Bauwelt

Warum uns die marokkanischen Webstuhl­rah­men interessieren

Zeltdachkonstruktion des Biennale-Pavillons in Marrakesch

Text: Barkow, Frank, Berlin; Leibinger, Regine, Berlin

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Axonometrie: Barkow Leibinger

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Warum uns die marokkanischen Webstuhl­rah­men interessieren

Zeltdachkonstruktion des Biennale-Pavillons in Marrakesch

Text: Barkow, Frank, Berlin; Leibinger, Regine, Berlin

Marrakesch ist geprägt durch eine ortstypische, unendlich erfindungsreiche und lebendige Handwerkskunst, die ständig zwischen so etwas wie „Ad-hoc-Kitsch“ und etwas sehr Archaischem, Erhabenen oszilliert.
Die verschiedenen Handwerkstechniken sind leicht verfügbar, und so entschieden wir uns, sie zum Ausgangspunkt für unseren Beitrag zur Biennale zu machen. Die Frage, die wir uns gestellt haben, war, welche Art von Wissen und Fertigkeiten wir mitnehmen könnten, um sie mit den dort vorgefundenen Techniken in Kontakt zu bringen und mit diesen zu verbinden. Welche Effekte können wir dadurch erzeugen, dass wir geometrische Formen, die in der marokkanischen Architektur allgegenwärtig sind, unter Verwendung aktueller CAD-Modelling-Software, also mit Programmen wie Grasshopper und Rhino, generieren? Und was passiert, wenn wir diese unter Zuhilfenahme von lokalen Fertigungstechniken und Materialien in gebaute Realität übersetzen wollen? Auf diese Weise reflektiert die Arbeit sowohl Aspekte, die ortstypisch und vertraut sind, als auch Aspekte, die als universell verstanden werden können. Unter solchen Voraussetzungen war kein geradliniger Entwurfsprozess zu erwarten, eher ein Vor und Zurück, ein Hin und Her, Versuch und Irrtum beim Austesten verschiedener Prinzipien.
Eine lokale Technik, die uns besonders fasziniert hat, ist das traditionelle marokkanische Weben auf einem Webstuhl aus Holzrahmen – ein Handwerk, bei dem ein Woll- oder Baumwollgarn über einen Webstuhl zu einem Feld (in der Regel farbiger) Linien gespannt wird, um auf diese Weise ein textiles Gewebe zu produzieren. Der Rahmen des Webstuhls ist eine in sich stabile Struktur, in der das Garn so fixiert wird, dass aus der Aneinanderreihung paralleler Linien Flächen entstehen – eine Technik, die wir dann auf den architektonischen Maßstab übertragen haben. Unser Ziel war, auf diese Art und Weise dreidimensionale Volumen zu generieren, die sich innerhalb des Holzrahmenwerks aufspannen.
Umsetzen konnten wir den Entwurf in der Ruine der Koutoubia-Moschee. Die vorgege­benen Einschränkungen haben wir respektiert.
Die Überreste der Säulen gaben ein Raster von 5 auf 5 Metern vor. In dieses fügt sich die In­stallation ein und halbiert es mit ihrer Struktur auf ein 2,5 x 2,5 Meter-Raster. Entsprechend der Logik einer hyperbolischen Fläche hat die Struktur auch eine Höhe von 2,5 Metern.
Das regelmäßige Stützenraster der Ruine bildet die Grundlage für die repetitive Zellenstruktur des hyperbolischen Webstuhls. Dieser fügt sich in eine offene, leicht abgesenkte und auf drei Seiten von den Überresten der Moschee eingeschlossene Fläche ein. So bildet die Installation eine serielle räumliche Matrix aus, die in ihrer Erscheinung durch das einfallende Tageslicht, den eigenen Schattenwurf so-wie die Schatten der umgebenden Bebauung beeinflusst wird. Das mit einem Abstand von 1 bis 2 Zentimeter zueinander verlaufende Garn formt insgesamt 18 hyperbolische Flächen.
Der Abstand ist so gewählt, dass durch das Garn eindeutig eine Oberfläche und damit die drei­dimensionale Form definiert wird. Gleichzeitig wirken diese Flächen transparent, vieldeutig und ephemer. Als Tragstruktur haben wir uns für eine einfache ortstypische Konstruktion aus schlanken, von Hand bearbeiteten Holzstämmen entschieden. Diese sind über Steckverbindungen aus Stahlblechen und Stahlrohren miteinander verbunden, die die geometrische Struktur vorgeben und sie stabilisieren.
Fakten
Architekten Barkow Leibinger, Berlin
aus Bauwelt 20.2012
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