Die Temporäre Kunsthalle Berlin feiert einen fulminanten Abschied
Text: Spix, Sebastian, Berlin
Die Temporäre Kunsthalle Berlin feiert einen fulminanten Abschied
Text: Spix, Sebastian, Berlin
„FischGrätenMelkStand“ heißt die Gruppenausstellung. Doch wer oder was genau soll auf dem Berliner Schlossplatz gemolken werden?
Vor den Besuchern türmt sich eine riesenhafte Skulptur auf. Das System einer Melkeinheit für Kühe, weiß das Ausstellungsfaltblatt, hat den 1965 im niedersächsischen Gribbohm geborenen und heute in Berlin lebenden Künstler John Bock zu der räumlichen Struktur inspiriert. Bock ist Kurator der letzten Ausstellung in der Temporären Kunsthalle Berlin, bevor diese, wie geplant, einer U-Bahn-Baustelle weicht. Rindviecher melkt er aber nicht auf dem Schlossplatz, stattdessen will er „innerhalb einer gleichermaßen funktionalen wie grotesken Struktur Kunstwerke mit dem sie umgebenden Raum“ zu einer Art Gesamtkunstwerk fusionieren.
Bock hat in die elf Meter hohe Kunsthalle ein Baustellengerüst einpassen lassen. Darin stapeln sich auf vier Ebenen Installationen, Filme, Modelle und Skulpturen von 63 seiner Kollegen, zusammengepfercht in Verschlägen, die durch Wände aus Blech, Holz, Socken oder Autoreifen voneinander getrennt sind. Schon im Erdgeschoss lässt ein erster Blick in den Holzkoffer von BARarchitekten mit dem Titel „Modellstadt“ erahnen, welch charmant-kruder Kunst-Kosmos einen hier erwartet. Aus dem Koffer ragen zahllose Modelle von Hochhäusern, städtebaulichen Strukturen und modularen Wohngebäuden, realisierte wie unrealisierte Bauten der Berliner Architekten. Das hölzerne Konglomerat scheint förmlich zu einer hochverdichteten Utopiestadt zu verschmelzen.
In der ersten Etage des labyrinthisch-verschalteten Kulturregals wird das ganze Ausmaß sichtbar: In einer Ecke flimmert über sechs Bildschirme eine Dokumentation des Operndorfprojekts für Burkina Faso von Christoph Schlingensief und Françis Kéré. Gleich daneben gelangt man in einen muffigen Campinganhänger mit einer Klanginstallation der Gruppe „Vinyl Terror & Horror“. Auf dem Esstisch des Campers, der in die Gerüststruktur eingehängt wurde, drehen sich zwei Plattenteller; aus Lautsprecherboxen erklingen elektronische Beats, die (Zufall oder Absicht?) den Opernbau in Afrika musikalisch untermalen. Eine Ebene darüber stellt John Bock Entwurfsskizzen von Iannis Xenakis für den Philips-Pavillon Kompositionen von Helmut Lachenmann gegenüber. Die expressive Beton-Zeltkonstruktion für die Brüsseler Weltausstellung 1958 scheint sich zum „Reigen seliger Geister“ wie ein Schiff auf hoher See in den Klangwogen zu wiegen.
Tatsächlich gelingt es in der Konfrontation der sich teils widersprechenden, teils harmonisch korrespondierenden künstlerischen Positionen, weitaus mehr Bedeutung „abzumelken“, als die Arbeiten einzeln hergeben würden. Doch damit nicht genug: Das Volumen der Kunsthalle reicht Bock für sein bizarres Stapelkunstwerk nicht aus. Er hat Decke, Wand und Boden des temporären Baus zersägt, durchbrochen und aufgeschlitzt. Durch eine Wand schiebt sich ein Holzriegel hindurch, ein Loch im Betonboden offenbart Magerschicht und bröseligen Ortbeton. Am Ende findet sich der erschöpfte Besucher, wie aus der monströsen Kunstmaschine ausgespukt, in einem Ausguck wieder und lugt wehmütig über die Attika der Temporären Kunsthalle – auf die nebenan im Bau befindliche „Humboldtbox“, die vom Wiedererstehen des Berliner Schlosses künden will.
Bock hat in die elf Meter hohe Kunsthalle ein Baustellengerüst einpassen lassen. Darin stapeln sich auf vier Ebenen Installationen, Filme, Modelle und Skulpturen von 63 seiner Kollegen, zusammengepfercht in Verschlägen, die durch Wände aus Blech, Holz, Socken oder Autoreifen voneinander getrennt sind. Schon im Erdgeschoss lässt ein erster Blick in den Holzkoffer von BARarchitekten mit dem Titel „Modellstadt“ erahnen, welch charmant-kruder Kunst-Kosmos einen hier erwartet. Aus dem Koffer ragen zahllose Modelle von Hochhäusern, städtebaulichen Strukturen und modularen Wohngebäuden, realisierte wie unrealisierte Bauten der Berliner Architekten. Das hölzerne Konglomerat scheint förmlich zu einer hochverdichteten Utopiestadt zu verschmelzen.
In der ersten Etage des labyrinthisch-verschalteten Kulturregals wird das ganze Ausmaß sichtbar: In einer Ecke flimmert über sechs Bildschirme eine Dokumentation des Operndorfprojekts für Burkina Faso von Christoph Schlingensief und Françis Kéré. Gleich daneben gelangt man in einen muffigen Campinganhänger mit einer Klanginstallation der Gruppe „Vinyl Terror & Horror“. Auf dem Esstisch des Campers, der in die Gerüststruktur eingehängt wurde, drehen sich zwei Plattenteller; aus Lautsprecherboxen erklingen elektronische Beats, die (Zufall oder Absicht?) den Opernbau in Afrika musikalisch untermalen. Eine Ebene darüber stellt John Bock Entwurfsskizzen von Iannis Xenakis für den Philips-Pavillon Kompositionen von Helmut Lachenmann gegenüber. Die expressive Beton-Zeltkonstruktion für die Brüsseler Weltausstellung 1958 scheint sich zum „Reigen seliger Geister“ wie ein Schiff auf hoher See in den Klangwogen zu wiegen.
Tatsächlich gelingt es in der Konfrontation der sich teils widersprechenden, teils harmonisch korrespondierenden künstlerischen Positionen, weitaus mehr Bedeutung „abzumelken“, als die Arbeiten einzeln hergeben würden. Doch damit nicht genug: Das Volumen der Kunsthalle reicht Bock für sein bizarres Stapelkunstwerk nicht aus. Er hat Decke, Wand und Boden des temporären Baus zersägt, durchbrochen und aufgeschlitzt. Durch eine Wand schiebt sich ein Holzriegel hindurch, ein Loch im Betonboden offenbart Magerschicht und bröseligen Ortbeton. Am Ende findet sich der erschöpfte Besucher, wie aus der monströsen Kunstmaschine ausgespukt, in einem Ausguck wieder und lugt wehmütig über die Attika der Temporären Kunsthalle – auf die nebenan im Bau befindliche „Humboldtbox“, die vom Wiedererstehen des Berliner Schlosses künden will.
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