Bauwelt

Hotel Ammerwald


96 Fertighäuser = 1 Hotel


Text: Aicher, Florian, Leutkirch


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Für den Bau des Hotels am Tiroler Plansee zeichneten Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf nicht nur eine Ausführungsplanung, sondern brachten aus dem heimatlichen Vorarlberg die komplett ein­gerichteten Hotelzimmer auf die 200 Kilometer entfernte Baustelle mit.
Verlockend ist es schon: ein Stück Haus zu bestellen und es, fix und fertig installiert und möbliert, geliefert zu bekommen. Die Zähne am Fertighaus ausgebissen haben sich viele, darunter nicht wenige Architekten (nach dem Motto: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber). Wirklich geglückt ist es kaum jemandem. Einem Zimmereibetrieb im Bregenzerwald aber schon.
Im Grunde sind es Fragen der Auslastung, die in dieser regen- und schneereichen Gegend die Vergrößerung des Werkstattanteils der Arbeit erzwingen, verbunden mit der auf diese Weise möglichen Qualitätssteigerung. So war es nur konsequent, dass der Betrieb, der Zimmerei und Schreinerei unter einem Dach verbindet, in Zusammenarbeit mit dem Büro des Architekten Oskar Leo Kaufmann und einem Bausystem-Hersteller die Vorfertigung bis zur kompletten Raum-Zelle vorantrieb. Eine solche „Box“ auf dem Dach des New Yorker Museum of Modern Art brachte im Jahr 2008 die internationale Anerkennung für eine Entwicklung, die mit Kleinstwohnungen wie „Fred“ und „Su-Si“ begann (Bauwelt 38.00), sich dann aber auf hochinstallierte gleichartige Wohnräume konzentrierte – Hotelzimmer etwa, mit denen einige anspruchsvolle Projekte bestückt wurden.
Ein Wettbewerb erbrachte 2009 den Auftrag für die bislang größte derartige Anlage, das Seminarhotel „Ammerwald“ der BMW Group in der Nähe von Reutte in Tirol am Plansee gelegen: 96 Zimmer, inklusive Nasszelle und Möblierung auf 3-Sterne-Standard, eingeschlossen sämtliche Wandaufbauten bis zur Wetterschicht (Niedrigenergiestandard), Installationsschächte, Flure. Die Fertigstellung erfolgte innerhalb von vier Monaten.
In der Werkhalle der Zimmerei wurde eine Fertigungsstraße eingerichtet, der Vorschub erfolgte händisch. Im ersten Schritt wurde die Hülle aus Brettsperrholz in Sichtoberfläche gefügt. Es folgten die Installationsarbeiten, dann die Ausbaugewerke. Die halbe Talschaft war dabei, alles Handwerksbetriebe des „werkraums bregenzerwald“, eines Zusammenschlusses qualitätsorientierter Handwerksbetriebe (Bauwelt 22.06), die schon mehrfach Gelegenheit zur Einübung des Zusammenspiels hatten. Nach zwölf Stationen auf 62 Metern Produktionsstrecke, nachdem Glaser und Maler zuletzt Hand angelegt hatten, nach Endabnahme und wetterfester Verpackung wurden täglich drei fertige Boxen im Freien gestapelt. Zehn Tage vor Fertigstellungstermin des Gebäudes, nachdem vor Ort die drei Sockelgeschosse in Stahlbeton vorbereitet waren, wurden die ersten fünf Tieflader mit je zwei Modulen beladen, nachts, mit Sondersperrung des Pfändertunnels, auf die knapp 200 Kilometer entfernte Baustelle verbracht und Zug um Zug täglich zehn Boxen versetzt und angeschlossen. Termingerecht wurde abgeschlossen.
Klassisches Handwerk ist das Ganze sicher nicht, die Teile wohl. Man ist sich durchaus der Problematik für das jeweilige örtliche Handwerk bewusst, wendet jedoch ein, dieses Mal seien hier im Bregenzerwald Betriebe beschäftigt worden, nächstes Mal dann anderswo. Fraglich, ob ein einziges Unternehmen mit all den Gewerken dies so hätte bewältigen können – ohne die Improvisationskunst der zahlreichen eingespielten Handwerksbetriebe. Und trotz des Transportaufwands: Die Sache hat sich gerechnet, die fertigen Hotelzimmer machen gerade mal 20 Prozent der vom Bauherrn an­gegebe­nen Kosten aus, mit ca. 1250 Euro pro Quadratmeter liegen sie, voll möbliert, im Rahmen des geförderten Wohnungsbaus.
Zu lernen ist: Das Fertighaus muss heute nicht Verlockung bleiben, wenn es dort eingesetzt wird, wo es um die Wiederholung von Gleichem geht. Dann eröffnen sich neue Einsatzgebiete: Derzeit ist in der modularen Bauweise ein großes ­Sozialzentrum für alte Menschen mit 80 Zimmern im Entstehen.



Fakten
Architekten Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf, Dornbirn
Adresse Ammerwald 1 A - 6600 Reutte / Tirol


aus Bauwelt 41.2010
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