Bauwelt

Ikonen der Weltkultur

Griechenland-Fotos von Herbert List und Walter Hege

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

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Walter Hege, Das Erechtheion auf der Akropolis in Athen von Südwesten, 1928/29
Foto: Stadtmuseum Naumburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

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Walter Hege, Das Erechtheion auf der Akropolis in Athen von Südwesten, 1928/29

Foto: Stadtmuseum Naumburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2014


Ikonen der Weltkultur

Griechenland-Fotos von Herbert List und Walter Hege

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

Das Lindenau-Museum in Altenburg ist eines jener Sammlungs- und Vorzeigehäuser, die weitgereiste und gelehrte Kulturbürger einst zum Ruhme ihrer jeweiligen Fürstenhöfe gründeten. In Altenburg ist neben einem Konvolut kostbarer Frühitaliener seit Jahrzehnten viel Zeitgenössisches zu sehen, aber man ist auch stolz auf eine opulente Sammlung von Gipsabgüssen historischer Plastiken und Reliefs.
Von Assyrien über Hellas bis zum Klassizismus des 18. Jahrhunderts sind viele berühmte Figuren darunter – solche Museen waren ja Institute der Volksbildung, und wenn die kanonischen Originalwerke in Athen, Rom oder London verwahrt wurden, so blieben für die deutsche Provinz kunstvolle Repliken, die man bei namhaften Meistern und Manufakturen für auch nicht wenig Geld bestellte.
Im 20. Jahrhundert hat sich der Bildungsauftrag neuen Medien zugewandt: Bis zum Siegeszug von Fernsehen und Internet waren es Fotografen und Kunst­buchverlage, die Landschaften, Bauten und Kulturen der exotisch weiten Welt unter das Volk brachten. Welch definitorische Macht dabei im Spiele war, zeigt die aktuelle Altenburger Ausstellung. Mit Herbert List und Walter Hege werden zwei wichtige deutsche Fotografen nebeneinander gestellt, die in den 20er und 30er Jahren – unabhängig voneinander – Gelegenheit hatten, für längere Zeit in Griechenland zu leben und zu arbeiten. In beiden Œuvres stellen die dort entstandenen Bildzyklen jeweils schöp-ferische Glanzpunkte dar, deren ästhetische Differenz hier nun umso besser auszuloten ist, als die foto­grafierten Sujets sich so ungemein nahe, mitunter identisch sind.
Für Herbert List (1903–1975), den Bohemien und Schönheitssucher, waren Griechenlands lichtüberstrahlte Küsten vor allem mit Genuss und Rausch verbunden. Was ihm an Antike begegnete, ob Säulenstümpfe oder marmorne Jünglingsstudien, nahm er als gefällige Kulissen. Sein Blick blieb malerisch, gern auch mit gewagten Perspektiven, dankbar für jeden sinnlichen oder träumerischen Effekt. Walter Hege (1893–1955) dagegen war als akkurater Lichtbildner unterwegs, der dem Geist der Hellenen mit ihrem eigenen Maß auf die Spur zu kommen hoffte. Nachdem er an Exponaten in Berliner Museen Belichtungszeiten und Aufnahmewinkel erprobt hatte, nahm er sich vor Ort dann immer noch Monate Zeit, um auf das ideale Licht zu warten. Ein luxuriöser Aufwand, der unter Kollegen zur Legende wurde, aber sich lohnte: Heges Aufnahmen etwa von der Akro­polis, 1927/28 entstanden und 1930 erstmals im Deutschen Kunstverlag publiziert, haben sich weltweit als „Klassik-Standards“ durchgesetzt.
Die Altenburger Kuratorin bekennt, sich den Bildern von Herbert List näher zu fühlen; deren Hang zum Atmosphärischen, mitunter Surrealen lässt sie klar in Kunst-Kontexten verorten. Architektonische Neugier wird sich wohl eher bei Walter Hege heimisch fühlen. Dessen Ansichten sind souverän gebaut, unaufgeregt, technisch ohne Tadel (und zur Not auch retuschiert). Als verbindliche Ikonen der Weltkultur beanspruchen sie eigene zeitlose Gültigkeit. Wer im realen Athen heute auf Bauarbeiten an Erechtheion oder Parthenon mit Erschrecken reagiert, bangt wahrscheinlich um diese Idealbilder in seinem Kopf.

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