Bauwelt

Kollektives Nachdenken

Die 3. Architekturtriennale in Lissabon

Text: Kleilein, Doris, Berlin

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    Der Sitz der Architekturtriennale Lissabon: Ein leerstehender Palast am Campo Santa Clara am Rand des Altstadtviertels Alfama.
    Delfino Legnani

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    Der Sitz der Architekturtriennale Lissabon: Ein leerstehender Palast am Campo Santa Clara am Rand des Altstadtviertels Alfama.

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Der „Planetary Sculpture Supper Club“ lädt jeden Samstag zu Themendinners in den Palácio Pombal. Auf den Spiegeltisch kommen u.a. „Katastrophenrezepte“  und „Deka­denz für alle“ wie Le Corbusiers Farbenklavier.
Foto: Catarina Botelho

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Der „Planetary Sculpture Supper Club“ lädt jeden Samstag zu Themendinners in den Palácio Pombal. Auf den Spiegeltisch kommen u.a. „Katastrophenrezepte“  und „Deka­denz für alle“ wie Le Corbusiers Farbenklavier.

Foto: Catarina Botelho


Kollektives Nachdenken

Die 3. Architekturtriennale in Lissabon

Text: Kleilein, Doris, Berlin

Keine Stararchitekten, keine spektakulären Installationen, eigentlich überhaupt nichts Gebautes – die Vermeidung all dessen, was an eine klassische Architekturausstellung oder gar an Venedig erinnert, ist kuratorisches Programm in Lissabon. Das ist an sich zu begrüßen, hinterlässt Kurzbesucher aber ein wenig ratlos
Das Taxi muss dreimal um den Campo Santa Clara fahren, um den Hauptsitz der Architekturtriennale zu finden: Kein Plakat weist darauf hin, und auch der Taxifahrer hat noch nie von der Veranstaltung gehört, die in diesem Herbst zum dritten Mal in Lissabon stattfindet. „Close, closer“ heißt das Motto 2013, und man muss wirklich genau hinsehen, um herauszufinden, worum es eigentlich geht.
Im Mittelpunkt: die wirtschaftliche Krise, die auch als eine gesellschaftliche erfahren wird. Chefkuratorin Beatrice Galilée aus London (Jahrgang 1982) hat sie unmittelbar miterlebt: Kurz vor der Eröffnung wurde das ohnehin knappe Budget der Triennale um 50 Prozent gekürzt. Die Britin blickt dennoch gelassen auf „die Krise“, von der in Portugal alle reden. Sie setzt ausnahmslos auf die junge Generation, auf die „unzähligen Autoren der heutigen Stadt“; von bekannten portugiesischen Büros wie Aires Mateus oder gar von Altmeister Àlvaro Siza keine Spur. Das ist ein mutiger Schritt und trifft den Nerv vieler junger Architektinnen und Architekten, die zunehmend Kritik üben an den überdimensionierten, von EU-Geldern aufgepumpten Großprojekten wie Museen und Kulturzentren – sei es, weil dabei die Stadtentwicklung für die Bewohner auf der Strecke bleibt, sei es, weil sie wissen, dass sie ohnehin nicht mehr an derartige Bauaufträge kommen werden.
Die Triennale besteht also im Kern aus einer Fülle von Diskussionen und Workshops, die auf einer kleinen hölzernen Bühne auf der zentralen Praça da Figuera und an anderen Orten stattfinden, mitten unter Touristen und Passanten. Austausch, Selbstermächtigung, Kritik, das ist das Credo der international agierenden Kuratorin, und damit liegt sie in Lissabon nicht falsch. Triennalepräsident José Mateus formuliert es so: Die portugiesische Architektenschaft habe eine „schwach ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstkritik“ und könne ein wenig kollektives Nachdenken gut gebrauchen.
Von den drei Ausstellungen, die ich nicht verschweigen will, ist eigentlich nur „The Real and other Fictions“ von Mariana Pestana ein Muss: Sie hat Künstler und Architekten eingeladen, den prächtigen Palácio Pombal zu bespielen, der zum imaginären Rathaus, zum Parlament und zum düsteren Salon wird, umso phantastischer, je länger man durch die Säle läuft. „Future Perfect“ von Liam Young hingegen entpuppt sich nach langer Anreise ins Elektrizitätsmuseum von Bélem als blutleere Zukunftsvision, die in den technoiden Phantasien der 90er Jahre steckenbleibt, und „The Institute Effect“ von Dani Amiss gibt zwar einen guten Überblick über Think Tanks und selbsternannte Institutionen (vom Moskauer Strelka Institut bis zu Bennetons Fabrica), als Besucher fühlt man sich zwischen Eventankündigungen und den Resten von Workshops aber immer so, als wäre man mal wieder zu spät gekommen und hätte das Wesentliche verpasst.
Die Triennale findet eigentlich woanders statt, das wird nach zwei Tagen klar, etwa bei den „Crisis Bustern“, einem von mehreren assoziierten Projekten: Gefragt waren Ideen für eine soziale und nachhaltige Stadtentwicklung, die mit jeweils 50.000 Euro von der Stadt Lissabon gefördert wurden. Unter den zehn Gewinnern sind u.a. die öffentliche Strandküche für Fischerleute im Süden Lissabons vom französisch-deutschen Collectif EXYZT, die politische Wandzeitung „Oh Espelho“ (der Spiegel), die aus den Protesten gegen die EU-Sparpolitik hervorging, oder der „Patio ambulante“, eine rollende Küche in einem umgebauten Feuerwehrauto, die durch Lissaboner Hinterhöfe tourt. In diesen Interventionen zeigt sich, was Stadtentwicklung ungeachtet von Masterplänen und Großprojekten sein kann: eine Vielzahl praktischer, an den konkreten Bedürfnissen der Bewohner orientierter Maßnahmen.
„Close, closer“ ist als Anti-Venedig-Event angetreten und es wäre Lissabon zu wünschen, ein solches Gegengewicht auf Dauer etablieren zu können. Ob das in diesem Jahr gelungen ist, kann letztlich nur das Lissabonner Publikum, für das diese Triennale gemacht wurde.

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