Bauwelt

Marco Polo Tower: Luxus Wohnen im Behnisch-Turm



Text: Geipel, Kaye, Berlin


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An einem der besten Standorte der HafenCity, am Strandkai, realisierten Behnisch Architekten mit dem Marco Polo Tower ein Beispiel für das luxuriöse Wohnen in der Innenstadt. Entstanden ist ein in seiner Großform gelungenes Wahrzeichen, für dessen Detaillierung sich der Kritiker mehr Luxus, mehr Ausgefallenheit und mehr Extravaganz gewünscht hätte.
Die Innenarchitektin Ulrike Krages lehnt an einer weiß glänzenden ornamentierten Wand, ein Fotograf liegt vor ihr auf dem Boden, Fotos des fertigen Appartements werden gemacht. Ständiger Perspektivwechsel auf das luxuriöse Wohnambiente: die offene Küche, die Reliefwand im Wohnbereich und die geschwungenen Balkone werden für künftige Veröffentlichungen fotografisch in Besitz genommen. Ulrike Krages, dafür bekannt, die Phantasie möglicher Kunden auch durch ökonomisch relevante Statements wie: „Gold ist voll im Trend“, zu befeuern und dann auch goldene Badewannen zu entwerfen, gehört zu den Designern, die das Entwicklerkonsortium Hochtief und DC Residential für die Kunden vor-ausgewählt haben. Grundsätzlich wird im Marco Polo Tower nach dem „Casco“-Prinzip verkauft. Die Käufer erwerben Rohlinge und bauen sich die Wohnungen nach eigenem Gusto aus. „Aber natürlich ist es schon so, dass einige Käufer nicht genau wissen, was sie wollen. Wir machen dann Vorschläge, welche Innenarchitekten in Frage kommen. Am Ende entscheidet aber jeder selbst.“, sagt Heiko Tenbergen, der verantwortliche Architekt von Hochtief. Schätzungsweise 12 bis 15 unterschiedliche Architekten sind zum Einsatz gekommen. Ein Jahr lang herrschte in dem bereits nahezu fertiggestellten Wohnturm eine rege Ausbautätigkeit.
Fast alle Wohnungen des Marco Polo Towers sind inzwischen verkauft. Mit einem nicht genannten Aufschlag ist die zweigeschossige Penthouse-Wohnung noch zu haben, außerdem einige kleinere Wohnungen in den unteren Geschossen. Auf Nachfrage werden 8000 bis 12.000 Euro pro Quadratmeter genannt. Das ist auch für Hamburg ein Spitzenpreis. Dazu kommen die Kosten für den Innenausbau. Überboten werden die Preise am Logenplatz der HafenCity, mit dem besten Blick auf die Norderelbe, demnächst wohl nur von den Wohnungen in der Elbphilharmonie.
Ganz oben im Marco Polo Tower, in der noch nicht verkauften rohen Penthouse-Wohnung, lehnen zur Zeit noch Plantafeln verschiedener Architekten für den Ausbau an der Wand. Ausgerechnet das Penthouse fordert von den Designern eine besondere Anstrengung, weil das heruntergezogene Dach des asymmetrischen Turms auf der Galerieebene einen großen blinden Raum entstehen lässt. Ansonsten aber haben die Wohnungen überall einen direkten Zugang auf die Balkone. Das Grundstück ist phantastisch, und der Blick ist es ebenfalls. Im Büro Behnisch hat man sich beim Entwerfen auf diesen Blick konzentriert und aus ihm heraus die Großform des Wohnturms entwickelt. Organisch, ausschwingend und mit nach oben immer weiter auskragenden Grundriss- und Balkonflächen. Dass die oberen Geschosse üppiger dimensioniert sind, ist schon deshalb sinnvoll, weil es weiter unten sowohl nach Westen, wie nach Osten und Norden künftig eine angrenzende Bebauung geben wird. 
