Bauwelt

„Die wahre IBA gibt es nicht“

Sieben IBA-Macher und eine Kritikerin im Gespräch mit der Bauwelt

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    Im Reading Room des "do you read me?!"-Buchladens in Berlin trafen sich am 21. Februar die Protagonisten ...
    Erik-Jan Ouwerkerk

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    ... von sieben IBAs zum Gespräch über Veränderungen und Konflikte, mit denen das temporäre Stadterneuerungsinstrument heute konfrontiert ist.
    Erik-Jan Ouwerkerk

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    ... von sieben IBAs zum Gespräch über Veränderungen und Konflikte, mit denen das temporäre Stadterneuerungsinstrument heute konfrontiert ist.

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    Kaye Geipel, stellvertretender Chefredakteur der Bauwelt, diskutierte mit:
    Erik-Jan Ouwerkerk

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    Philipp Oswalt, ehemaliger Geschäftsführer der IBA Sachsen-Anhalt
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    Philipp Oswalt, ehemaliger Geschäftsführer der IBA Sachsen-Anhalt

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    Christa Reicher, Autorin einer IBA-Expertise
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    Christa Reicher, Autorin einer IBA-Expertise

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    Michael Braum, Geschäftsführer der IBA Heidelberg
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    Michael Braum, Geschäftsführer der IBA Heidelberg

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    Dirk Lohaus, Projektleiter der IBA Basel
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    Dirk Lohaus, Projektleiter der IBA Basel

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    Uli Hellweg, Geschäftsführer der IBA Hamburg
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    Uli Hellweg, Geschäftsführer der IBA Hamburg

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    Friederike Meyer, Redakteurin der Bauwelt
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    Peter Bertholet, Geschäftsführer der IBA Parkstad
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    Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin Berlin
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    Jan Friedrich, Redakteur der Bauwelt
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    Annette Friedrich, Leiterin Stadtplanungsamt Heidelberg
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    Das Stadtbauweltgespräch mit dem Thema "Die neuen IBAs" erscheint am kommenden Donnerstag, den 28. März
    Heft 12.13

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    Das Stadtbauweltgespräch mit dem Thema "Die neuen IBAs" erscheint am kommenden Donnerstag, den 28. März
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Erik-Jan Ouwerkerk


„Die wahre IBA gibt es nicht“

Sieben IBA-Macher und eine Kritikerin im Gespräch mit der Bauwelt

Wo steht das Format der Internationalen Bauausstellungen im Jahr 2013? Während die Hamburger IBA jetzt ihre Ergebnisse präsentiert, ringen vier neue IBAs mit den Anfängen – in Basel und in Berlin, in Heidelberg und in Parkstad Limburg.
Die Stadtbauwelt hat die Protagonisten an einen Tisch geholt, um über die Themen, die Verände­rungen und die Konflikte zu sprechen, mit denen das 110 Jahre alte temporäre Stadterneuerungsinstrument heute konfrontiert ist. Eines ist sicher, dieser „Ausnahmezustand auf Zeit“ wird dringend gebraucht, auch in den Nachbarländern. Denn innerhalb einer IBA können stadtplanerische Modelle getestet werden, die über die häufig kritisierten Planungsroutinen hinausweisen.

Beginnen wir mit den Anfängen: Wie fängt eine Internationale Bauaustellung eigentlich an? Die IBA Parkstad, die gerade in den Startlöchern hockt, hat ein erstes Projektbuch veröffentlicht, darin steht der Satz: „Iedere IBA start met twijfel ...“ Neben den anfänglichen Zweifeln, ob das Format das Richtige ist, gibt es aber immer auch eine Art IBA-Mythos der jeweiligen Entstehung. Wie begann es in Hamburg?

