Bauwelt

Denkmale in Lichterfeld und Lauchhammer

Text: Kowa, Günter, Berlin

Denkmale in Lichterfeld und Lauchhammer

Text: Kowa, Günter, Berlin

Nach Ende des Bergbaus sollten die Gerätschaften der Bergbauindustrie eigentlich abgerissen und verschrottet werden. Doch einzelne Anwohner kämpften für ihren Erhalt. Heute sind die Förderbrücke F60 bei Lichterfeld und die Biotürme in Lauchhammer zwei wichtige Stationen auf der touristischen Route Lausitzer Industriekultur.
Um „Industriekultur“ in der Lausitz als Begriff einzuführen, konnte die IBA zwar ihrem Vorbild, der IBA Emscher Park, folgen, doch auch sie musste zunächst mit Widerständen fertig werden. So war die weltgrößte Abraum-Förderbrücke F60 am Tagebau Lichterfeld – der 1992 nach nur vier Betriebsjahren zu Ende ging – vom Verschrottungsauftrag des Bergbausanierers LMBV bedroht. Die örtliche Bevölkerung jedoch war für den Erhalt. Bestärkt durch die Planerin Elke Löwe, die eigentlich für die LMBV an einem Gestaltungskonzept für das Nachfolgegelände arbeitete, schlug die heutige Bau amtsleiterin der 1200-Einwohner-Gemeinde in einer Ratssitzung im Jahr 1996 vor, die Förderbrücke zu einer Touristenattraktion zu machen, und bekam dafür die einhellige Zustimmung der Anwesenden. Auch Rolf Kuhn von der IBA befürwortete das Ansinnen und nahm die F60 als damals 20. Projekt ins Programm der IBA-Vorbereitungsgesellschaft auf. 1998 kaufte die Gemeinde den stählernen Giganten mit Haushaltsmitteln, über deren Höhe sie schweigt. Die LMBV finanzierte schließlich die Sanierung und die Umsetzung des Geräts von seiner Einsatzstelle an den Rand der Grube miteiner Million Euro umgewidmeter Abriss­gelder und 3,6 Millionen Landesmitteln zur Bergbausanierung.
Als die LMBV den Abriss der denkmalgeschützten Biotürme im wenige Kilometer südlich gelegenen Lauchhammer beantragte, erinnerten die dicken Schornsteine auf kleeblattförmigem Grundriss die meisten Bewohner an nichts anderes als an bestialischen Gestank. Doch in ihrer Funktion als Industriebauten, bei denen die phenolbelasteten Abwässer der
ehemaligen Braunkohle-Kokerei durch die Verrieselung über Mikroorganismen gereinigt wer- den, sind die Türme ein Unikum.
Wie sich der Geschäftsführer des heuti­gen Eigentümers, der gemeinnützigen Bio­türme-Gesellschaft, und Leiter des Kunstgussmuseums Lauchhammer Wilken Straatmann, erinnert, spielte die IBA beim Erhalt der Türme eine wesentliche Vermittlerrolle. Die Abrissgelder von 270.000 Euro konnten schließlich wie bei der F60 für die Sanierung umgewidmet werden.
Wenn es um die Vermarktung der Industriedenkmale geht, greift man heute gern in die Trickkiste der Tourismuswerbung. Die Mitglieder des Traditionsvereins Braunkohle Lauchhammer legen inzwischen festliche Bergbaumontur an, um den Touristen ihr „Castel del Monte der Lausitz“ zu zeigen, und die F60 wird als „liegender Eiffelturm der Lausitz“ angepriesen, obwohl sie, aufgerichtet, ihr Vorbild an Höhe bei weitem überträfe.
Während das seit 2002 zugängliche Industriedenkmal F60 derzeit 60.000 Besucher im Jahr zählt, kommen die Biotürme in Lauchhammer, seit 2008 für die Öffentlichkeit zugänglich, auf weniger als ein Zehntel davon. Ein Grund: Die Förderbrücke hat mittlerweile ein Besucherzentrum, das im Sommer täglich geöffnet ist. Darüber hinaus beschäftigt der Förderverein zehn feste und saisonal acht weitere Mitarbeiter für die Führungen. Die Bio­türme hingegen kann man vorerst nur am Wochenende und auf Anfrage beim Traditionsverein besichtigen, ein Besucherzentrum ist geplant.
Die beiden Industriedenkmale schöpfen ihre touristische Anziehungskraft nicht allein aus ihrer beeindruckenden Silhouette. Auch bei ih­rer „Veredlung“ hat die IBA mitgewirkt. So beauftragte Rolf Kuhn den Berliner Klang- und Lichtkünstler Hans-Peter Kuhn mit einer Installation an der Förderbrücke. Das atmosphärisch aufgeladene Ergebnis lockt seit 2003 in der Saison Besucherscharen an: Rein statische Licht­streifen reduzieren die fachwerkartige Struktur des Stahlkolosses zu einer „Grafikschraffur“, farbige Lichtakzente auf den eingehängten Kontrollhäuschen beleben das Bild. Die etwa 30-minütige Klangschleife mischt Töne über 14 Kanäle, so dass plastische Raum­eindrücke entstehen. Hans-Peter Kuhns Klanggebilde sind gewöhnlich abstrakt, doch bei der F60 erschien ihm metallisches Kreischen, Krachen und Donnern einem Ungetüm des Berg­baus angemessen. Die durch die Unterstützung der IBA eingeworbenen 650.000 Euro Fördermittel von der Europäischen Union scheinen für das Kunstwerk gut angelegt.
Die Sanierung der Biotürme übernahm im Auftrag der IBA der Cottbuser Ingenieur Peter Jähne. Für die geplante Aussichtsplattform fand der ebenfalls beauftragte Cottbuser ArchitektFrank Zimmermann eine originelle Lösung. Statt den Schloten einen Ausguck obenauf zu setzen, verankerte er seitlich im Mauerwerkzwei gläserne Kästen. Um das Eigengewicht der Konstruktion zu minimieren, sind die Plattfor­men nicht mit Scheiben, sondern mit Lamellen verglast, die sich dem Winddruck anpassen. Beim Blick aus der Höhe schwebt man zwischen den Türmen und schaut auf das Gelände, wo kreuzförmige Betonsockel an das Raster der In­dustrieanlage erinnern.
Fakten
Architekten Jähne, Peter, Cottbus; Zimmermann, Frank, Cottbus; Kuhn, Hans-Peter, Berlin
aus Bauwelt 17-18.2010
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