Bauwelt

Ein hellwacher politischer Mensch

Goerd Peschken zum 80. Geburtstag

Text: Hoffmann-Axthelm, Dieter, Berlin

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Foto: Heinrich Fritz

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Ein hellwacher politischer Mensch

Goerd Peschken zum 80. Geburtstag

Text: Hoffmann-Axthelm, Dieter, Berlin

Baugeschichte politisch, so heißt der Band 96 der Bauweltfundamente mit ausgewählten Aufsätzen Peschkens aus drei Jahrzehnten, zu Schlüter, Schinkel, Berlin. Nichts könnte deutlicher sagen, was wir an ihm haben, als dieser selbstgewählte Buchtitel.
Peschken ist ein politischer Mensch, nicht einfach ein alter Linker – er war einer lange vor 68, es hat ihm die wissenschaftliche Karriere gekostet –, und er ist, anders als die Achtundsechziger, bis heute politisch in dem sympathischen Sinne, dass er Politik nicht nach der Farbenskala der Politik beurteilt, ob CDU, SPD, Grüne, sondern wie sie mit den Einzelnen umgeht – autoritär und Abhängigkeiten schaffend, oder liberal, großzügig Spielräume lassend.
Der politische Mensch steht nun aber nicht neben dem Baugeschichtler, sondern beide sind bis ins Letzte ein und dieselbe Person. Man sieht das schon, wenn man Peschkens editorische Großtat aufschlägt, die Rekonstruktion von Schinkels nie zustande gekommenem Architektonischen Lehrbuch innerhalb des seit 1930 herausgegebenen Schinkel-Werks, die ihm einst Paul Ortwin Rave anvertraute. Da ordnet er nicht einfach philologisch die unterschiedlichen Phasen der Planung und Bearbeitung vom Studienabschluss bis zum Tod, sondern er charakterisiert sie aus der Haltung, die sie gegenüber der jeweiligen Gegenwart einnehmen, von den Freiheitskriegen über den Klassizismus der Restauration, das Technikerlebnis England bis hin zu einer letzten Fassung, die Peschken wegen ihres Zugehens auf den künftigen Thronfolger treffend die legitimistische nennt.
Bereits das Vorwort in diesem Band zeigt aber auch, woran Peschken gescheitert ist: Eben daran, dass er Architektur nicht als reine Kunst betrachtete, sondern als Stellungnahme im Streit gesellschaftlicher Kräfte. Es stammt, 1971 geschrieben, von Margarete Kühn, Direktorin der Westberliner Schlösserverwaltung und Nachfolgerin Raves bei der Herausgabe des Schinkel-Werks. Deren Feindschaft hatte er sich schon dadurch zugezogen, dass er ihr einen Missgriff in der Rekonstruktion des Ovalen Saals im Schloss Charlottenburg nachwies – da ging es letztlich um die Beteiligung Schlüters, von der Frau Kühn nichts wissen wollte. Damit war er in der Welt der Ordinarien für alle Zukunft ein Außenseiter geworden. Die entsprechenden Telefonate der jeweiligen Berufungskommissionen kann man sich gut vorstellen. So kam es, dass der bedeutendste Bau­geschichtler seiner und meiner Generation nie einen Lehrstuhl erhielt, sondern froh sein musste, bei einer Fachhochschule, im liberaleren Hamburg, anzukommen.
Warum Peschken, im Übrigen einer der bescheidensten und selbstkritischsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte, das eben Behauptete sein konnte und noch ist, zeigen alle seine Arbeiten über Schinkel und Schlüter wie seine archäologischen Entdeckungen: Gelernter Tischler und Architekt, ist er mit dem Detail der Herstellung von Gebäuden vertraut, denkt er in technischen Prozessen und baut Modelle des erschlossenen Vorgehens;
und zugleich hat er das untrügliche Auge des Kunsthistorikers für Stilfragen, für individuelle Handschriften und die gesellschaftlichen und politischen Leidenschaften und Programme, die sich in ihnen durchsetzen, die Freiheitsbeschränkungen und sozialen Lasten, die ihren Schatten bilden. Nur so war die große dreibändige Schlüter-Monographie möglich, die, gerade indem sie den Mythos zerstörte, Schlüter habe das barocke Schloss gebaut, dem Architekten Schlüter erst zu seiner vollen Größe verhalf.
Die Arbeiten zu Schlüter wie Schinkel wären, wie alle anderen Arbeiten Peschkens, in ihrer Verknüpfung von mühseligster Archivarbeit und politischem Geist wohl nicht möglich gewesen, wenn es nicht gegolten hätte, nach 1945 mit der deutschen Vergangenheit anders als bloß liquidatorisch vorzu­gehen. Peschken hat für die Bauakademie gekämpft, als wir alle noch nicht aufgestanden waren, und er hat zugleich Verständnis dafür aufgebracht, dass Ulbricht und die Seinen gar nicht wussten, was sie taten – die Schuld sah er beim wilhelminischen Klassenschulsystem, das sie so unbemittelt ins Leben geschickt hatte.
Wie er Architektur als Bewegung durch die Zeit begreift, so hat Peschken auch die eigene Arbeit mehrfach nach ihrer Zeitgebundenheit befragt. Woher kommt – ein letzter Satz zum politischen Menschen – die Energie dafür? Geboren 1931, gehört Peschken der Flakhelfergeneration an, die, soweit sie überlebte, zu früh und zu nah mit dem Wahnsinn des NS-Krieges zu tun bekam, um nicht lebenslang nach den Wurzeln der Barbarei zu fragen. Peschken ist, bei aller Geschichte, kein Antimoderner, er ist, an Deutschland leidend, ein hellwacher politischer Mensch.

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