Bauwelt

Bau doch in meinem Garten

Den Bedarf an neuen Einfamilienhäusern decken, ohne die Zersiedelung voran zu treiben? Der Autor, Architekt aus Frankreich, hat das Prinzip „BIMBY – Build in my Backyard“ entwickelt. Mit seinem Kompagnon David Miet und einem kleinen Team zieht er von Gemeinde zu Gemeinde, sucht Partner in den Verwaltungen und macht Eigenheimbesitzern die Idee schmackhaft, einen Teil ihres Grundstücks zur Nachverdichtung zur Verfügung zu stellen.

Text: Le Foll, Benoît, Paris

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    Sukzessive verdichten durch Auffüllen: Illustration des BIMBY-Konzepts auf der Projekt-Website
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Bau doch in meinem Garten

Den Bedarf an neuen Einfamilienhäusern decken, ohne die Zersiedelung voran zu treiben? Der Autor, Architekt aus Frankreich, hat das Prinzip „BIMBY – Build in my Backyard“ entwickelt. Mit seinem Kompagnon David Miet und einem kleinen Team zieht er von Gemeinde zu Gemeinde, sucht Partner in den Verwaltungen und macht Eigenheimbesitzern die Idee schmackhaft, einen Teil ihres Grundstücks zur Nachverdichtung zur Verfügung zu stellen.

Text: Le Foll, Benoît, Paris

Auf 97 Prozent des Landes, das in Frankreich jedes Jahr für Wohnungsbau bereitgestellt wird – überwiegend Ackerland –, entstehen Einfamilienhäuser. Im Jahr 2002, als ich ein junger Architekt war, fragte ich mich, ob es möglich sei, Einfamilienhäuser zu bauen, ohne weitere landwirtschaftliche Flächen zu verbrauchen. Es gibt eine einfache Antwort darauf: Man muss die Gärten der Leute nutzen. Wenn die Menschen älter werden, finden sie ihre Gärten oft zu groß, um sie in Schuss zu halten. Und sie können ein bisschen Geld verdienen, indem sie einen Teil ihres Grundstücks verkaufen. Ich habe diesen Ansatz deshalb in einer Stadt in der Île-de-France vierzig Kilometer südwestlich von Paris getestet, eine Stadt mit einem Schloss, einer Altstadt …
Im Durchschnitt verbraucht jedes neue Einfamilienhaus 1000 Quadratmeter Land. In den kommenden zehn Jahren würde auf diese Weise eine vollkommen zersiedelte Landschaft entstehen, eine Landschaft, die eigentlich keiner will. Trotzdem möchten 80 Prozent der Franzosen in Einfamilienhäusern leben. Daher schlug ich „BIMBY – Build in my Backyard“ als Möglichkeit vor, Platz für 90 neue Häuser zu finden, ohne Ackerland
zu verbrauchen, allein durch „Auffüllen“.
In der Île-de-France gibt es einen enormen Flächendruck, der Durchschnittswert eines Grundstücks beträgt 150.000 Euro. Die Idee war, dass die Bewohner sich im hinteren Teil ihres Gartens einen Bungalow bauen, ideal für den Ruhestand, und ihr bestehendes Haus mit einem Teil des Grundstücks für 350.000 Euro verkaufen. Sie würden 200.000 Euro verdienen, und müssten ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen. Die Leute waren einigermaßen zufrieden mit unserer Argumentation. Aber am Tag nach unserer Präsentation gab es einen Artikel in der Zeitung, und die Bewohner starteten eine Petition: „Nicht in unseren Höfen!“. Sie dachten, der französische Wohlfahrtsstaat wolle ihnen einen Teil ihres Landes wegnehmen, um Sozialwohnungen zu bauen!
Nach dieser ersten, erfolglosen Präsentation wurde uns klar: Statt für die Leute zu denken, ihre Häuser zu entwerfen, ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen, sollten wir das Problem herumdrehen und damit beginnen, die Leute nach ihren Plänen zu fragen. Also luden wir alle Hauseigentümer ein, zu uns zu kommen und kostenlos eine Stunde lang mit einem Architekten zu sprechen. Sie konnten ihm beschreiben, was immer sie sich für ihr Grundstück vorstellten – bevor wir beginnen würden, irgendwelche Regeln für eine mögliche Verdichtung aufzustellen. Mit einem Mal gibt es einen Austausch zwischen Architekt und Bewohnern: Das startet damit, wie man eventuell eine Garage ergänzen kann. Im Laufe des Gesprächs zeigen wir, wie man die Wohnung vergrößern könnte, z.B. indem man das Haus bis an die Straßenflucht erweitert. Dann taucht die Idee auf, auf dem hinteren Teil des Grundstücks ein weiteres kleines Haus zu errichten, mit der Vermietung ließe sich ein zusätzliches Einkommen erzielen. Und dann schlagen wir Varianten vor, auf der Rückseite des Grundstücks, in der Mitte …, bis die ideale Lösung gefunden ist. Die Leute sind sich dann sicherer mit ihren Vorstellungen und sehen den Vorteil der Methode.
Bleibt die Frage: Wie soll dieser hochindividuelle, partizipatorische Ansatz das französische Wohnungsproblem lösen? In Frankreich werden jedes Jahr 220.000 Einfamilienhäuser gebaut, obwohl es bereits 19 Millionen gibt. Wenn also nur einer von hundert Einfamilienhausbesitzern im Jahr sich entscheiden würde, einen Teil seines Gartens zu verkaufen, um ein neues Haus zu bauen, wäre das genug, um praktisch den gesamten Bedarf an neuen Einfamilienhäusern zu decken.
Aus dem Französischen von Jan Friedrich

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