Bauwelt

Gekipptes Dach aus Dreiecken


Sparkasse in Middelfahrt


Text: Bartels, Olaf, Hamburg


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    Adam Mørk

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Im dänischen Middelfart ist der weiß glänzende Neubau, den die Architekten von 3XN für die regionale Sparkasse entworfen haben, Teil der großangelegten Umgestaltung einer ehemaligen Industrielandschaft am Wasser. Ein leicht geneigtes Schrägdach überspannt jetzt die halböffentlichen Funktionen.
Ungewöhnlich sieht das neue Gebäude der Sparkasse in Middelfart schon aus. Spötter nannten es bereits die größte Ge­müsereibe Dänemarks. Mit seiner komplexen Kubatur, seinem langgezogenen Dach, den 83 pyramidalen Dachgauben und vor allem mit seiner weißen Fassadenfarbe setzt sich das Haus sehr deutlich von seiner Umgebung ab.
In der süddänischen Kleinstadt beherrschen noch immer backsteinerne, zum Teil weißgeschlemmte Bauten mit roten Ziegeldächern das Bild – ein Grund, warum die Form der Sparkasse eher Bezug zum neuen, direkt am Wasser gelegenen Kulturhaus aufnimmt, das die Architekten Schmidt Hammer Lassen hier 2002 entworfen haben, als dass die Architektursprache versuchen würde, sich in die Bebauung entlang der Fußgängerzone einzubinden. Von seiner Höhe her ist der Neubau nicht einmal besonders auffällig, aber in Form und Volumen hebt er sich deutlich ab. Eine solcher Balanceakt war von dem Bauherrn und den Architekten durchaus beabsichtigt. Ihnen ging es nicht darum, möglichst knallig auf das Unternehmen hinzuweisen. Dass der Bau trotzdem sofort auffällt, ist eher so etwas wie ein Nebeneffekt. Die Sparkasse Middelfart versteht sich zuerst als Dienstleister, sie verwaltet kein Großkapital. Sie ist 1853 aus einer kooperativen Bewegung der Handwerker und Kleinbauern entstanden, die ihr Geld anvertrauten oder Kleinkredite in Anspruch nahmen. Bis heute ist das Institut finanziell eigenständig und mit seinen zehn Filialen auf Fünen und im Süden Jütlands ein wichtiger lokaler Player, der von der Nähe zur örtlichen Bevölkerung lebt. Entsprechend kundennah ist das Gebäude im Zentrum Middelfarts postiert: direkt an einer Ecke der zentralen Einkaufstraße und einer Querstraße, die zum alten Industriehafen leicht abwärts führt, in dessen Mitte das neue Kulturhaus liegt. Die Front im Erdgeschoss zur Einkaufstraße hat die Sparkasse zwei Ladengeschäften überlassen. Eines davon, ein Schreibwaren- und Buchgeschäft, bespielt mit dem angeschlossenen Café auch die Gebäudefront zur Nebenstraße und trägt zur Aktivierung des kleinen Platzes bei, der vor dem Haupteingang angelegt worden ist. Dieser Platz ist mit dem Kulturhaus, den Wohnbauten und einem Park Teil einer Aufwertungsstrategie der Wasserfront, die längst nicht mehr für industrielle Funktionen genutzt wird. Die Umnutzungsplanung der Stadt an dieser Stelle sieht hier ein neues gesellschaftlich-kulturelles Zentrum vor, das seit einigen Jahren umgesetzt wird. Die Sparkasse wurde mit ihrem Neubau in die Gestaltung dieses Zentrums einbezogen. Die große Eingangshalle ist deshalb auch so konzipiert, das dort öffentliche Veranstaltungen wie Ausstellungen, kleine Theateraufführungen, Chorkonzerte oder Weihnachtsfeiern stattfinden können. Im alltäglichen Betrieb soll dieser Foyer-Raum quasi wie ein allen zugänglicher öffentlicher Raum genutzt werden können. Auch auf die Details wurde geachtet: in einer Ecke steht ein Kaffeeautomat, an dem sich die Mitarbeiter, aber auch zufällig anwesende Besucher kostenlos bedienen können – vorzugsweise sind solche Leistungen natürlich für die Kunden gedacht. Um den Kunden die mögli­che Wartezeit zu verkürzen, beauftragte die Bank den dänisch-isländi­schen Künstler Olafur Eliasson, der Kaleidoskope in den Hallenfußboden eingelassen hat.
