Bauwelt

Richard Riemerschmid

Frühe Partizipation

Text: Tietz, Jürgen, Berlin

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Richard Riemerschmid

Frühe Partizipation

Text: Tietz, Jürgen, Berlin

Nicht untypisch für die Gestalter seiner Zeit, war Richard Riemerschmid (1868–1957) mehr als nur in einem künstlerischen Metier zu Hause. Vielmehr arbeitete er als Generalist: So startete der Mitinitiator des Münchner Jugendstils und langjährige Werkbundvorsitzende seine Laufbahn als Maler, um dann vor allem als Architekt sowie als Möbeldesigner bekannt zu werden.
Seine künstlerischen Wurzeln lagen dabei in Bayern – und namentlich in München, wo er geboren wurde. Gleichwohl ist es heute vor allem die sächsische Gartenstadt Hellerau, die mit seinem Namen verbunden wird.
In ihrer chronologisch gegliederten Untersuchung zu Riemerschmid, die auf ihrer Dissertation fußt, widmet sich Maria Wüllenkemper vor allem dem Kunstbegriff Riemerschmids. Von den Anfängen in seiner Münchner Zeit, während der auch sein Pasinger Wohnhaus entsteht, spannt sich der Bogen über die Jugendstilentwicklung und die Gartenstadt Hellerau bis zur Gründung des Deutschen Werkbundes 1907, dessen Vorsitzender Riemerschmid von 1921 bis 1926 war. Die Autorin widmet sich auch Riemerschmids Arbeit als „Kunsterzieher“: So leitete er zunächst die Kunstgewerbeschule München (1913–24) und anschließend die Kölner Werkschule (1926–31). Ein abschließendes Kapitel geht auf Riemerschmids eher marginale Rolle im Nationalsozialismus ein.
Einen Glücksfall der Architekturgeschichte bildet Riemerschmids Hellerauer Periode, wo er für seinen Schwager, Karl Schmidt, den Entwurf der be- rühmten Gartenstadt lieferte. Auf Grundlage eines Fragebogens, den die Autorin im Anhang des Buchs veröffentlicht, wurden sogar die Mitarbeiter von Schmidts „Deutschen Werkstätten“ in die Konzeption der Bauten einbezogen – ein ungewohntes, frühes Beispiel für Partizipation. Riemerschmids städtebaulichen und architektonischen Ansatz schildert die Autorin als Bemühen, zu einer Typisierung der Gebäude zu gelangen, ohne dabei in Schematismus
zu verfallen, den Riemerschmid strikt ablehnte. Da­mit umreißt sie letztlich eines der Grundprobleme der Moderne – ohne dies jedoch zu vertiefen. Riemerschmids Haltung erweist sich als Plädoyer für eine „regionale“ Architektur aus den Gegebenheiten des Ortes: „Bei der Planung legte Riemerschmid größten Wert auf das Zusammenspiel mit der Umgebung“, führt Wüllenkemper aus. Das betraf auch die Auswahl der Baumaterialien. Spannend wäre es daher gewesen, Riemerschmid stärker vor dem Hintergrund der „Heimatschutzarchitektur“ zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zu betrachten oder gar einen Bezug zu zeitgenössischen Regionalismus-Strategien in der Architektur aufzuzeigen. Gerade dort, an der Nahtstelle zwischen Moderne und Tradition, könnte eine weiterführende Beschäftigung mit Riemerschmids Architektur für die Gegenwart höchst fruchtbar werden. Trotz solcher Einschränkungen hat
Wüllenkemper eine gleichermaßen lesbare und lesenswerte Untersuchung zu Riemerschmids Werk und seinem Kunstbegriff vorgelegt, in der sie zudem neues Material aus dem Nachlass Riemerschmids für die Forschung erschließt.
Fakten
Autor / Herausgeber Maria Wüllenkemper
Verlag Verlag Schnell+Steiner, Regensburg 2010
Zum Verlag
aus Bauwelt 18.2012
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