Bauwelt

Rudolf Olgiati | Architekt

Text: Tietz, Jürgen, Berlin

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Rudolf Olgiati | Architekt

Text: Tietz, Jürgen, Berlin

Architektur ist Revolution, zumindest manchmal. Dabei sind zumeist jene architektonischen Revolutionen nachhaltig, die leise und respektvoll beginnen, um erst nach Jahren ihre ganze Wirkung zu entfalten. Einer dieser respektvollen Revolutionäre war der Bündner Architekt Rudolf Olgiati (1910–95).
„Olgiati schöpft die Kraft und Klarheit seiner Konzepte zum großen Teil aus der kontinuierlichen intensiven Auseinandersetzung mit der Bautradition, von der griechischen Klassik über den Hellenismus bis zur alten Bündnerarchitektur“, schrieb Fritz Schwarz in dem vorliegenden Reprint einer Werkübersicht zum Schaffen Olgiatis aus dem Jahr 1977. Was für eine Spanne: Von der griechischen Antike zur Bündner Architektur! Weiter scheinen keine Pole auseinander liegen zu können. Doch ist damit das Instrumentarium bestens umrissen, mit dem der Schweizer Rudolf Olgiati arbeitete. Und das vorwiegend „auf dem Lande“, in Flims und Umgebung. Dort entwi­ckelte er sich seit Ende der 1950er Jahre zu einem Vorreiter einer regionalen, geerdeten Architektur. Mit seinen heute legendären Wohn- und Apartmenthäusern – allen voran das Apartmenthaus Las Caglias (1959/60) in Flims-Waldhaus – stellte sich Olgiati dabei keineswegs der Moderne entgegen. Vielmehr bezog er Position gegen jene „Banalitätswalze“, mit der der Massentourismus die gewachsenen Strukturen der Dörfer des Bündnerlandes überrollte. Den Blick auf die Kleinteiligkeit des Ortes und seiner Geschichte gerichtet, verstand es Oligiati zugleich aus dem reichen Fundus der Baugeschichte zu schöpfen. So finden sich in seinen Häusern eben nicht nur Beton und gestaffelte Ku­ben, sondern auch Korbbögen oder sogar Säulen mit Kapitellen! Doch Olgiati deshalb zu einem Vorreiter der Postmoderne zu stilisieren, würde seiner Bedeutung als einem der interessantesten (und für mich wichtigsten) Architekten des 20. Jahrhunderts nicht gerecht wer-den. Vielmehr erweisen sich Rudolf Olgiatis Häuser als ein „missing link“ zwischen Tradition und Moderne. Seine plastisch durchgeformten Bauten sind im besten Sinne wohnlich organisch, samt Kiesel­nestern im Beton. Es sind staunenswerte Zeugnisse einer regionalen und reflexiven Moderne, die der empfehlenswerte Reprint vorstellt. Und obgleich auch sie als Zeugnisse ihrer Epoche inzwischen in die Jahre gekommen sind, stehen Olgiatis Häuser für ein architektonisches Konzept, das bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat, wie der Blick auf seine Erben in Graubünden oder Vorarl-berg beweist.
Die Auseinandersetzung mit dem Erbe des Ortes wie mit dem der eigenen Familie spiegelt sich auch in dem Wohnhaus der Olgiatis. Valerio Olgiati hat dem väterlichen Haus in Flims Dado (rätoromanisch = draußen) sein schwarzes Beton-Atelier zur Seite gestellt, bei dem auf einem gleichermaßen attraktiven wie verräterischen Foto, die Frontpartie des weißen Porsche hinter der Betonstütze hervorlugt. Den Schwerpunkt des schönen Fotobuches, das eine Ausstellung zu den beiden Häusern in Flims-Dado begleitet, bildet jedoch das väterliche Wohnhaus. Mit seiner stimmungsvollen Wohnlichkeit war es das Experimentierfeld für Rudolf Olgiatis stille
Revolution zwischen Tradition und Moderne.
Fakten
Autor / Herausgeber Thomas Boga
Verlag Birkhäuser Verlag, Basel Berlin Boston
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aus Bauwelt 12.2010

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