Bauwelt

Licht, Luft und Luxus

West-Berliner Wohnträume der 1960er- und 1970er Jahre

Text: Rumpf, Peter, Berlin

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Licht, Luft und Luxus

West-Berliner Wohnträume der 1960er- und 1970er Jahre

Text: Rumpf, Peter, Berlin

Jede Generation hat ihren eigenen Blick auf die gebaute Gegenwart und damit auch auf die Architektur der Vorgängergeneration. Im vorangestellten Essay des vorliegenden Buches erinnert Boris von Brauchitsch daran, wie die Moderne der 20er Jahre voller Verachtung auf die Gründerzeit oder die Postmoderne auf die Nachkriegsmoderne blickte. Während meiner Berliner Studienzeit zum Beispiel war das gerade entstehende Märkische Viertel reines Teufelszeug, und deren Architekten – wie Oswald Mathias Ungers – wurden zur Auswan­derung in die USA gedrängt. Heute gilt diese Großsiedlung im Norden Berlins als durchaus gute Adresse, wenn man sich denn die großzügige Altbauetage in Charlottenburg nicht leisten kann. Ein doppelter Widerspruch?
Der Fotograf Heinrich Kuhn (1918–2001) – nicht zu verwechseln mit dem deutsch-österreichischen Begründer der Kunstfotografie Carl Christian Heinrich Kuhn (1866–1944) – startete vor dem Zweiten Weltkrieg als Kameramann bei der Ufa. Nach Wehrmacht und Rückkehr aus russischer Gefangenschaft 1948 arbeitete Kuhn als professioneller Fotograf für die Industrie und die Modebranche. Anfang der 60er Jahre erhielt er vom Berliner Senat den Auftrag, das von Willy Brandt verkündete Stadterneuerungsprogramm im Westteil der Stadt zu dokumentieren – und machte diese Aufgabe auch zu seinem ganz persönlichen Anliegen.
In dem ersten Teil seiner durchgängig schwarz-weißen Aufnahmen zeigt er innen wie außen das, was damals zum Abriss freigegeben war: Hinterhöfe, Schimmel, Verfall, Dachböden mit aufgestellten Zinkwannen fürs Regenwasser, Klos und Mülleimer im Hof, kahle Brandwände, typische Mietskasernen-Straßenzüge ohne Baum und Strauch. Dann den Abriss, meist durch Sprengung der ersten von insgesamt 56.000 aufzugebenden Wohnungen. Im zweiten Teil dann die ersten Baugruben und Rohbauten, Bauarbeiter auf dem Gerüst, Teppichsiedlungen in Westend und Neubaugebirge in Marienfelde-Süd, Rollberge, schließlich das Märkische Viertel, nun alles in Farbe, als „hoffnungsvoll unschuldiges Ensemble“. Eben die, wie es damals hieß, neue Hauptstadtarchitektur.
Beim Anblick der technisch perfekten, motivisch ausgesuchten und auf das Gebaute konzentrierten Fotos stellt sich ein seltsames Gefühl ein: nicht nur ein mit Nostalgie vermischtes Erinnern an die längst vergangenen Jahre, sondern auch Zweifel an der Unveränderlichkeit der eigenen Be- oder Verurteilung, wenn es um die Vergangenheit geht. Siehe oben.
Fakten
Autor / Herausgeber Fotografien von Heinrich Kuhn, Hrsg. von Sabine Krüger
Verlag be.bra verlag, Berlin 2017
Zum Verlag
aus Bauwelt 19.2017
Artikel als pdf

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