Uli Hellweg
| Zunächst gab es ja die Idee, dass sich Hamburg als Olympiastadt 2012 bewirbt. Und wie immer bei diesen Olympia-Ideen war damit auch ein stadtkultureller Effekt beabsichtigt ... Die Olympiabewerbung scheiterte aber schon in der innerdeutschen Konkurrenz mit Leipzig. Und dann hieß es, wir brauchen einen anderen starken Event. So hat sich Hamburg 2003 um die Internationale Gartenschau beworben. Und als das erfolgreich war, hat man gesagt, wir brauchen jetzt noch eine IBA als stärkeren Motor. 2005 wurde der Beschluss gefasst.
Wer genau wollte die IBA?
Uli Hellweg
| Das geht im Wesentlichen zurück auf den Oberbaudirektor Jörn Walter und den ehemaligen Stadtentwicklungssenator Michael Freytag, der bauaffin war und auch die Entwicklung der zurückliegenden IBAs kannte.
Entscheidend für den Start eines solchen Projekts sind also Personenkonstellationen?
Uli Hellweg | Wenn Entwicklungsdruck und Entwicklungsidee mit starken Persönlichkeiten zusammenkommen, die das wollen, dann ist die Mischung da, aus der eine IBA entstehen kann. Das kann man auch an den früheren Bauausstellungen nachvollziehen.
Wie war das bei der IBA Parkstad Limburg in den Niederlanden?
Peter Bertholet | Unsere Region ist eine alte Zechengegend, wo schon zwischen 1970 und 1975 alle Zechen geschlossen wurden. Ungefähr 70.000 Arbeitsplätze gingen seinerzeit verloren. Von 1975 bis 1990 gab es eine erste Konversionswelle, die war vollständig von Den Haag aus initiiert. Es wurden neue Arbeitsplätze aus dem ganzen Land nach Parkstad gebracht, und es kam sehr viel öffentliches Geld. Diese Art von Deus-ex-Machina-Transformation hat aber eigentlich nie wirklich Fuß gefasst in der Region.
2005 ist uns dann klargeworden, dass wir schrumpfen. Und wir wussten, wenn wir uns jetzt wieder verändern müssen, dann müssen wir das anders machen. Ohnehin gibt es kein öffentliches Geld mehr. Innerhalb meiner Organisation, dem kommunalen Verbund Parkstad Limburg, hatten einige Mitarbeiter Erfahrung mit IBAs und Regionalen. Da dachten wir uns: Wäre das nicht ein gutes Instrument? Seit 2007 arbeiten wir vorsichtig daran, zum ersten Mal in den Niederlanden eine IBA zu organisieren. Das ist schwierig, denn dieses Planungsinstrument ist hier fremd, die Leute kennen das nicht. Wir müssen also auch so etwas wie Missionar spielen.
Die IBA Basel im Dreiländereck Schweiz, Frankreich, Deutschland ist die erste grenzüberschreitende IBA. Woher kam die Idee?
Dirk Lohaus | Es gibt unterschiedliche Mythen, die sich um die Gründung der IBA Basel spinnen. Eine Geschichte ist, dass sie aus einem Projekt an der ETH entstanden ist, wo überlegt wurde, wie man das Instrument Internationale Bauausstellung in einem grenznahen Kontext anwenden kann. Aber es gibt auch andere Geschichten ...
... welche entspricht der Realität?
Dirk Lohaus | Das war vor meiner Zeit.
Frau Lüscher, wie war das bei der jetzt dritten oder, je nach Zählweise, vierten IBA in Berlin?
Regula Lüscher | Als ich 2007 nach Berlin kam, stand unter anderem die Entwicklung des Tempelhofer Feldes auf der Agenda. Und ich hatte einfach das Gefühl, man braucht einen anderen Diskurs über Architektur und Städtebau in dieser Stadt. Ich habe damals in einem Interview unabgesprochen – weder mit meiner Chefin noch mit sonst jemandem – gesagt, man könnte doch auf dem Tempelhofer Feld eine IBA machen. Als ich am nächsten Tag in die Verwaltung kam, sagten mir alle: „Wahnsinn, was da jetzt für ein Erwartungsdruck produziert wird!“
Aber niemand hat versucht zurückzurudern?
Regula Lüscher | Man hätte zurückrudern können: „Ja, die hat jetzt irgendwas gesagt, weil sie etwas über das Tempelhofer Feld sagen musste.“ Aber das Entscheidende war eben, dass seither das Thema IBA wieder da ist. Offensichtlich gibt es ein Bedürfnis, wieder anders über Stadt und Stadtentwicklung nachzudenken. Und es gibt den Willen, in einem Format außerhalb des Normalen etwas zu erarbeiten, sonst stünde die IBA jetzt in Berlin nicht kurz vor der Einbringung in den Senat.
Annette Friedrich | Bei uns war es einfach. Als in Heidelberg alle Diskussionen auf eine IBA hinausliefen, war die Reaktion: „Toll, das wollen wir versuchen. Wir wollen auch mal andere Wege gehen.“ Es gibt bei uns einen enormen Entwicklungsdruck, vor allem wegen der Dynamik der Universität. Die Exzellenzinitiativen zum Beispiel führen zur Erweiterung von Wissenschaftsbauten, die wiederum den Ausbau anderer Forschungseinrichtungen nach sich ziehen. Die Standorte verteilen sich über die ganze Stadt. Gleichzeitig wird in Heidelberg eine sehr emotionale Debatte innerhalb der Bürgerschaft geführt: „Was kann man eigentlich noch bauen?“ Das spielt sich ab vor dem Hintergrund des international stark wahrgenommenen tradierten Stadtbilds. Schließlich kommt hinzu, dass die amerikanischen Streitkräfte Heidelberg verlassen werden. Wir können etwa 200 Hektar Flächen städtebaulich neu entwickeln, das ist die doppelte Größe der Heidelberger Altstadt! Wie sieht angesichts solcher Veränderungen die Stadt der Zukunft aus, die wir uns vorstellen? Die IBA schien uns ein besonders geeignetes Instrument zu sein, weil wir es selbst ausgestalten können.
