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„Grundstücke im Zentrum sind für uns am interessantesten“

Interview mit Manfred Lork und Jörg Dahmer von der Wohnungsbaugesellschaft Neuland

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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1:1 Rendering des Bauvorhabens vor Ort.
KSP Jürgen Engel Architekten

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KSP Jürgen Engel Architekten


„Grundstücke im Zentrum sind für uns am interessantesten“

Interview mit Manfred Lork und Jörg Dahmer von der Wohnungsbaugesellschaft Neuland

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Manfred Lork und Jörg Dahmer über den Umbau der „Burg von Detmerode“ und die Suche nach Bauplätzen für das Wachstum der Stadt
Herr Lork, Herr Dahmer, Wolfsburg braucht neue Wohnungen – welche Bedeutung hat dies für die Neuland?
Manfred Lork | Wir investieren in den nächsten fünf Jahren rund 265 Millionen Euro, um neue Wohnungen zu bauen und den Bestand zu modernisieren. Stadtentwicklung ohne Wohnungsneubau funktioniert nicht.
Jörg Dahmer | Da ist tatsächlich viel Dampf auf dem Kessel im Moment. Die Neuland hat einen Leerstand von 0,25 Prozent, bei 11.500 Wohnungen also 29 Wohnungen. Leerstand – den gibt es im Moment nicht.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den sich wandelnden Ansprüchen an Wohnraum in den letzten Jahren gemacht?