Die Raumbezüge sind bewusst fließend gestaltet. Vom erhöhten Standpunkt aus lässt sich auf den kleinen Belt mit der großen Brücke blicken, die seit den dreißiger Jahren Jütland mit Fünen verbindet. Kunden, die von einem Mitarbeiter der Sparkasse bedient werden wollen, ziehen sich eine Nummer und warten dann auf einer großen Treppe, die zu den Serviceplätzen des Großraums unter dem alles überspannenden Dach führt. Zu anderen Zeiten wird diese Treppe übrigens auch als Tribüne für Aufführungen genutzt.
Prinzip offener Großraum
Nicht nur die unterschiedliche Nutzung sorgt also für aktive Erdgeschosszonen; die Raumkonzeption selbst ist darauf angelegt, den Bau mit dem städtischen Betrieb regelrecht zu verzahnen. Vor den Schaltern gibt es kein Panzerglas – für Räuber gäbe es auch nichts zu holen, denn wie heute üblich lagert das Bargeld in Tresoren im Keller und ist nur mit elektroni­schen Codes erreichbar. Etwa 120 Menschen arbeiten im Haus, und unter der Belegschaft herrscht ein Gefühl wie in einer großen Familie. Im Erdgeschoss bedienen die Angestellten, die hier die Privat- und die Geschäftskunden betreuen, auf den oberen Ebenen ist die Hauptverwaltung der Sparkasse untergebracht – alles unter einem Dach, mit blendfreiem Nordlicht und Blick aufs Wasser. Zusätzlich gibt es etwa 20 separate und akustisch abgeschirmte Besprechungsräume. Allerdings wurde auch bei der Planung des Großraums Sorge getragen, dass der Lärmpegel zurückhaltend bleibt, dank einer geschickt konzipierten Schallisolation herrscht ein kaum wahrnehmbares Grundrauschen. Der Direktor der Sparkasse zog übrigens ei­nen Arbeitsplatz im Großraum vor, er sitzt lieber unter seinen Mitarbeitern als in dem für ihn vorgesehenen Büro. Die geschlossenen Büros werden in der Praxis nur für Besprechun­gen genutzt. In die Treppen, die auf die oberen drei Ebenen führen, sind Sitzstufen integriert, in ihrer Nähe gibt es Geträn­keautomaten für kurze Pausen und informelle Gespräche. Die eigentliche Kantine ist mit Zugang zu einer Terrasse zum Belt hin orientiert. Sie ist so konzipiert, dass sie für öffentliche Abendveranstaltungen auch separat genutzt werden kann. Glaswände im Erdgeschoss und ein Garderobenelement auf der ersten Empore schließen dann den Zugang zu den Büroräumen ab. Insgesamt wirken die Ebenen der Zentralverwaltung wie ein gut strukturierter und dennoch organisch zusammenhängender Organismus. Die Filialemitarbeiter im Erdgeschoss sind von diesem Raumkontinuum allerdings etwas abgesondert, ihre Arbeitsplätze liegen unter der Empore etwas im Dunkeln.
Von innen nach außen
