Beamte, Gäste und Konsumenten
Quartier am Karlsplatz in der Stuttgarter
Text: Marquart, Christian, Stuttgart
Beamte, Gäste und Konsumenten
Quartier am Karlsplatz in der Stuttgarter
Text: Marquart, Christian, Stuttgart
Ministerien des Landes Baden-Württemberg, ein Hotel, Einzelhandelsflächen und Gastronomie sollen in das Quartier am Karlsplatz einziehen und der Stuttgarter Innenstadt zu neuem Glanz verhelfen. Teil der Wettbewerbsauslobung war auch die umstrittene Gedenkstätte im ehemaligen Hotel Silber.
Seit Mitte der 90er Jahre ist Stuttgart dabei, sich neu zu erfinden: Unter Paul Bonatz’ Kopfbahnhof soll ein neuer Durchgangsbahnhof entstehen, auf den Flächen der alten Gleisanlagen eine zweite City. Das Projekt „Stuttgart 21“ hat sich stark verzögert, aber schon ist der Einzelhandel im alten Stadtzentrum nervös: Wird die Attraktivität der traditionellen Standorte unter der expansiven Stadtentwicklung leiden?
Willem van Agtmael, Chef der Unternehmensgruppe Breuninger, die am Stuttgarter Marktplatz gegenüber dem Rathaus ein Kaufhaus betreibt, eröffnete 2006 einen Dialog mit der Landesregierung: Wäre es nicht toll, gemeinsam in der Hinterhofsituation zwischen dem Kaufhaus Breuninger und den Stuttgarter Schlossbauten ein wenig aufzuräumen und Platz zu schaffen (knapp 50.000 m²) für mehr Ministerien und Beamte, mehr gehobenen Einzelhandel, mehr Gastronomie und ein Luxushotel? Ministerpräsident Günther Oettinger war begeistert. Im Sommer 2009 lobten das Land und die Firma Breuninger gemeinsam einen Planungswettbewerb aus. 129 Teams hatten sich beworben, unter den elf aus-gewählten Teilnehmern fanden sich international renommierte Namen. Seit März steht fest: Der Siegerentwurf stammt vom Stuttgarter Büro Behnisch Architekten, den Berliner Büros Kleihues + Kleihues und Sauerbruch Hutton blieb der 2., respektive 3. Preis. Behnischs Ortskenntnis zahlte sich aus, die Büros aus Übersee überzeugten am wenigsten.
Behnisch Architekten wollen mit dem neuen Quartier und seinen Passagen eine „Querdurchlässigkeit“ der Innenstadt schaffen: eine kluge Strategie, wenn man die drohende Insellage des Kaufhauses Breuninger ernst nimmt und beseitigen will. Zwei Baublöcke schieben die Architekten zwischen Sporer- und Dorotheenstraße; sie sollen dafür sorgen, dass Breuninger künftig keine „Rückseite“ mehr hat. Der Hoteltrakt erhält eine transparente Dachlandschaft, die sich bis auf den Straßenraum herabsenkt und wie eine kubistische Trockenhaube wirkt.
Für den Entwurf des 2. Preisträgers (Kleihues + Kleihues) hegten im Preisgericht vor allem die Vertreter des Landes bzw. der Ministerien Sympathie. Insgesamt bescheinigte die Jury dem ruhigen, klassisch rhythmisierten Architekturensemble, das die Konventionalität des ministerialen Bürokonzeptsperfekt widerspiegelt, aber zu wenig Frische: „Die Eignung der Architektursprache (...) wird sehr kontrovers diskutiert – auch angesichts des Ziels des Auslobers, mit dem Projekt ein mutiges Signal für Innovation und Transparenz zu setzen.“
Das Projekt von Sauerbruch Hutton hingegen empfand die Jury als „mutig“. Vielleicht eines kleinen Hochhauses wegen, das die Architekten als Kombination aus robuster architektonischer Geste und Lärmschutzwand an Stuttgarts Stadtautobahn setzten? Oder weil das städtebaulich „freigespielte“ Hotel mit seinem Retro-Design so deutlich auf die Nachkriegsjahrzehnte anspielt? Jedenfalls trennten Sauerbruch Hutton wohl am konsequentesten, was nicht unbedingt zusammengehört: Beamtentum, „demokratischen Stadtfrohsinn“ (Franz Hessel) und reisenden Jetset.
