Bauwelt

Ungebrochen modern

Herbert Bayers Berliner Jahre

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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Titel des Möbelkatalogs „wohnbedarf“ von Herbert Bayer, 1933 (Ausschnitt)
Abbildung: Bauhaus-Archiv Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2013

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Titel des Möbelkatalogs „wohnbedarf“ von Herbert Bayer, 1933 (Ausschnitt)

Abbildung: Bauhaus-Archiv Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2013


Ungebrochen modern

Herbert Bayers Berliner Jahre

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Das Bild der Architektur-Avantgarde der Zwischenkriegszeit ist zu einem erheblichen Teil nicht durch die Bauten selbst, sondern durch deren mediale Verbreitung in Fotografien und Zeitschriften geprägt worden.
Das gilt besonders für das Bauhaus und seine Protagonisten. Es hat Jahrzehnte gedauert, um das mit der Retrospektive von 1938 im damals noch jungen New Yorker Museum of Modern Art geprägte Bild der unpolitischen, industrieorientierten, schlichtweg fortschrittsoptimistischen Lehranstalt der tatsächlichen Historie zumindest anzunähern. Wichtiges Element dieser Legendenbildung war der Katalog von 1938. Gestaltet hat ihn, wie die gesamte Ausstellung, der Bauhaus-Meister Herbert Bayer.
Für ihn war es das Entreebillett in die USA. Bauhaus-Gründer Walter Gropius hatte ihn, einen seiner Lieblingsschüler, damit aus Nazi-Deutschland herausgelockt, wo Bayer bis zu diesem Zeitpunkt als bestverdienender Werbegestalter Deutschlands ein trotz allmählich zunehmender Anfeindungen vergleichsweise angenehmes Leben führen konnte. Zehn Jahre lang war Bayer in Berlin als Grafiker und Gestalter tätig, seit seinem Abschied vom Bauhaus 1928, das zum selben Zeitpunkt neben ihm und Gropius auch Marcel Breuer und Laszlo Moholy-Nagy verlassen hatten, zwei weitere Vertreter des technisch-indu­striell orientierten Bauhauses und spätere Emigranten in die USA.
Diesem Berliner Jahrzehnt Bayers ist die Ausstellung des Bauhaus-Archivs gewidmet, die eine Fülle von Zeitschriften, Werbeschriften und Plakaten zeigt und von einem noch weit umfassender illustrierten, leider mit zu kleiner, schwer lesbarer Schrift versehenen Katalog begleitet wird. 1928 bis 1938 – das Jahr 1933, das dieses Bayer’sche Jahrzehnt doch in zwei Hälften teilen müsste, kommt bei dem Bauhäusler nicht vor. Er gestaltete vor den Nazis ebenso wie unter den Nazis, er ist geradezu das moderne Aushängeschild des Regimes. Nicht, dass er sich in seinen Mitteln anbiederte (politisch ist er ohnehin vollkommen desinteressiert). Er bleibt sich gestalterisch treu, er ist gleichbleibend gut, nur dass er jetzt eben die Ausstellungen „Deutsches Volk, deutsche Arbeit“ (1934) oder „Deutschland“ (1936) mit einer bauhaus-typischen Broschüre versieht, die im Olympia-Jahr ein positives Bild der ersten drei Jahre des Hitler-Regimes zeichnet. An dem Edelmagazin für die Dame „die neue linie“ lässt sich die gestalterische Treue gut verfolgen: Die Titelblätter, stets auf dem Zeichentisch und nie mit der Kamera entstanden, sind mit ihren eleganten Übergängen und ihren aufgesprühten, verwischten Farben ein einziges Kontinuum. Nur dass statt des Dauerthemas „Elegante Dame auf Reisen“, das die Sehnsüchte der Leserinnen befriedigt, im Jahr 1938 bei einer Italienausgabe die brutale Physiognomie des Diktators Mussolini neben einer römischen Säule und der Umrisszeichnung des italienischen „Stiefels“ auftaucht. So viel Reverenz ans Regime musste wohl sein.
Bayer hatte sich mit dem berühmten Umschlag der Zeitschrift „bauhaus“ von 1928 mit Kugel, Kegel und Zeichendreieck schlagartig bekannt gemacht. In Berlin wurde er künstlerischer Leiter der Agentur Dorland, er gestaltete Kampagnen für Reiseziele, Mö­bel, Kosmetik, Mode und 1934 dann eben für die NS-Organisation „Kraft durch Freude“. Stets kombiniert er Fotos, Zeichnung und eine sehr suggestive Farbigkeit, dazu weiß er wie kein zweiter mit der Typographie zu spielen. Das war schon beim Plakat zur „section allemande“, der Werkbundabteilung bei der Ausstellung der Société des artistes décorateurs in Paris 1930 der Fall.
Bayer gelang, was Mies als Architekt verwehrt blieb: Innerhalb des sich verfestigenden NS-Regimes einfach weiterzumachen. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Atmosphäre, die in Berlin herrschte, eine Atmosphäre des „Es wird schon nicht so schlimm“. Und da Bayer für Industrie und Handel arbeitete, also kein freier Künstler war, war er jahrelang relativ geschützt. Aufträge für KdF oder Messen unterm Funkturm erledigte er ebenso routiniert wie Plakate für „Obergurgl, das Gletscherdorf Tirols“. Das war übrigens bereits 1935, also vor dem „Anschluss“ Österreichs.
Herbert Bayer war unfassbar fleißig, die Arbeit muss ihm nur so von der Hand gegangen sein. So hatte er denn auch Gropius gegenüber seinen Abschied vom Bauhaus annonciert: er wolle endlich arbeiten. Mit der Ausstellung im Bauhaus-Archiv wird ein wichtiger Aspekt der Geschichte der Moderne anschaulich. Die Moderne war eben nicht am 30. Januar 1933 schlagartig zu Ende. Sie lief weiter, sie konnte sich zwar nicht mehr weiterentwickeln, aber sie war präsent, zumindest in den großen Städten und zumal in Berlin. 
Fakten
Architekten Bayer, Herbert (1900-1985); Gropius, Walter (1883-1969); Moholy-Nagy, Laszlo (1895-1946)
aus Bauwelt 5.2014
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