Die Struktur des Baus ist wegen des komplizierten Grundstückszuschnitts komplex, die Architekten haben die ineinanderfließenden Ebenen in einer auf Dreiecken basierenden Gebäudegeometrie untergebracht. Die Idee der großen Halle mit ihren tribünenartigen Einbauten bot dann die notwendige Freiheit, Struktur und Grundstücksform in einen Zusammenhang zu bringen. Das transparente Dach wurde so konstruiert, dass die Klimatisierung mit natürlicher Thermik bewerkstelligt wird. Die Bauteilaktivierung der Stahlbetondecken trägt ihren Teil dazu bei, und auf eine mechanische Lüftung konnte verzichtet werden. Nach eigener Aussage haben die Architek­ten diesen Bau von innen nach außen entworfen. Gelungen ist ihnen dabei eine so auffällige wie selbstverständliche Form, die die innere Gebäudeorganisation mit dem öffentlichen städtischen Leben verbindet und gleichzeitig ein markantes Wahrzeichen entstehen lässt. Der Bau ist groß genug, um das neue Zentrum von Middelfart zu prägen. Von der Brücke aus springt einem die im Licht flirrendende Dachkonstruktion inmitten des neu konzipierten Viertels am Industriehafen sofort ins Auge. Die Funktion des Baus gibt diese Dachform aber nicht preis. Weil die Sparkasse eine nicht unbedingt übliche Rolle als halböffentlicher Raum ausübt, kann man die formale Offenheit als konsequent bezeichnen.
Sonderform auf der Basis von Standardelementen
Ausgangspunkt für die Idee der spektakulären Dachkonstruktion war, so erzählen es die Architekten Jan Ammundsen und Kim Herforth Nielsen, der Schutz, den eine Baseballkappe ihrem Nutzer bietet. Sie ist offen, leicht und trotzdem wirkungsvoll. Mit dem Ziel einer einfachen und flexiblen Lösung starteten die Architekten ihre Suche nach dem eigenen Entwurfskonzept. Mit ihrem aus vielen spitzwinkligen Dreiecken zusammengesetzten Dach gewannen sie dann den internen Wettbewerb. Die gefundene Dachkonstruktion sollte möglichst viel Licht durchlassen, vor Sonneneinstrahlung schützen und vielen Mitarbeitern einen ungehinderten Blick auf das Wasser bieten. Das Raster der Dachkonstruktion baut sich aus Dreiecken auf, deren Kanten sich an der städtebaulichen Disposition des Grundstücks und des neuen Vorplatzes orientieren. Für die Dachflächen wurde so ein Raster (115/65 Grad) mit rhombenförmigen Feldern ent­wickelt. Eine entsprechend diesem Raster angelegte Stahlkonstruktion aus Doppel-T-Trägern trägt das Dach; sie selbst ist auf Stahlbetonstützen mit hexagonalem Querschnitt gelagert. Während die nach Osten geneigte Fläche flach gedeckt und mit festen Dachflächenfenstern auf rhombischem Grundriss versehen wurde, ist die nach Norden geneigte Fläche mit Gauben in Form von triangularen Dipyramiden belegt. De­ren eine Hälfte besteht aus Glas, die andere aus einer festen und wärmegedämmten Dachkonstruktion aus Stahl mit einer Aluminiumblechdeckung, die ihrerseits mit einem rhombusförmi­gen Schirm („Basecap-Prinzip“) die Glasfläche überragt, um im Sommer bei hohem Sonnenstand eine direkte Einstrahlung von Süden zu verhindern. Trotz der Komplexität des Dachs wurde darauf geachtet, möglichst herkömmli­che Details zu verwenden. So konnten etwa die Glasverbindungen des Dachs weitgehend mit Standardprofilen realisiert werden. Die 83 Dachgauben sind inklusive der Dachdeckung und der Wärmedämmung für das Stahlträgerrost als Bauelemente vorgefertigt und allesamt innerhalb von drei Tagen montiert worden. Diese Ele­mente nehmen auch die Beleuchtungskörper für den Innenraum auf, so dass sowohl tagsüber als auch abends das Licht aus der gleichen Richtung in den Raum strahlt. Die Unterseite der Stahlkonstruktion ist wärmegedämmt und wie die Unterseite der Gaubenkonstruktion mit weißen Akustiklochblechen verkleidet. 



Fakten
Architekten 3XN architects, Kopenhagen
Adresse Havnegade 21, DK-5500 Middelfart


aus Bauwelt 10.2011
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