ML
| Die Ansprüche sind vielfältiger geworden. Wohnungen für Single-Haushalte sind ebenso gefragt wie barrierearme Wohnungen. Der Bedarf spiegelt sich in der gesamten Bandbreite, von 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen, wider.
JD
| Insbesondere die Grundrisse sind immer wieder ein Thema. Das größte Manko der Bestände der fünfziger und sechziger Jahre ist, neben ihrer Serialität und ihrem heute als beengt empfundenen Schnitt, dass das Erdgeschoss in der Regel im Hochparterre liegt und nur mit großem Aufwand Barrierefreiheit erzielt werden kann.
ML
| Die Grundrisse waren mit ein Grund, warum wir den ersten Bauabschnitt der „Burg“ (s. Seite 32, d. Red.) so realisiert haben, wie wir ihn realisiert haben: Zimmer unter acht Quadratmetern entsprechen schlicht nicht mehr heutigen Standards. „Die Wohnungen sind zu dunkel, zu wenig flexibel“, das hören wir immer wieder. Außerdem haben wir durch den Rückbau der oberen Geschosse die Wohnungsanzahl von 142 auf 110 reduziert. Dabei lag unser Augenmerk auch auf der Diversifizierung der Grundrisse.
JD
| In den „Höfen“ im Stadtzentrum, die noch aus der Zeit der Stadtgründung stammen, haben wir 2- und 2 1/2-Zimmer-Wohnungen. Die können wir gut vermieten, weil sie so zen­tral liegen, haben aber eine hohe Fluktuation, weil sie nur noch für bestimmte Lebensabschnitte geeignet sind – in der Regel ziehen die Menschen aus, sobald ein Kind dazukommt. Aber das größte Manko dort ist ein anderes: Denen, die im Quartier bleiben wollen, können wir keine Alternative anbieten. Deshalb versucht die Stadt gerade im Innenstadtbereich, einen Baulückenschluss hinzubekommen, indem sie freie Flächen ausweist und uns zur Entwicklung anbietet, damit wir dort Wohnraum schaffen können, der diese Lücke schließt, mit 3- und 4-Zimmer-Wohnungen.
Nicht allein die Ansprüche an eine Wohnung haben sich gewandelt, auch die an das Wohnumfeld. Die Siedlungen der fünfziger, sechziger Jahre wirken oft monoton in ihren Funktionen und in der Beschaffenheit ihrer Freiräume. Arbeiten Sie auch in dieser Hinsicht am Bestand?
JD | Ja, intensiv. Bei der Burg kann man es daran festmachen, dass wir versuchen, eine kleinteiligere Infrastruktur zu schaffen, denn das Ladenzentrum am „Detmeroder Markt“ liegt nach heutigen Maßstäben zu weit entfernt. Bislang fährt man morgens mit dem Auto zum Brötchenkaufen.
ML
| Wir konnten für die Burg eine Allgemeinmedizinerin gewinnen, auch ein Pflegedienst hat sich angesiedelt. Unser Jugendtreff veranstaltet Aktionen und Treffen für Jung und Alt. Auch die Bewohner der Demenz-WG, die im ersten Bau-abschnitt ein Zuhause gefunden haben, werden hier einbezogen. Früher gab es ein Nachbarschaftshaus für Feiern und Veranstaltungen, das werden wir im Zuge des letzten Bauabschnitts wieder aufbauen.
Die Burg wird in drei Abschnitten erneuert, mit verschiedenen Ansätzen. Im ersten ist mit dem Projekt von KSP Jürgen Engel Architekten großer Aufwand betrieben worden; ein Signal in das Quartier, nach dem Motto: Hier passiert etwas. Ist das bei den Detmerodern auch so angekommen oder befürchteten sie, dass sich ihre „Heimat“ verändert?
JD | Dass die Heimat sich verändert, hat man schon wahrgenommen, aber nicht im Negativen. Der 14-Geschosser, den wir abgerissen haben, hatte am Ende 25 Prozent Leerstand, ein deutliches Zeichen, dass er nicht mehr angenommen wurde. Der tiefe Eingriff beim ersten Bauabschnitt erforderte, dass wir die Wohnungen komplett leerziehen. Aufgrund des Leerstands andernorts konnten wir den Mietern Alternativen anbieten. Angst vor Veränderung war daher nicht spürbar. Ganz im Gegenteil herrschte eher eine Aufbruchsstimmung, im Sinne von: „Unser Quartier verändert sich, das wurde ja auch Zeit.“ Mit dem Leerstand sind Angsträume entstanden. Die haben wir aufgebrochen. Es gibt ein umfangreiches Außenanlagen- und Beleuchtungskonzept, das das Sicherheitsgefühl steigert, sogar die Treppenstufen sind beleuchtet. Das wird insbesondere von Älteren dankbar registriert.
Ist der Standort durch diese Maßnahmen auch für eine neue Klientel attraktiv geworden?
ML | Detmerode verlor bis 2010 Einwohner, auch aufgrund des vorhandenen Wohnungsangebots. Doch seit dem letzten Jahr steigen die Einwohner- und die Geburtenzahlen in der Gesamtstadt. Das wirkt sich auch auf Detmerode aus.
JD
| Gerade bei Familien ist Detmerode dank seiner verkehrsgünstigen, aber auch grünen und ruhigen Lage wieder gefragt. Wir haben den Bestandsgrundriss schon angesprochen, diesen Klassiker: das Schlafzimmer 18 Quadratmeter groß, die Kinderzimmer 7,5. Diese Diskriminierung der Kinder, die gibt es in der Neuen Burg nicht mehr. Hinzu kommt, dass wir sozialverträglich modernisiert haben, mit einer relativ klei-nen Miete von 6,75 Euro. Das ist für den Aufwand ganz beachtlich. Die neuen Penthouses liegen jenseits der 8 Euro, wodurch wir – auch gewollt – eine andere Mischung erreichen.
Der Teil der Burg, der direkt am Wald liegt, wird gerade mit einem geringeren Aufwand erneuert, den Neubau auf der Brache hingegen planen wieder KSP Jürgen Engel Architekten, die den Wettbewerb gewonnen haben. Wie sind diese unterschiedlichen Ansätze begründet?
JD | Die Bewohner aus dem ersten Bauabschnitt und die aus dem abgerissenen Trakt waren in die Gebäude, die jetzt modernisiert werden, umgezogen, deshalb konnten wir dort nicht so tiefgreifend umbauen. Mit dem Neubau müssen wir auf die aktuelle Situation in der Stadt reagieren: Bewohner, die in die Stadt strömen, erwarten einen Standard, der noch über das hinausgeht, was wir im 1. Bauabschnitt realisieren konnten. Dazu kommt, dass wir den Nachhaltigkeitsgedanken noch stärker in den Fokus rücken wollen. Den ersten Bauabschnitt haben wir nach KfW 70 und die Penthäuser nach KfW 100 realisiert. Wenn wir im Bestand nur diesen energetischen Standard erreichen können, wollen wir mit den Neubauten einen Schritt weitergehen. Wir planen mindestens KfW40-, idealerweise gar Passivhausstandard. Für das Gesamtprojekt gab es mal den Arbeitstitel „Wohnen für alle“, weil wir durch diese unterschiedlichen Herangehensweisen einen Mix erreichen von allem, was die Wohnungswirtschaft derzeit zu bieten hat.
Wo sehen Sie Entwicklungsräume für die Stadt im Ganzen – in den vorhandenen Quartieren oder in neuen Entwicklungen?
JD | Wir denken im Moment über alles nach. Wir suchen wirklich jede Baulücke, sofern die Lage einigermaßen attraktiv ist. Es gibt Pläne für ein neues Quartier mit bis zu 900 Wohneinheiten in Hellwinkel. Sollten wir den Zuschlag bekommen, würden wir uns Partner suchen, weil wir eine solche Größenordnung so einfach nicht stemmen können. Aber Grundstücke im Zentrum sind für uns am interessantesten. 

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