Vor gut drei Jahren, in Heft 1–2.08 über die HafenCity, haben wir auch die Planung für den Strandkai vorgestellt. Der Masterplan für den exponierten innerstädtischen Standort am Fluss, der in einer Reihe zu sehen ist mit den Grundstücken am Kölner Rheinauhafen oder dem Kop van Zuid in Rotterdam, stammt von den Hamburger Architekten Böge Lindner. Sie hatten eine gemischte Blockstruktur vorgeschlagen, aus der einzelne Türme herausragen. Die Firma Unilever hat den Bau der  Unternehmenszentrale und den prestigeträchtigen Wohnturm auf dem von ihnen erworbenen Baufeld dann voneinander getrennt. Der Wettbewerbsgewinn von Stefan Behnisch, David Cook und Martin Haas war insofern schlüssig, als die Stuttgarter Architekten mit pragmatischem Expressionismus Qualitäten angeboten haben, die die städtebauliche Block-Turm-Struktur ausreizen und für hohe architektonische Aufmerksamkeit sorgen würden.  Man muss die sich agil anpassende Formensprache des heutigen Behnisch-Büros nicht mögen, um eines festzustellen: Sowohl der neue Turm als auch der bereits im letzten Jahr realisierte Verwaltungsbau lassen eine einprägsame Architektursprache und eine entsprechende Corporate Identity sichtbar werden, ohne dass ein fremdes architektonischen Superzeichen entstanden wäre. Der Verwaltungsbau ist eine Kombination aus Büroatrium und bunter Shopping-Mall, die luftgefüllten Membranen der Fassade erinnern ein wenig an Nicolas Grimshaws „Edenproject“ in Cornwall. Für den Marco Polo Tower selbst ist das Motiv der sich wie Luftschlangen herauswölbenden Balkone dominant; sie verleihen dem Hochhaus den Charakter eines Aussichtsturms. Natürlich denkt man dabei auch an Scharoun, in Stuttgart stehen gleich drei seiner Türme, die den Architekten bestens bekannt sein dürften. Es sind aber mehr als 50 Jahre, die die im Inneren viel bescheideneren Stuttgarter Wohnbauten von der Hamburger Gegenwart trennen. Von einer Weiterentwicklung innovativer Wohntypologien kann beim Marco Polo Tower schon wegen des individuellen Aus­gestaltungsprinzip nicht die Rede sein. Aber auch der Begriff einer organischen Architektur geht in Hamburg ins Leere, weil von den üppigen Schwüngen im Inneren nichts zu finden ist. Die Casco-Grundrisse lassen eine simple, wenn auch unterschiedlich große Addition von rechtwinkligen Flächen zu. Der Spielraum der Innenarchitekten zielt dann konsequenterweise meist darauf, vor die zurückgelagerte und künstlich belichtete Zone der Serviceräume eine mit gestaffelten Zwischenwänden gebrochene Enfilade des Wohnraums zu le­gen und damit für Großzügigkeit zu sorgen.
Vorbild Chicago?
Wie ausgefallen ist der Marco Polo Tower also tatsächlich? Was erzählt er über den Stand des Luxuswohnens in den besten deutschen City-Lagen? Der Turm am Strandkai macht eines deutlich: Die Frage des luxuriösen Wohnens hat sich in der Hamburger HafenCity längst relativiert, hin zum globalen Standard: Verkaufbarkeit geht vor Ausgefallenheit. Die Wohnungen bieten für ihren herausragenden Preis eine herausragende Prestige-Lage, eine markante Außenform und individuelle Ausbaumöglichkeiten. Die Qualität im Detail hingegen beschränkt sich auf unverbindliche Edelausstattung – selbst den sonst so charakteristischen Behnisch-Mix aus farbigen Gläsern und waghalsigen Stahl- und Holzverbindungen sucht man vergeblich. Das Eingangsfoyer ist hell, weiß, mit Corian, weißem Leder und hellen Holzstreben gestaltet, die Galerien im Luftraum weiter oben sind bloße Attrappen. Besonders enttäuschend ist die Detaillierung auf der Innenseite der architekturprägenden Balkone und Brüstungen. Die neuen Besitzer werden es vermutlich nicht einmal merken. So überzeugend die Großform des Marco Polo Towers ist: Den Entwerfern möchte man, gerade was die Gestaltung der tanzenden Balkone betrifft, dann doch  einmal die Fotos von Bertrand Goldbergs Marina Towers auf den Tisch legen.



Fakten
Architekten Behnisch Architekten, Stuttgart
Adresse Hübenerstrasse 1, 20457 Hamburg


aus Bauwelt 19.2011
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