Bauwelt

In situ in Caen

Die Stadt Caen in der Normandie hat vom 22. September bis 9. Oktober zur vierten Ausgabe einer Architektur- und Städtebau-Biennale eingeladen. Seit diesem Jahr nennt sie sich zusätzlich „In-Situ“, um mehr Aufmerksamkeit über die Region hinaus zu erlangen.

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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    Der Neubau der Bibliothek und Mediathek von OMA auf der Halbinsel von Caen wird im Januar 2017 eröffnet. Im Vordergrund das frühere Hafenbecken.
    Foto: Sebastian Redecke

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    Der Neubau der Bibliothek und Mediathek von OMA auf der Halbinsel von Caen wird im Januar 2017 eröffnet. Im Vordergrund das frühere Hafenbecken.

    Foto: Sebastian Redecke

In situ in Caen

Die Stadt Caen in der Normandie hat vom 22. September bis 9. Oktober zur vierten Ausgabe einer Architektur- und Städtebau-Biennale eingeladen. Seit diesem Jahr nennt sie sich zusätzlich „In-Situ“, um mehr Aufmerksamkeit über die Region hinaus zu erlangen.

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Erstaunlich für eine Stadt mit nur rund 110.000 Einwohnern, dass sie sich mit so großem Engagement einer Biennale zu diesen Themen widmet - diesmal mit dem Schwerpunkt „(Re)construire la ville su-mesure“ - und in drei Wochen zahlreiche Vorträge und Diskussionsveranstaltungen an verschiedenen Orten in der Stadt anbietet. Im Hintergrund steht der größere Stadtumbau, mit dem schon vor vielen Jahren begonnen wurde: La Grande Mosaïque. Auch Caen hat ein altes Hafengebiet nahe des Zentrums, das, zu einem neuen Stadtquartier am Wasser umgenutzt und mit der Straßenbahn angebunden, Impulse für Neuansiedlungen liefern soll. Man steht bei solchen Vorhaben in härtester Konkurrenz mit anderen Städten des Landes. Jede will sich mit besten Angeboten auf zentrumsnahen Brachen Vorteile verschaffen und leistet sich dort erst einmal ein paar öffentliche Bauten als neues Signet. So setzte man auch in Caen Zeichen und verpflanzte die Stadtbibliothek und den Justizpalast ans Hafenbecken. Als Architekten gewann man Rem Koolhaas und – nach Übernahme des Büros des verstorbenen Pariser Architekten Christian Hauvette - Baumschlager Eberle. Das städtebauliche Gesamtkonzept besorgte das Büro MVRDV, die Freiraumgestaltung Michel Desvigne. Einige Stadtmöbel und ein Bootshaus am neuen Freizeithafen stammen von Inessa Hansch. Das ehemalige Hafengebiet zieht sich über die Nachbargemeinde Hérouville-Saint-Clair hinweg nach Norden und umfasst 300 Hektar. Es ist viel zu groß! An ein Gesamtkonzept in Relation zur Größe und Bedeutung der Stadt und ihrer Umgebung ist nicht zu denken.
Die drei Wochen Veranstaltungen und Diskussionen sind geprägt von der Mischung aus Diskussionen zu lokalen Planungen, Präsentationen großer Namen, die auch einen Blick auf die Stadt werfen, und zahlreichen Führungen für das breite Publikum. Fast wäre es gelungen, sogar Renzo Piano nach Caen zu locken. Er sagte aber dann doch ab. Unterfüttert werden die Veranstaltungen mit der Ausstellung „Réenchanter le Monde“ mit den 40 Preisträgern des Global Award for Sustainable Architecture, die die Cité de l’Architecture zusammenstellte. Das Pariser Architekturzentrum ist einer der Partner der Biennale. Das Bemühen ist richtig, Ausstellungen aus der noch immer alles dominierenden französischen Hauptstadt in anderen, auch kleineren Städten des Landes zu zeigen.
Nicht unerwähnt bleiben muss, dass Caen Ende des Zweiten Weltkriegs zu zwei Dritteln zerstört wurde. Der Wiederaufbau durch den Pariser Architekten Marc Brillaud de Laujardière (1889-1973) zog sich bis 1962 hin. Unabhängig vom neuen Stadtquartier am ehemaligen Hafen war bei den Veranstaltungen interessant zu beobachten, dass der Wiederaufbau, der städtebaulich wie architektonisch nicht die Stärke eines Auguste Perret beim Wiederaufbau von Le Havre besitzt, nun immer mehr Beachtung findet und in der Stadt sogar mit Stolz erläutert wird. Man entschied sich damals, weitgehend auf dem alten Stadtgrundriss, Satteldach-Häuser und Blocks wie die Tours Marines einheitlich mit dem hellen „Stein von Caen“ (ein grau-beiger Kalkstein aus der Region) zu errichten. Dazu gehören viele kleine, teilweise erfinderische Variationen in den Fassaden in der Handschrift der fünfziger Jahre. Diese Feinheiten gilt es beim Stadtspaziergang zu entdecken.
Eine Enttäuschung aber gab es auch: Was nach dem Umzug mit den Bauten der alten Stadtbibliothek und dem denkmalgeschützten Justizpalast von 1893 im Stadtzentrum passieren soll, konnte ich von der Stadt nicht erfahren. Sie stehen leer. Man sei auf der Suche nach Ideen.


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