Bauwelt

August Endell. 1871–1925

Architekt und Formkünstler

Text: Froschauer, Eva Maria, Berlin

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August Endell. 1871–1925

Architekt und Formkünstler

Text: Froschauer, Eva Maria, Berlin

Kaum ein Architekt, der die Abbildung der Straßenfront des Münchner Hofateliers Elvira (1897–99) samt seines bizarren, drachenförmigen Flächenornaments nicht mindestens seit der Baugeschichtsvorlesung des Studiums kennen würde.
Sie geriet wie wohl  keine andere Fassade zum Signet jener Jugendstilarchitektur und wurde so zum perpetuierten, visuellen Allgemeingut des künstlerischen Aufbruchs um 1900. Und doch blieb dieser Bau darüber hinaus rätselhaft, nur eine Wand – August Endell, der autodidaktische Schöpfer, ist oft darauf reduziert worden, aber wer kennt schon das Innere des zerstörten Fotostudios und weiß mehr über den „Formkünstler“?
Die architekturhistorische Forschung arbeitete bislang nur punktuell zu Endell. Die Schaffensstationen von München, bis Berlin und Breslau, die unterschiedlichen Werkkategorien wie Möbelentwürfe, das städtische Haus oder die theoretischen Schriften sind bekannt. Doch ein Überblick und endlich ein vollständiges Werkverzeichnis fehlten bislang. Die Herausgeberinnen dieses ebenso material- wie bildreichen Bandes, Nicola Bröcker, Gisela Moeller und Christiane Salge haben diese Lücke nun geschlossen – auch wenn zum Auftakt ein weiteres Mal die Elvira-Fassade (WV Nr.1) steht, getunkt in einen violett-türkisgrünen Farbschleier, der wiedergeben soll, wie dieser Erstlingsbau tatsächlich einmal gewirkt haben mag.
Endell war vielseitig und damit für seine Zeit nicht ungewöhnlich. Zunächst studierte der Sohn eines Architekten Philosophie. Mit noch unklarem Berufsziel ging er mehr den Fragen der Schönheit im theoretischen Sinn nach, knüpfte im Kreis der Schwabinger Boheme erste Kontakte und begann zu entwerfen. Am Ende seiner Karriere sollte er als einer der interessantesten (Bau-)Künstler des (Berliner) Jugendstils gelten und neben Peter Behrens, Hermann Obrist, Henry van de Velde und anderen genannt werden.
August Endells Schaffen wird in fünf Hauptabschnitten und 25 Aufsätzen und mit besonderem Fokus auf Berlin ausgebreitet: Nach der Einführung zu Leben und Werk wird Endell in Bezug zur Kunsttheorie und den Ästhetikdiskursen seiner Zeit gestellt; die Konzepte seiner Idee vom Ornament sind erläutert, dies auch in Hinblick darauf, was er als „Pädagogennatur“ (Karl Scheffler) in seiner eigenen, reformorientierten Berliner „Schule für Formkunst“ (1904–14) vermittelte und wie er „selbstständiges Entwerfen“ lehrte. Der dritte Abschnitt widmet sich den frühen Arbeiten, eher Kunstgewerbe und Raumkunst – „im Zeichen des Seepferdchens“ (ein Teil seiner ornamentalen Anregungen stammte aus der Unterwasserwelt). Im vierten Teil werden insbesondere die Berliner Bauten und Interieurs in den Blick genommen. Dazu zählen unter anderen das – sowohl im Programm wie in den fantasiereichen Ausstattungsdetails – „bunte“ Wolzogen-Theater, die Gestaltung der Hackeschen Höfe, heute eines der Touristen-Highlights von Berlin, das Corporate Design der Salamander-Schuhgeschäfte, welches sich als verkaufs- und werbewirksam erwies, und auch die Bauten der Trabrennbahn in Mariendorf. Hier lebte Endell seine Versessenheit zum Detail mit graziler Ingenieurkunst aus. Die Dramaturgie der Kapitel macht deutlich, wie sein Schaffen zunehmend reifer und sachlicher wird. Im anschließenden Kapitel sind Zeitgenossen, wie der ältere, von ihm verehrte Alfred Messel, oder Albert Gessner dargestellt; um dann im letzten Aufsatzteil zum Beispiel die Anschauung und Haltung Endells zur Metropole, zur „Schönheit der großen Stadt“, so der Titel einer seiner Schriften (1908), zu zeigen.
Jeder einzelne Aufsatz ist umfangreich bebildert, zieht zahllose Quellen heran und eröffnet so eine eigene Endell-Welt. Hinzu kommt ein anschaulich dargestellter Werkkatalog, der das Œuvre, die Bauprojekte, die Interieurs und die kunstgewerblichen Arbeiten, wozu Textilentwürfe ebenso gehören wie Druckgrafiken, sorgfältig auslegt. Ein Anhang aus Briefabschriften und Textquellen schließt das Material ab.
Endells eigentlich überschaubares Werkverzeichnis zählt nunmehr 86 Einträge. Da freilich nicht alles realisiert wurde und leider auch vieles aus unterschiedlichen Gründen zerstört ist, leistet der Sammelband einen wesentlichen Beitrag dazu, dass dieses Werk nicht weiter verschwindet. Und der „Formkünstler“ ist, wenn auch nur ein wenig, auf ein höheres Postament gehoben. Damit von ihm mehr bleiben soll, als diese eine Wand des Münchner Fotostudios. 
Fakten
Autor / Herausgeber Nicola Bröcker, Gisela Moeller, Christian Salge (Hrsg.)
Verlag Michael Imhof Verlag, Petersberg, 2012
Zum Verlag
aus Bauwelt 28.2013
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