Bauwelt

Nachhaltiges, Rentables und Virtuelles

Immobilienmesse Expo Real 2011

Text: Escher, Gudrun, Xanten; Brensing, Christian, Berlin

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

Fotos: Messe München GmbH 2011

  • Social Media Items Social Media Items

Fotos: Messe München GmbH 2011


Nachhaltiges, Rentables und Virtuelles

Immobilienmesse Expo Real 2011

Text: Escher, Gudrun, Xanten; Brensing, Christian, Berlin

Anfang Oktober fand in München die 14. Expo Real statt. Unsere Autoren haben auf der Immobilienmesse durchaus gegensätzliche Tendenzen ausgemacht.
Vergewisserung in unsicheren Zeiten | Ganze Quartiere werden jetzt DGNB-zertifiziert
Der trügerisch milde Föhnwind, der 2011 über der Immobilienmesse Expo Real wehte, war ausgesprochen nachhaltigkeitsgeschwängert. So, als versuchte die Branche, der neuen Flüchtigkeit von Renditen etwas Verlässliches, „Nachhaltiges“, entgegen zu setzen. Denn man hat viel zu verlieren: Neben Im­mo­bilienwerten einen Ruf, der miserabler nicht sein könnte, weil internationalen Investoren gewissenlose Gewinnmaximierung nachgesagt wird. Dieser Ruf bedarf dringend der Aufbesserung nach dem Motto: Schaut her, wir sichern eure Zukunft mit nachhaltigem Handeln!
Da stimmen auch Branchenverbände wie der ISA (International Sustainability Alliance) mit neuen Bewertungsverfahren oder der ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.) mit einem Kodex zum nachhaltig korrekten Handeln, beides neu auf der Messe verkündet, mit ein. Sind dies erst noch Versprechen auf die Zukunft, so konnten sich einige Projektver­antwortliche bereits auf dieser Messe mit den ersten Zertifikaten für nachhaltige Quartiere der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) pro­filieren, denn abgesehen von messbaren CO²-Ein­­­spa­rungen winken hier erfreuliche Wertsteigerungs­potenziale. Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Deloitte auf der Messe zur Relevanz von Energie­optimierungen ergab ein überdeutliches 10:1 für ein Thema, das noch vor zwei, drei Jahren als Nischenproblem ewig besorgter Naturschützer abgetan wurde. Nein, Neubauprojekte ohne eines der Zertifikate von LEED über BREAM zu DGNB sind inzwischen nicht mehr am Markt platzierbar. Und bald wird für ganze Wohn- und Büroquartiere dasselbe gelten. Dabei hat das komplizierte Verfahren der DGNB insofern die Nase vorn, als der gesamte Lebenszyklus in die Betrachtung einbezogen wird.
 Das Zertifikat in Silber für das bereits 2004 eröffnete DomAquarée in Berlin (mit besonderer Wertung für Kunst am Bau!) könnte als späte Reverenz an den Entwickler und Eigentümer gewertet werden, die damalige DIFA, heute Union Investment Real Estate UIRE. Bereits vor zehn Jahre begann das Unternehmen, mit dem DIFA Award (heute Prime Property Award) besonders lebenswerte, neue Stadtquartiere zu ehren. Die Eigenentwicklung DomAquarée war ei­nes der Vorbilder. UIRE zählte denn auch zu den Gründungsmitgliedern der DGNB und arbeitet daran, das gesamte Portfolio seiner offenen Immobilienfonds „nachhaltig“ zu qualifizieren.
Ein zweites Zertifikat für Bestandsquartiere ging an den Potsdamer Platz (ohne die Energieschleuder Sony-Center). Sonst gab es in dieser Pilotphase nur Vor-Zertifikate, weil noch gebaut wird: an den Wohnhäusern im Quartier Central in Düsseldorf von aurelis, am Waidmarkt in Köln von Fay Projects, in der Neuen Weststadt in Esslingen, in Belval im Luxemburgischen Esch-sur-Alzette, um nur einige zu nennen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass nicht die DGNB die Projekte auswählt, sondern Investoren oder Projektentwickler sich darum bewerben. Die Auswahl fällt daher zweckorientierter aus, als es zunächst erscheint.
Noch ohne Quartierszertifikat zeigte sich auf der Messe Doha, die Hauptstadt des Emirats Katar, mit dem ambitionierten Restrukturierungsprojekt Msheireb. Der Name leitet sich ab vom Arabischen „Ort zum Wassertrinken“. Der liegt dort, wo sich etwas abseits der Altstadt die Stadterweiterung der 1950er Jahre ausbreitet. Jetzt soll das alles verschwinden und auf 31 Hektar für rund 4,2 Milliarden Euro ein neues, nachhaltig ausgerichtetes, multifunktionales und an arabischer Tradition orientiertes Quartier entstehen. Dafür ist unter der Schirmherrschaft Ihrer Hoheit Sheikha Mozah Bint Nasser Al Missned drei Jahre lang zu Umwelttechniken, klima­adäquatem Städtebau und Architekturformen, die in der arabischen Geschichte fußen, geforscht worden. Zur MIPIM im Frühjahr (Bauwelt 13.11) war Msheireb als bestes Städtebauprojekt der Zukunft ausgezeichnet worden, jetzt, zur Expo Real, brachte die Entwicklungsgesellschaft Msheireb Properties das größte Modell der Messe mit. Gudrun Escher

