Bauwelt

Von Vögeln, Bienen und Julia Roberts

Ornithoport auf der Bundeskunsthalle

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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Foto: Peter Oszvald © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland

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Von Vögeln, Bienen und Julia Roberts

Ornithoport auf der Bundeskunsthalle

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Ornithoport ist ein wunderbares Wort. Und wie alle Neologismen bietet es wegen seiner noch unscharfen Definition einen breiten Interpretationsspielraum.
Oder anders gesagt: Nichts Genaues weiß man nicht. Wer dieser Tage über das Dach der Bundeskunsthalle in Bonn schlendert, um herauszufinden, was sich hinter dem „Internationalen Vogelflughafen“ wohl verbergen mag, durchquert zunächst eine Miniaturbirkenallee, dann die strenge Geometrie des „Blütenmeers“. Beides gehört zum „Max Liebermann Künstlergarten“. Hinter dem dritten blauen Peichl-Kegel ändert sich die Kulisse abrupt. Über einer (noch nicht erblühten) Wildblumenwiese ertönt plötzlich der Gong des Köln-Bonner Flughafens. Eine Ahnung von Fernweh und Urlaubsstimmung überkommt den Besucher. „Sicherheitshinweis! Bitte lassen Sie Ihre Ideen nicht unbeaufsichtigt.“ War das nicht Julia Roberts? Fast. Ihre deutsche Synchronstimme warnt vor – ja, vor was eigentlich? Kunstraubvögeln vielleicht? Keine in Sicht. Überhaupt ist kein einziger Vogel zur Eröffnung des Internationalen Vogelflughafens gekommen. „Den Vögeln wird es ganz egal sein“, meint Kurator Stephan Andreae.
Fliegende Konzeptkunstmuffel
Ist der Ornithoport ein Naturschutz- oder ein Kunstprojekt oder schlicht ein großer Unfug? Natürlich stellt man diese Frage bei einer Vernissage nicht. Doch für jede Variante gibt es Belege. Da wäre der Berufsimker Klaus Maresch, der 180.000 „Bundesbienen“ hier stationiert hat, um dem Flugverkehr auf dem Dach Anschubhilfe zu leisten und den Vogelflughafen mit dem Liebermanngarten zu verknüpfen – durch den Pollentransport. Die Bienen sind fleißig, wie es ihrer Art entspricht, und werden leicht nervös, wenn der Eingang ihres Stocks von Journalisten und deren Mikrofonen versperrt wird. Bienen sind wichtig, sonst gäbe es keinen Kaffee und keinen Orangensaft, lernen wir. Und um dem Nachdruck zu verleihen, sticht eine Arbeiterin der normalerweise ausgesprochen friedliebenden britischen Klosterbienen dem Imker ins Ohr. Hausrotschwänze seien beim Nisten in den Lüftungslamellen der Bundeskunsthalle beobachtet worden, erzählt der Kurator, außerdem hätten Ornithologen des Zoologischen Instituts 25 weitere Wildvogelarten in der Umgebung des Museums ausgemacht. Das spräche für den Naturschutz. Dagegen – und damit wohl für die Kunst – spricht in erster Linie die Abwesenheit der Vögel. Gestärkt wird das Argument durch die Flughafenzitate (Start- und Landebahn, Lautsprecherdurchsagen, Windhose, rätselhafte Piktogramme), die durch die Dislokation zwar an Kunstmehrwert gewinnen, ihren eigentlichen Sinn aber eingebüßt haben.
Naturschutz, Kunst, Unsinn: keine Schublade will so richtig passen. Das Projekt Internationaler Vogelflughafen ist eine Kooperation mit „ingold airlines“; dahinter steckt der Schweizer Konzeptkünstlers Res Ingold, der mit seiner fiktiven Fluggesellschaft seit 25 Jahren Verwirrung stiftet und auch auf dem Dach der Bundeskunsthalle nicht viel zur Klärung beiträgt. Überlassen wir das experimentelle Biotop also den Museumsbesuchern und Künstlern, den Blumen und Bienen – und den Vögeln, wenn sie denn möchten. Und freuen uns daran, dass Bonn mal wieder einen Superlativ zu bieten hat. Denn, so verkündet das Begleitheftchen: „Der internationale Vogelflughafen Bonn ist zurzeit der modernste Ornithoport Europas, vielleicht der Welt.“ Kunststück...

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