Bauwelt

Grüne Sehnsucht

Die 5. Architekturtriennale in Oslo

Text: Hoetzel, Dagmar, Berlin

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    Der Sitz der Architekturtriennale Lissabon: Ein leerstehender Palast am Campo Santa Clara am Rand des Altstadtviertels Alfama.
    Delfino Legnani

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Carlo Caldini im Gemüsegarten während des S-Space Festivals 1971 in Florenz
Grupo 9999

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Carlo Caldini im Gemüsegarten während des S-Space Festivals 1971 in Florenz

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Grüne Sehnsucht

Die 5. Architekturtriennale in Oslo

Text: Hoetzel, Dagmar, Berlin

Nachhaltigkeit ist das Thema, auf dessen Wichtigkeit sich länder- und kulturübergreifend Gesellschaften, Wirtschaft, Politik und vor allen auch Planer und Bauindustrie schon vor Jahren geeinigt haben. Gegen­positionen scheint es nicht zu geben. In Oslo werden nicht Lösungen oder gute Beispiele gezeigt, sondern die Frage gestellt, was sich hinter der „grünen Tür“ verbirgt. 
Am Beginn steht der sogenannte Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen von 1987 „Our Common Future“. Auf die dort erarbeitete Definition von Nachhaltigkeit – die auf weltweit breite Konsensfähig­-keit ausgelegt war und somit entsprechend vage formuliert ist – scheinen sich bis heute alle zu beziehen: Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart berücksichtigt, ohne Schaden anzurichten und ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen einzuschränken.
26 Jahre später weisen die Begriffe „nachhaltig“ und „grün“ Abnutzungserscheinungen auf und drohen durch inflationären Gebrauch ihre Bedeutung zu verlieren. Was sich alles unter ihren Labeln versteckt, lässt sich an einigen Beispielen aufzeigen, die in der Hauptausstellung der Triennale im Norwegischen Zentrum für Design und Architektur präsentiert werden. Amerikanische Naturschutzgruppen propagieren mit massivem Druck die Verwendung von recyceltem Teak-Holz. Die Nachfrage nach diesem Holz in den USA so groß ist, dass der Preis dafür den Wert ganzer Häuser in Asien erreicht. Die werden dort demoliert und das Holz nach Amerika geliefert. Vermeintlich ökologisch richtiges Handeln vernichtet Lebensraum.
Oder: Bei der Betrachtung oder Zertifizierung und Klassifizierung von „nachhaltigen“ Gebäuden, Städten oder Produkten wird oft der Kontext außer acht gelassen. Würde man bei einer LEED-Klassifizierung auch nur einen Faktor hinzufügen oder wegnehmen, könnte das Ergebnis ein ganz anderes sein. Und sollten Gipskartonplatten eine ökologische Auszeichnung erhalten, weil sie zu 15 Prozent aus recyceltem Material bestehen, zu 85 Prozent jedoch nach wie vor aus Gips, der bei der Rauchgasentschwefelung von Kohlekraftwerken gewonnen wird?
Eines der größten Objekte in der Ausstellung ist ein Modell von Masdar City, geplant von Foster & Partners als autofreie, Null-Energie-, CO2-neutrale Stadt im Großraum Abu Dhabi. Eine Insel in der Wüste der Vereinigten Arabischen Emirate, deren Grad an Nachhaltigkeit steigt, je höher und geschlossener die Mauern um sie herum sind. Aber würde es die Planungen für Masdar überhaupt geben, wenn es nicht in einer ölreichen Region läge, ohne einen Flughafen nebenan, und könnte es ohne Zementfa­b­rik gebaut werden?
Dem steht jene Alternativkultur gegenüber, die schon in den 60er und frühen 70er Jahren – bevor es den Begriff der Nachhaltigkeit überhaupt gab – heute ganz aktuelle Themen wie Selbstbau, Reduzierung des Energiekonsums oder ökologisches Gärtnern praktizierte und aus deren Geist das frühe ökologische Denken und Bewusstsein in der Architektur und Technologie entspringt.
Um die Bandbreite der Planungen, architektonischen Lösungen, Techniken und Errungenschaften im Namen von Ökologie und Nachhaltigkeit zu zeigen und zu hinterfragen, hat das belgische Kuratorenteam Rotor über 600 Objekte, von Architekturmo­dellen über Bauprodukte bis zu Zeitschriften und Artefakten, in aller Welt zusammengesammelt und in Oslo ausgebreitet. Aber leider – und das ist wirklich schade – wird dem Besucher zu wenig Hilfestellung gegeben, lassen sich die vielen, unterschiedlichen Geschichten kaum entschlüsseln. Die umfassende Recherche jedoch verdeutlicht – und das ist ihr Verdienst – wie wichtig es ist, in einer Welt, die nicht nachhaltig ist und die sich im Ungleichgewicht befindet, die Kriterien für Nachhaltigkeit zu hinterfragen und sie provoziert eine neue, auf einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise basierenden Begriffsbestimmung.
Die Frage nach Nachhaltigkeit beinhaltet auch die Frage nach den Bedürfnissen, nach dem, was man tatsächlich braucht. Gerade in einem boomenden, wirtschaftlich starken Land wie Norwegen, ist diese Frage auch mit Blick auf die zukünftigen Generationen interessant. Geht mit nachhaltigem Leben unweigerlich Verzicht einher? Oder muss vielleicht auch Lebensqualität neu definiert werden?

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