Bauwelt

Vom Exponat zum Werkzeug


Sanierung des Kaisersaal im Museum für Fotografie


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Zentralblatt der Bauverwaltung Heft 9/1910

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    Zentralblatt der Bauverwaltung Heft 9/1910

Die Feier des Fragments, die geschmäcklerische „Entscheidung im Einzelfall“ liegt den Architekten Paul und Petra Kahlfeldt bei der Renovierung alter Häuser fern. Und gilt es Neues zu gestalten, begegnen sie dem Bestand nicht mit Kontrasten, sondern folgen den Gesetzmäßigkeiten, die aus dem Vorgefundenen zu Tage treten – ob nun bei einem Gebäude der Strom­versorgung aus den 20er Jahren, bei einem Geschäftshaus aus den 50er Jahren oder bei einem Vergnügungspalast des Deutschen Heeres aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Einen solchen, das ehe­malige Landwehr-Casino am Bahnhof Zoo in Berlin, haben die Architekten vor einigen Jahren für die Fotografien Helmut Newtons hergerichtet (Bauwelt 47.03), und mit dem Einzug des Museums für Fotografie in das Gebäude hat nun auch der ehemalige „Kaisersaal“ unter dem Dach eine dauerhaft neue Bestimmung gefunden.
Vier Jahre ist es her, da zogen hier Reiner Leists New Yorker Fenster-Blicke den Besucher in ihren Bann (Bauwelt 42.06). Doch waren es seinerzeit nicht nur die Fotografien, die sich ins Gedächtnis gebrannt haben – es war auch die anspielungsreiche und Bedeutsame Verbindung, die diese mit dem rauchge­schwärzten, schrundigen Hintergrund der damals noch rohen Kriegsruine eingingen. Auch deshalb kam man damals neugierig hierher: Der Ort war ein Provisorium, an dem die große Zeit der Provisorien, welche mit all ihren Geschichten und Möglichkeiten so viele Menschen in den 90er Jahren nach Berlin zog, noch einmal aufflackerte.
„Ein neuer Blick: Architekturfotografie aus den Staatlichen Museen zu Berlin“ ist die erste Schau im nun renovierten Saal denn auch passend betitelt – das Schwebende, Vage hat wieder Tritt gefasst und Form gefunden. Rund 300 Exponate aus den verschiedenen Häusern der Staatlichen Museen warten auf den Besucher; die Bilder reichen zurück bis in die Anfänge des Mediums und dringen vor in das Reich der künstlerischen Fotografie der Gegenwart. Die Aufmerksamkeit des Besuchers für die Fotos wird durch keine architektonische Irritation abgelenkt; der große Ausstellungssaal wirkt auf den ersten Blick so selbstverständlich wie uninteressant.
Man muss schon genau hinsehen, um den strengen rationalistischen Rahmen zeitlich zu verorten. Dem 1909 nach Plänen von Schmieden & Boethke errichteten Skelettbau gelingt aufgrund der fehlenden historisierenden Endausstattung und der nicht rekonstruierten Gewölbedecke jedenfalls mühelos der Sprung in die Gegenwärtigkeit des Berlinischen Architekturschaffens. Statt der flachen Rabitztonne, die zu rekonstruieren nicht nur sehr aufwendig und mithin kostspielig, sondern aus klima- und lichttechnischen Gründen auch recht unpraktisch für die museale Nutzung gewesen wäre, haben die Kahlfeldts eine flache Lichtdecke als oberen Raumabschluss gewählt, deren Felder so groß sind, dass die zugrundeliegende Herleitung aus einer historischen Kassettierung nachzuvollziehen nur dem Eingeweihten gelingen dürfte; darüber blieb das von Max Taut geplante Notdach erhalten. Es blieb überhaupt alles erhalten, was vom historischen Bestand noch vorhanden war – nur haben die Architekten es nicht aus­gestellt, sondern unter einer schützenden neuen Schicht verborgen. Das übernommene historische Ord­nungssystem und die neue Ästhetik verbinden sich auf diese Weise zu einem „unspektakulären Ergebnis“, so Paul Kahlfeldt, und die Staatlichen Museen zu Berlin freuen sich über einen Ausstellungsort, „der in seiner Gesamtausstattung nun internationalen Standards entspricht“ – Weltniveau, Gratulation!



Fakten
Architekten Kahlfeldt Architekten, Berlin
aus Bauwelt 24.2010

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