Glas als Tragwerk
Entwurf und Konstruktion selbsttragender Hüllen
Text: Nelle, Anja, Fortaleza/Brasilien
Glas als Tragwerk
Entwurf und Konstruktion selbsttragender Hüllen
Text: Nelle, Anja, Fortaleza/Brasilien
Der Autor hat sich jahrelang intensiv mit diesem Ineinandergreifen beschäftigt, was dem Buch anzumerken ist. Es vermittelt die profunde Auseinandersetzung eines Forschers. An der RWTH Aachen führte Wurm zahlreiche Seminare und Versuche in Zusammenarbeit mit der Industrie durch. 2005 promovierte er zum Thema Strukturformen von Dachtragwerken aus Flachglas.
Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert, die sich in zwei Teile unterscheiden lassen. Der erste Teil (Kapitel 1 bis 5) befasst sich mit Grundlagen, während der zweite dem konstruktiven Entwerfen mit Glas gewidmet ist. Zum Grundlagenteil gehören eine Darstellung der historischen Entwicklung der Anwendung von Glas in der Architektur und eine Systematisierung von Glasdachformen. Im Weiteren werden die Eigenschaften von Flachglas, die Herstellungsverfahren von Floatglas, Walzglas, Ziehglas und deren mechanische Bearbeitung und thermische Veredelung ebenso erklärt wie die Herstellung und Verwendung von Verbund-, Verbundsicherheitsglas und Isoliergläsern. Kapitel 4 erläutert Konstruktionen und Fügetechniken. Wurm zeigt den Einfluss der Lagerung auf Spannungsverläufe, beschreibt Nachweisverfahren und den Stand der europäischen Normierung. In Kapitel 5 werden Rückschlüsse aus den Materialeigenschaften auf die funktionstechnischen Anforderungen gläserner Hüllen formuliert. Neben Witterungs-, Sonnen- und Blendschutz wird auch die akustische Behaglichkeit und die Reinigung von Glasflächen angesprochen. Ein Grundlagenwissen ist für das Verständnis der technischen Ausführungen erforderlich.
Der zweite Teil des Buches bietet für das Entwerfen von Glastragwerken eine herausragende Grundlage. Wurm systematisiert Tragstrukturformen überaus anschaulich. Er zeigt, wie Glas in ebenen, gekrümmten oder doppelt gekrümmten Tragwerken eingesetzt wird. Kapitel 7 besteht aus einer Beispielsammlung. Besonders beeindrucken die Projekte von Trägerrosten, Faltwerken und räumlichen Fachwerken, von denen viele an der RWTH Aachen am Lehrstuhl für Tragwerkslehre entstanden. Im abschließenden Ausblick geht Jan Wurm auf die Zukunft der Glasarchitektur ein. Er sieht sie geprägt von dem Wunsch nach Reduktion und Abstraktion im Erscheinungsbild der Gebäudehülle. Verweise auf die konstruktive Beherrschung des Materials, wie es Punkthalter und Seilverspannungen ausdrücken, verlören hingegen zunehmend ihren Reiz. Verbundkonstruktionen, Beschichtungen und Klebetechnik werden dagegen verstärkt in Tragwerken eingesetzt werden, die dem Prinzip der Flächenbauweise folgen.
Die Buchgestaltung ist klar und stringent. Die oberen zwei Drittel jeder Seite sind Abbildungen vorbehalten. Sie umfassen Farbfotos von Bauwerken, Details und Laborversuchen, Systemskizzen, Detailzeichnungen, Tabellen und Diagramme. Der Text im unteren Drittel ist bündig und (außer in der Einleitung) nüchtern verfasst. Die Veröffentlichung ist allen Studierenden höherer Semester, Architekten und Bauingenieuren zu empfehlen, die sich vertiefend mit dem Thema beschäftigen oder die beim Entwerfen mit Glas neue Wege beschreiten möchten.
0 Kommentare