschlag zu nehmen, aber auch die Verantwortung, dass man nicht an jedem Ort ein Standardbauprogramm durchzuziehen kann. Gebäude bieten sich als Gesamtlogo selten an. Adidas baut auch nicht drei Streifen in die Landschaft und man erkennt sie trotzdem. Das ist ein Feld, das noch ziemlich unbeackert ist.
Selfstorage-Gebäude passen sich ihrer Umgebung sehr wohl an – was es nicht einfacher macht. Es gibt Fake-Wohnhäuser wie in Berlin-Friedrichshain, mit Satteldach und Hinterhöfen.
Das ist natürlich schwierig. Normalerweise ist der Bautypus ja extrem flexibel. Eine hohe Grundstücksausnutzung, eine definierte Geschosshöhe – und ansonsten kann man mit unterschiedlichen Gebäudetiefen und -höhen arbeiten. Das Ganze mit städtebaulich typologischen Forderungen zu belegen, ist ein Fehler in der Herangehensweise. Wenn die Akteure sich drauf einlassen zu fragen, was der Ort tatsächlich braucht, hat man einen hohen gestalterischen Freiraum.
Bislang bewegen sich die Architekten, die sich mit der Bauaufgabe befasst haben, aber stark im Rahmen der Vorgaben.
Architekten haben da eine sehr hohe Verantwortung, wie so oft. Hätte man zu uns gesagt, wir sollen so eine Art Friedrichshain bauen, dann hätte ich den Auftrag ablehnen müssen. Einen roten Glasbetonsockel mit einer grauen Alu-Dibond-Fassade darüber und der Anmutung eines Wohnhauses mit blechgedecktem Satteldach – das hätte nicht funktioniert.
Dann wären Sie ausgestiegen?
Ja, natürlich.
An welcher Stelle?
Wenn keine Alternativen mehr zulässig sind. Dann bringt es nichts, dass man sich gegenseitig aufreibt, oder?
Haben Sie auch negative Reaktionen bekommen?
Ein solches Gebäude polarisiert natürlich. Allein die Tatsache, dass plötzlich ein Lagergebäude in der Stadt steht. Die Kritik hört man dann meist zwischen den Zeilen, von Kollegen. Oder die Lokalpresse fragt: Was ist das denn jetzt?
Fakten
Architekten johannsraum, Nürnberg
aus Bauwelt 10.2013
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