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Fortschritt. Welcher Fortschritt?

18. Berliner Gespräch des BDA

Text: Rumpf, Peter, Berlin

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Foto: Jürgen Schoner

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Fortschritt. Welcher Fortschritt?

18. Berliner Gespräch des BDA

Text: Rumpf, Peter, Berlin

Es war eine bunte Runde im DAZ zusammengekommen, die über die heutige Definition von Fortschritt diskutierte, philosophierte, sinnierte, stritt.
Die Bandbreite: Für den Soziologen Armin Nassehi ist der Architekt Agent und Garant des Fortschritts schlechthin und Architektur selbst eine Metapher des Fortschritts. Für den Architekten Thomas Willemeit findet die Debatte über Fortschritt längst außerhalb der Architektenschaft statt. Die Kunstgeschichtlerin Susanne Hauser sieht das Ende der Utopien schon in den 70er Jahren und findet Fortschritt heute am ehesten in der Hinwendung zu Nachhaltigkeit und Minimaleingriffen. Der frisch ins BDA-Präsidentenamt gewählte Heiner Farwick befürchtet – wohl zu recht –, dass Architekten die vielen Probleme allein nicht lösen können bzw. nur im Dialog mit anderen Disziplinen. Der Philosoph Jan-Christoph Heilinger plädiert gleich dafür, statt der Umwelt den Menschen selbst zu verbessern. Der Internet-Aktivist und Blogger Nico Lumma sieht den Fortschritt vor allem in digitaler Aufrüstung („Breitband für alle“). Und der Zuhörer hätte schon einen Fortschritt darin gesehen, wenn die ersten drei Stunden für ihn verständlicher und die letzten drei – Gruppendiskussion – strukturierter verlaufen wären.
Architektur ist eine sichtbare Zumutung
Das Thema ist brisant genug: Architekten geraten zunehmend in die öffentliche Kritik, weil sie – siehe Nassehi – nun mal planen, also an Veränderungen arbeiten und so Teil einer Komplizenschaft werden, die dafür verantwortlich gemacht wird, wenn der vertrauten Umwelt wieder ein Stück Vertrautheit abhanden kommt. Dass sie nicht die einzigen Bösewichte sind, machte der Architekturtheoretiker Gerd de Bruyn deutlich, als er seinem Kulturpessimismus freien Lauf lies: Katastrophen wohin man auch sonst blickt, Globalisierung, immer mehr Waffen, Flüchtlingsopfer vor Lampedusa etc.
Wie weit ist daran der „Fortschritt“ schuld und was ist Fortschritt überhaupt? Für Armin Nassehi ist er die Religion der Moderne. Um das zu belegen, griff er tief in die Schatulle seiner Profession, bemühte Hegel, Montaigne, Habermas, natürlich Adorno, deckte „semantische Leerstellen“ auf, unterschied zwischen Fortschritt und Fortschritten, konfrontierte den Fortschritt mit der Lehre der Eschatologie, in der der Mensch nicht endlos fortschreitet, sondern mit ihm die ganze Schöpfung beim Jüngsten Gericht untergeht. Dennoch gelang ihm am Ende die Rückkehr zum Thema: „Architektur ist eine sichtbare Zumutung.“ Wenn Architekten der Wind denn ins Gesicht blässt, könnte dies, so de Bruyn, nicht auch ein Zeichen für deren Relevanz sein? Wie der Architekturtheoretiker überhaupt, trotz ausgeprägtem Pessimismus, der Zunft freundlich gesonnen gegenüber steht, wenn er den Architekten Mut zuspricht: „Ich glaube an die großen Autoren, die selbstbewusst auftreten und ihr eigenes Interesse vertreten gegen das Unwissen der anderen.“
Als einziger Fortschrittsoptimist – neben Nico Lumma natürlich, dem Digital-Freak und laut „Wirtschaftswoche“ einer der 100 wichtigsten Internet-Köpfe im Lande – outete sich der einzige Architekt in der Runde, Thomas Willemeit. Er erinnerte daran, dass sich in den letzten 20 Jahren nahezu alles um uns herum verändert habe. Darauf müsse ein Architekt eben reagieren. Sein Büro Graft jedenfalls tue es: Dort sind rund 100 Architekten – und Künstler! – beschäftigt, weltweit.
Zum Schluss soll darauf zurückgekommen werden, was der eingangs vorgestellte Jan-Christoph Heilinger meint, wenn er die Verbesserung des Menschen durch „Biotechnologie“ prophezeit und darin „Fortschrittsräume“ sieht. Allgemein sei doch klar, was für den Menschen gut ist, was gutes Leben ausmacht. Also ist die Gentechnik, die Medizin und die Pharmakologie aufgerufen, den Alten Adam in uns künstlich zu verändern – wie ja auch Herzschrittmacher heute schon das Leben verlängern: „Ich persönlich habe keine grundsätzlichen Einwände.“ Aber da war man schon weit von der Architektur abgekommen.

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