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Jenseits von Backstein im Schlafrock

Hamburger Energiespar-Alternativen

Text: Wilke, Claudia, Berlin

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Jenseits von Backstein im Schlafrock

Hamburger Energiespar-Alternativen

Text: Wilke, Claudia, Berlin

Hamburg hat sich ambitionierte Klimaschutz-Ziele gesteckt. Bis zum Jahr 2050 will die Stadt ihren CO2-Ausstoß um 80 Prozent verringern. Um das zu erreichen, muss der Verbrauch fossiler Energieträ­ger insbesondere bei Wohngebäuden drastisch reduziert werden.
Der Hamburger Gebäudebestand wird deshalb zurzeit massiv umgebaut. Vor allem die Siedlungen der 1920er bis 50er Jahre in den Randbezirken sind betroffen. Viele davon befinden sich im Besitz von Wohnungsgesellschaften, die die Kosten der energetischen Sanierung aus Gründen der Sozialverträglichkeit nur im begrenzten Umfang auf die Miete umlegen können. Und so kommen meist die relativ preisgünstigen Wärmedämmverbundsysteme zum Einsatz. Architektonische Belange spielen bei der Angelegenheit eine untergeordnete Rolle: Ganze Straßenzüge und Quartiere verschwinden hinter Thermohäuten – und mit ihnen die Backsteinfassaden, die das Hamburger Stadtbild (noch) prägen.
Grund genug für das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz, seine diesjährige Pressefahrt in Hamburg zu veranstalten. „Backstein im Schlafrock? – Gutes Klima im Denkmal!“ lautete das Motto. Bei Führungen durch die Siedlungen Dulsberg-Süd und Jarrestadt wurden verschiedene energetische Sanierungen unter gestalterischen Gesichtspunkten vorgestellt. Selbst bei den gelungeneren Beispielen ließen sich schnell die Grenzen des Machbaren ausmachen. In welchem Maß sich der gewünschte energetische Effekt durch die Wärmedämmung tatsächlich einstellt, wird man erst in einigen Jahren beurteilen können. Gleiches gilt für eventuelle Schäden.
Strahlen statt dämmen
Dass es alternative Energiesparkonzepte gibt, beweist die Sanierung des 1878/79 errichteten Kaispeichers B, des ältesten erhaltenen Gebäudes im Freihafen. Seine Konstruktion – tragende Backsteinaußenmauern, im Innern gusseiserne Rundstützen – ist typisch für den Speicherbau jener Zeit. MRLV Architekten aus Hamburg haben das Haus, das seit 2008 das „Internationale Maritime Museum Hamburg“ beherbergt, in Abstimmung mit dem Denkmalamt aufwendig ertüchtigt.
In den vergangenen Jahrzehnte ist der Speicher immer wieder umgebaut worden. Die Architekten wollten möglichst auch solche Spuren historischer Veränderungen sichtbar lassen. Eine Aufrüstung mit der im Museumsbau gängigen Klima- und Energietechnik verbot sich daher, denn sie hätte zu große Eingriffe in die Substanz erfordert. Man entschied sich für ein alternatives haustechnisches Konzept. Heizung und Kühlung erfolgen über Strahlungsheizkörper, die relativ unauffällig unter den Decken des Speichers montiert wurden. Bei einer Konvektionsheizung, wie sie üblicherweise verwendet wird, erfolgt die Erwärmung indirekt über das Medium Luft; dabei muss zusätzliche Energie aufgewendet werden, um den Wärmeverlust auf dem „Transportweg“ auszugleichen. Eine Strahlungsheizung hingegen erwärmt nur Gegenstände und Personen, so dass sich bei Wärmestrahlung Behaglichkeit schon bei 17 Grad Raumtemperatur einstellt, während dieser Zustand bei Wärmekonvektion erst bei 20 Grad erreicht wird. Der Temperaturunterschied erscheint gering, auf die Heizkosten umgelegt, ergibt sich aber eine Effizienzsteigerung von 18 Prozent. Für die Belüftung des Speichers hat man sich die natürliche Thermik zu Nutze gemacht. Die Architekten ließen Deckenfel­-
der des Speichers herausnehmen, um Lufträume zu schaffen, in denen die warme Luft nach oben stei­-gen kann. Über ausgeklügelte Kastenfenster zieht Frischluft nach.
Energie bunkern
Das Bild vom Denkmalschutz als Klimaschutzbremse ist offenbar weit verbreitet. Mit dem ehemaligen Flakbunker in Wilhelmsburg präsentierten die Veranstalter ein Beispiel dafür, dass Klima- und Denkmalschutz durchaus Hand in Hand gehen können. Der Bunker rottete jahrzehntelang vor sich hin. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die englischen Truppen versucht, ihn zu sprengen. Doch obwohl sie die Tragkonstruktion im Innern zerstörten, gelang es ihnen nicht, den Bunker zum Einsturz zu bringen.
Das Denkmalamt Hamburg möchte den Koloss als Mahnmal erhalten. Es war aber klar, dass eine denkmalgerechte Sanierung nur möglich wäre, wenn eine neue Nutzung gefunden würde. So stimmte das Denkmalamt zu, den Flakbunker im Rahmen der IBA 2013 in einen „Energiebunker“ umzuwandeln. Im März dieses Jahres haben die Bauarbeiten begonnen. Nach Wiederherstellung der Statik werden im Innern ein 2000 Kubikmeter Wasser fassender Wärmespeicher, ein Holzhackschnitzelkessel und ein Biomethan-Blockheizkraftwerk eingebaut. Auf dem Dach wird eine Photovoltaikanlage und auf der Südseite des Bunkers eine Solarthermieanlage installiert. Mit diesem Energiemix soll das zukünftige Ökokraftwerk im benachbarten Reiherstiegviertel 3000 Haushalte mit Wärme und 1000 Haushalte mit Strom versorgen. Auf diese Weise können jährlich 6600 Tonnen CO2 eingespart werden – eine Reduzierung um 95 Prozent. Zur Erinnerung an die ursprüngliche Bestimmung des Bunkers wird in einem der Flaktürme ein Dokumentationszentrum eingerichtet.

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