Historische Altlast: Im Wettbewerbsgebiet steht das zum Abriss bestimmte ehemalige „Hotel Silber“, das von 1936–45 Stuttgarter Gestapo-Zentrale war. Die Teilnehmer sollten im Untergschoss (Kerker) einen kleinen Gedenkraum vorsehen und dafür ein würdiges Entrée schaffen. Doch keinem gelang das überzeugend. Unter diesem Eindruck hat sich die lokale SPD nun gemeinsam mit der Landtagsfraktion der Forderung von Bürgerinitiativen angeschlossen, an Ort und Stelle ein 2000 m² großes NS-Dokumentationszentrum einzurichten (Heft 46.09).
Willem van Agtmael, Chef der Unternehmensgruppe Breuninger, die am Stuttgarter Marktplatz gegenüber dem Rathaus ein Kaufhaus betreibt, eröffnete 2006 einen Dialog mit der Landesregierung: Wäre es nicht toll, gemeinsam in der Hinterhofsituation zwischen dem Kaufhaus Breuninger und den Stuttgarter Schlossbauten ein wenig aufzuräumen und Platz zu schaffen (knapp 50.000 m²) für mehr Ministerien und Beamte, mehr gehobenen Einzelhandel, mehr Gastronomie und ein Luxushotel? Ministerpräsident Günther Oettinger war begeistert. Im Sommer 2009 lobten das Land und die Firma Breuninger gemeinsam einen Planungswettbewerb aus. 129 Teams hatten sich beworben, unter den elf aus-gewählten Teilnehmern fanden sich international renommierte Namen. Seit März steht fest: Der Siegerentwurf stammt vom Stuttgarter Büro Behnisch Architekten, den Berliner Büros Kleihues + Kleihues und Sauerbruch Hutton blieb der 2., respektive 3. Preis. Behnischs Ortskenntnis zahlte sich aus, die Büros aus Übersee überzeugten am wenigsten.
Behnisch Architekten wollen mit dem neuen Quartier und seinen Passagen eine „Querdurchlässigkeit“ der Innenstadt schaffen: eine kluge Strategie, wenn man die drohende Insellage des Kaufhauses Breuninger ernst nimmt und beseitigen will. Zwei Baublöcke schieben die Architekten zwischen Sporer- und Dorotheenstraße; sie sollen dafür sorgen, dass Breuninger künftig keine „Rückseite“ mehr hat. Der Hoteltrakt erhält eine transparente Dachlandschaft, die sich bis auf den Straßenraum herabsenkt und wie eine kubistische Trockenhaube wirkt.
Für den Entwurf des 2. Preisträgers (Kleihues + Kleihues) hegten im Preisgericht vor allem die Vertreter des Landes bzw. der Ministerien Sympathie. Insgesamt bescheinigte die Jury dem ruhigen, klassisch rhythmisierten Architekturensemble, das die Konventionalität des ministerialen Bürokonzeptsperfekt widerspiegelt, aber zu wenig Frische: „Die Eignung der Architektursprache (...) wird sehr kontrovers diskutiert – auch angesichts des Ziels des Auslobers, mit dem Projekt ein mutiges Signal für Innovation und Transparenz zu setzen.“
Das Projekt von Sauerbruch Hutton hingegen empfand die Jury als „mutig“. Vielleicht eines kleinen Hochhauses wegen, das die Architekten als Kombination aus robuster architektonischer Geste und Lärmschutzwand an Stuttgarts Stadtautobahn setzten? Oder weil das städtebaulich „freigespielte“ Hotel mit seinem Retro-Design so deutlich auf die Nachkriegsjahrzehnte anspielt? Jedenfalls trennten Sauerbruch Hutton wohl am konsequentesten, was nicht unbedingt zusammengehört: Beamtentum, „demokratischen Stadtfrohsinn“ (Franz Hessel) und reisenden Jetset.
Historische Altlast: Im Wettbewerbsgebiet steht das zum Abriss bestimmte ehemalige „Hotel Silber“, das von 1936–45 Stuttgarter Gestapo-Zentrale war. Die Teilnehmer sollten im Untergschoss (Kerker) einen kleinen Gedenkraum vorsehen und dafür ein würdiges Entrée schaffen. Doch keinem gelang das überzeugend. Unter diesem Eindruck hat sich die lokale SPD nun gemeinsam mit der Landtagsfraktion der Forderung von Bürgerinitiativen angeschlossen, an Ort und Stelle ein 2000 m² großes NS-Dokumentationszentrum einzurichten (Heft 46.09).
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