Bauwelt

Stadtforscher, Professor, Bürger

Hartmut Häußermann (1943–2011)

Text: Bodenschatz, Harald, Berlin

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Stadtforscher, Professor, Bürger

Hartmut Häußermann (1943–2011)

Text: Bodenschatz, Harald, Berlin

Hartmut Häußermann ist tot. Das ist ein schwerer persönlicher Verlust nicht nur für diejenigen, die ihn – einen in der historischen Stadt Waiblingen geborenen Schwaben – seit den Zeiten der Studentenbe­wegung an der FU Berlin gekannt haben und mit ihm befreundet waren.
Sein Tod ist auch ein schwerer Verlust für die deutsche Soziologie, für die Stadtforschung, die er an verschiedenen Universitäten vor­angebracht hat – zuerst in Kassel, dann in Bremen, und schließlich in Berlin, der Großstadt, die ihm so außerordentlich viel zu verdanken hat. Sein Tod ist nicht zuletzt ein Verlust für die bunte Welt des Bauens, mit der er sich immer wieder kritisch, manchmal polemisch auseinandergesetzt hat. Wir trauern um einen Kollegen, Wissenschaftler und Mitstreiter für eine bessere Stadt, um einen Freund, der immer auch sein Leben zu genießen wusste, etwa in seiner Residenz am schönen Orta-See.
Hartmut Häußermann hat die Stadtsoziologie in Deutschland wie kaum ein anderer geprägt. Seine zusammen mit Kollegen geschriebenen Bücher haben Generationen von Studenten inspiriert. Erinnert sei nur an die „Klassiker“ Neue Urbanität (1987), Dienstleistungsgesellschaften (1995), Soziologie des Wohnens (1996), Stadtsoziologie (2004, alle vier Werke zusammen mit Walter Siebel) und Stadtpolitik (2008, zusammen mit Dieter Läpple und Walter Siebel). Unbedingt erwähnt werden sollte auch der mit Martin Kronauer und Walter Siebel herausgegebene Band An den Rändern der Städte. Armut und Ausgrenzung (2004).
Hartmut Häußermann war kritisch, unbequem, sozial engagiert, international orientiert. Wie er aber die Rolle eines gesellschaftskritischen Wissenschaftlers modelliert hat, ist entscheidend: Ausgehend von der unerschütterlichen Überzeugung, dass unfreiwillige soziale Ausgrenzungen in den Städten nicht akzeptiert werden dürfen, hat er sich nicht auf irgendwelche scholastischen Konzepte gestützt, die qua Argumentationskäfig das Ergebnis vorwegnehmen – die deduktiv abgeleitete pauschale Krise der Stadt und des Kapitalismus. Vielmehr hat er gefordert und auch selbst praktiziert, dass die sozialen Verhältnisse in der real existierenden Stadt immer wieder neu studiert und erst auf dieser Grundlage Einschätzungen formuliert, gegebenenfalls auch korrigiert und Strategien entwickelt werden müssen. Die Dinge im Zusammenhang zu sehen war sein Credo. So untersuchte er nicht nur Gentrifizierungsquartiere, sondern auch deren Zwilling, die Quartiere in der Abstiegsspirale.
Hartmut Häußermann hat nicht nur über Stadt reflektiert, sondern sich auch aktiv in die Stadtpo­litik eingemischt. Gefragt wie ungefragt. In den Medien, auf Tagungen, in der konkreten Politik. Poli­tikberatung kann man das eigentlich nicht nennen, das klingt zu passiv, untergeordnet; sein Wirken war eher eine Herausforderung der Politik. Das zeigte sich in seinem großen Einsatz für die Politik der Sozialen Stadt, im Kampf gegen die Aushöhlung der staatlichen Ressourcen in den langen bleiernen Jahren der neoliberalen Hegemonie, der blinden Anbetung des Marktes. In Berlin war dieses Engagement ganz konkret: Hartmut Häußermann hat wesentlich dazu beigetragen, dass 1999 in Berlin das Instrument des „Quartiersmanagements“ eingerichtet wur­de. Und er hat sich dafür eingesetzt, dass dieses Instrument nachjustiert werden kann – im Rahmen einer sorgfältigen Beobachtung der kleinteiligen sozialen Veränderungen in den Berliner Stadtteilen, des „Monitoring Soziale Stadtentwicklung“. Wir werden das Engagement von Hartmut in Zukunft vermissen. Doch bei aller Trauer, das wäre sicher in seinem Sinne, sollten wir nicht vergessen, seine Kämpfe weiterzuführen, die ja keine persön­lichen waren, sondern immer dem Ringen um eine bessere Stadt dienten: den Kampf gegen erzwungene soziale Ausgrenzung, um eine erneuerte Wohnungspolitik, um eine bessere Bildungspolitik in den benachteiligten Quartieren, um den Erhalt des Programms Soziale Stadt ...
Fakten
Architekten Häußermann, Hartmut (1943–2011)
aus Bauwelt 45.2011
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