Flucht in die Immobilie | Die Euro­krise scheint die Branche bislang wenig zu beeinträchtigen
Kaum waren die Folgen der Finanzkrise von 2008/09 in den größten Volkswirtschaften Europas überwunden – man wähnte sich nach der letzten Expo Real auf einem klaren Wachstumskurs –, da überschattete die Eurokrise die 14. Expo Real. Aber hat die nächste Kreditkrise die europäischen Im­mobilienmärkte bereits in ein erneutes Tief gerissen? Keinesfalls, alle Hiobsbotschaften und Horrorvisionen zeitigten (noch) keine durchschlagende Wirkung auf Münchens Immobilienmesse, fuhr man doch im Windschatten einer robusten Konjunktur mit Wachstums­euphorie, nach dem Motto: 37.000 Besucher aus 72 Ländern und 1610 Aussteller aus 34 Ländern verteilt über sechs Messehallen können nicht irren! Abermals wurden die glänzenden Zahlen des Vorjahres erreicht.
Ein vermeintlicher Hort der Stabilität
Dennoch waren die Zeichen der Zeit unübersehbar: Südeuropa war praktisch nicht mehr vertreten, mit Ausnahme von Polen und Tschechien wurde Ost-Europa verhalten bewertet, erstmals waren chinesische Aussteller präsent. Und die Städte, Regionen und Firmen etwa aus Holland, Frankreich, Österreich oder der Schweiz hatten sich in Gemeinschaftsständen unter so klangvollen Namen wie Amsterdam Metropolitan Area, Holland Property Plaza, Pavillon de France oder Swiss Circle zusammengetan – eine konzertierte Aktion der Kostenreduktion. Ganz im Gegensatz dazu setzte Hamburg, gleich neben Berlin, mit einem rekordverdächtigen 555 Quadratmeter großen Messestand Akzente, was dem Bild des „Musterknaben Deutschland“ voll gerecht wurde. Denn seit der letzten Krise gilt Deutschland als Hort der Stabilität und Kontinuität. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit lieben risikoscheue, internationale Anleger die deutschen Tugenden des konservativen Wirtschaftens. Und je weiter die Aktienkurse ein­brechen, desto mehr flüchten die Anleger in Immo­bilien.
Die Märkte seien „heiß auf Einzelhandel“, hieß es. Aber bitte nur „Core-Immoblilien“, in 1A-Lagen und mit entsprechender Rendite. Die werden inzwischen äußerst knapp, wobei die Investitionsvolumina nach wie vor auf sehr hohem Niveau (Deutschland wird 2011 wohl die 20-Milliarden-Euro-Marke knacken) verharren. Auch der Vermietungsstand erreicht auf den acht größten deutschen Büromärkten, bei einem unverändert stabilen Wirtschaftswachstum, Bestmarken. Nur: Wie lange wird dies so bleiben? Schwerpunkt der täglichen Diskussionsforen der Expo Real waren alle Fragen rund um die Immobilienfinanzierung. Durch die Auswirkungen der grie­chi­schen Schuldenkrise ist zu erwarten, dass auch deutsche Banken – neun der sechzehn involvierten Ban­ken stammen aus Deutschland – die Kreditvergabe in Zukunft sehr restriktiv gestalten werden. Der Malus des schwer verfügbaren Geldes plagt die Märkte jedoch schon seit Jahren, ob mit oder ohne Schuldenkrise.
Zu den wahrnehmbaren Zeichen des Wandels gehörten ganz andere Phänomene. Sichtbar etwa in Halle C2, die diesmal nahezu komplett von Handelsunternehmen vom Kaliber einer Merkur Spielothek GmbH, von Lebensmitteldiscountern wie Lidl und Penny sowie Filialisten wie Edeka oder Rossmann bevölkert war. Der Expansionsdrang dieser Ketten in Deutschland und ganz Europa ist gigantisch. Für die kleinste Kommune sind sie von Interesse. Im Erscheinungsbild stets uniform, wider­spiegelt die einheitliche Architektur –  wenn man diese bauliche Hülle noch so betiteln möchte – das Warenangebot.
Hülsen digitaler Marktplätze
Ungleich subtiler geht die Unterwanderung des Wa­ren- und Dienstleistungsangebots durch die Social Media vonstatten. In den Einkaufszentren künden bestenfalls Touchscreen-Stelen und WLAN-Hot-Spots von der totalen Konsumenten-Vernetzung. Die Betreiber von Shoppingcentern und Hotels sind voll auf den medialen Zug aufgesprungen. Die Immobilie degeneriert angesichts dieser Entwicklung zu einer Hülse, die nach Bedarf mit Inhalten versehen wird. Themen wie Facility Management oder Nachhaltigkeit treten dabei in den Hintergrund. Die digitale Vernetzung ist der Marktplatz der Zukunft. Wie dieser gestaltet ist, kümmert immer weniger von den­jenigen, die kaum mehr von ihren „hand held appliances“ aufblicken. Auf der Expo Real blitzte diese schöne, neue Welt auf.  Christian Brensing

0 Kommentare


loading
x
loading

9.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.