Bauwelt

Peter Roehr | Werke aus Frankfurter Sammlungen

Text: Spix, Sebastian, Berlin

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

  • Social Media Items Social Media Items


Peter Roehr | Werke aus Frankfurter Sammlungen

Text: Spix, Sebastian, Berlin

27 Briefetiketten mit der Aufschrift „Eilt sehr“ reiht Peter Roehr während eines Nebenjobs in der Postabteilung der Werbeagentur Young & Rubicam aneinander. Eine erste Arbeit, auf die ca. 600 Typo-, Foto-, Film-, Ton- und Objektmontagen folgen, die der gelernte Leuchtreklamehersteller und spätere Absolvent der Malereiklasse der (damaligen) Wiesbadener Werkkunstschule (heutige FH), innerhalb von sieben Jahren erstellt. 1968 stirbt er im Alter von nur 23 Jahren an Lymphdrüsenkrebs.
Nahezu vierzig Jahre später zeigte das Städel-Museum gemeinsam mit dem Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt eine umfangreiche Doppelausstellung „Peter Roehr – Werke aus Frankfurter Sammlungen“ über die kurze und intensive Schaffensphase eines Künstlers, dessen Werk die Minimal Art-Bewegung von Donald Judd und Liam Gillick wegbereitete und bisher nahezu unbekannt geblieben ist. Eine Auswahl von Roehrs Arbeiten ist derzeit in der Berliner Galerie Mehdi Chouarki zu sehen.
Beim Durchblättern des Katalogs zur Frankfurter Ausstellung wird schnell deutlich, dass der im Gal-lusviertel der Mainmetropole aufgewachsene Roehr zeitgleich mit den erfolgreicheren Protagonisten der Pop-Art die Faszination für Produkte gewerblicher Massenware und Werbeästhetik teilte. So bilden, Lochverstärkungsringe, Knöpfe, kleine Glaskugeln oder Henninger-Bierfilze das Sujet für zahlreiche quadratische, serielle Montagen und Assemblagen. Neben einführenden Textbeiträgen von Freunden und Weggefährten, die sich mit Roehrs rasanter Entwicklung vom Schildermacher zum Objektkünstler beschäftigen, weisen Abbildungen supre­matistischer Motive („Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“) von Malewitsch und abstrakte „Schwarzbilder“ der amerikanischer Neo-Avantgardisten Ed Reihnardt und Frank Stella, anschaulich auf die Künstler hin, die Roehr zu Beginn der 60er Jahre beeinflussten.
In der Folge werden deren Werke denen von Roehr gegenübergestellt. So trifft Warhols Montage von 24 Suppendosen ,„Campbell’s Soup Cans“, auf eine außergewöhnliche Collagen-Serie von Peter Roehr. Er montiert 45 Detail-Fotos von Kofferraumausschnitten oder Käfer-Gaspedalen aus VW-Werbeprospekten zu einer Collage. Erstaunlicherweise suchen zwei Künstler zeitgleich, doch unabhängig voneinander durch die serielle Reihung, Klarheit und Realität in trivialen Objekten.
Die Collage „FO-28“ weckt ebenfalls Erinnerungen an Warhol: Roehr montiert, unverfremdet,  den selben Gesichtsausschnitt einer gelockten, sich Wimpern tuschenden, Grazie aneinander. Anders als Warhol, der in seinen Marylin-Siebdrucken durch variierende Farbkompositionen unterschiedliche Motive erstellt und unterschiedliche Wahrnehmungen provoziert, lotet Roehr das minimalistische Konzept der Redundanz konsequent aus; nichts wird mani­puliert, hinzugefügt oder weggelassen. Erst durch die radikale Reduktion und stoische Wiederholung werden die banalen Gegenstände in Roehrs Arbeiten lebendig: Rote, sternförmige Klebezettel (Abbildung oben, „Ohne Titel, 1966“) scheinen wie ein Perpetuum Mobile, ein Miniaturuhrwerk oder -getriebe anzufangen zu kreisen und wecken Erinnerungen an die Etikettierung eingekochter Marmelade aus Großmutters Obstvorrat.
Weitere Abbildungen quadratisch angeordneter Buchstaben-, Zahlen- oder Wortreihungen die Roehr während (45-minütiger) Mittagspausen eines Botenjobs bei IBM auf den ersten elektronischen Schreibmaschinen erstellte, erinnern an stupide Wiederholungen alltäglicher Büroarbeit. Gleichzeitig scheinen die gereihten Doppelpunkt-, Buchstaben- und Backslash-Reliefs den Betrachter in einen kontemplativen „Zen-Zustand“ zu versetzen.
In chronologischer Folge lassen die zahlreichen großformatig im Buch zur Ausstellung gedruckten Abbildungen, den Betrachter eindrucksvoll die kurze Schaffszeit von Roehr nachvollziehen. Der Katalog schließt mit den Abbildungen von Roehrs „Opus Magnum“: Das sind großformatige Arbeiten, bestehend aus 35 mattschwarzen Täfelchen, die die spätere Skepsis des Künstlers gegenüber Foto-Montagen verdeutlichen, deren Wirkung ihm schließlich zu „literarisch“ war.
Zwei Jahre vor seinem Tod, auf einer Autofahrt mit der befreundeten Künstlerin Charlotte Posenenske und dem Galeristen Paul Maenz durch die Ödnis der niederländischen Polder-Region, fasst Roehr seinen Eindruck von der Landschaft und eigentlich auch sein künstlerisch formuliertes Konzept der Redundanz, trefflich zusammen: „Monotonie ist schön“.
Fakten
Autor / Herausgeber Herausgegeben vom Städel Museum und dem Museum für Moderne Kunst in Frankfurt/Main
Verlag Michael Imhof Verlag, Petersberg
Zum Verlag
Zum Buchshop
aus Bauwelt 12.2010

0 Kommentare


loading
x
loading

9.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.