Gibt es so etwas wie Rahmenbedingungen, die für den Start einer IBA nötig sind?
Christa Reicher | Vor einigen Jahren gab es ja eine ganze Reihe von weiteren Städten und Regionen, die eine IBA machen wollten wollten (Frankfurt/Rhein-Main, Köln, das Ruhrgebiet ...). Diese große Nachfrage und die kritische Diskussion über eine Inflation von IBAs sowie eine mögliche Abwertung des Formats hat das BMVBS1 dazu veranlasst, eine Studie über die Zukunft der Internationalen Bauausstellung in Auftrag zu geben, um das Wissen über IBA und IBA-ähnliche Formate im nationalen und internationalen Kontext anzureichern. Wir haben im Rahmen dieses Forschungsprojektes herausgefunden, dass es nicht einfach ausreicht, den Mythos IBA aufzurufen, sonst säßen die anderen Städte ja heute mit am Tisch. Drei Grundlagen prägen meiner Ansicht nach die Startphase. Erstens: Es muss vor Ort einen großen „Leidensdruck“ geben. Zweitens: Die IBA scheint für alle eine wirksame Strategie zu beinhalten, in einer konzertierten Aktion, am runden Tisch, über die Perspektiven der Stadt nachzudenken. Drittens: Die Suche nach Partnern, nach Akteuren, war in allen Städten ein Problem, dazu kommen Schwierigkeiten, die Interessen dieser Akteure zu bündeln.
Warum sind denn die anderen potenziellen IBA-Städte wieder abgesprungen?
Christa Reicher | In vielen Fällen wurde die Frage nach den Kernproblemen in den Städten noch einmal aufgerollt. Man hat sich die Frage gestellt, ob es nicht genügt, diese Probleme statt mit einer IBA mit einem Stadtentwicklungskonzept oder einem Masterplan zu lösen. Auch in Heidelberg fand ja eine solche Debatte statt: „Reicht das Konzept ‚Wissenschaftsstadt‘ überhaupt aus, eine IBA zu initieren?“ Da gab es eine sehr kritische Diskussion darüber, was dieses Konzept denn von einem Stadtentwicklungskonzept groß unterscheidet.
Wir hören hier die These, für eine IBA brauche es einen entsprechenden Leidensdruck. Stimmt das?
Uli Hellweg | Ich glaube nicht daran – das ist immer relativ. Wo war dieser Leidensdruck bei der IBA Darmstadt auf der Mathildenhöhe? Das war der Gestaltungswille eines Landgrafen, der in England studiert hatte und sagte: „Das will ich hier auch.“ Und der Leidensdruck 1957 in Berlin war, dass die DDR die Stalinallee baute und der Westen gesagt hat: „Das geht doch nicht! Da halten wir mit einer Bauausstellung dagegen!“ Ich würde Leidensdruck ersetzen wollen durch einen wirklichen Gestaltungswillen. Wenn Leute oder Communities eine Idee haben, auch einen gewissen politischen Einfluss, wenn sie sagen, wir lassen die Dinge nicht einfach treiben, sondern wir greifen dieses Thema auf und geben der Sache eine Richtung, eine Struktur und eine Organisationsform, dann ist das Format IBA einfach das beste!
Philipp Oswalt | Es braucht für eine IBA eine Dringlichkeit und eine Relevanz. Wenn wir aber an die IBA Weißenhof in Stuttgart denken, war das nicht primär eine Frage des Leidensdrucks, sondern man hat versucht, bestimmte Modelle von Wohnen und Stadt mit einer hohen Qualität zu exemplifizieren. Offenkundig sehr erfolgreich. Natürlich auch vor dem Hintergrund der damaligen Wohnungsnot. Wobei das in Stuttgart nicht gerade die Beispiele waren, die die Fragen des Massenwohnungsbaus beantwortet haben. Da schaut man besser auf das, was zu jener Zeit in Frankfurt und Berlin entstanden ist. Das aber waren keine IBAs, was Ernst May und Bruno Taut gemacht haben, und es war für den Wohnungsbau eigentlich beispielgebender.
Was gegen das Format IBA spräche ...
Philipp Oswalt | Ich finde es jedenfalls hochproblematisch, zu sagen: „Wir brauchen den Ausnahmezustand, und dafür rufen wir eine IBA aus.“ Dann müssen wir vielleicht mal rückfragen: „Was ist mit unserer Planungskultur falsch, dass wir jedesmal eine IBA brauchen, um einen Gestaltungswillen umsetzen zu können?“
Was ist für Sie eine „echte“ IBA?
Philipp Oswalt | Ich erwarte von einer IBA, dass sie international relevant ist, dass sie eine Frage aufwirft, die über die lokalen, regionalen und auch nationalen Befindlichkeiten hinaus geht. Außerdem handelt es sich um eine Ausstellung, man will also etwas in eine große Öffentlichkeit tragen. Ich frage mich, ob alle diese aktuellen IBA-Projekte und -Themen sich dieser Anforderung stellen wollen und können. Für mich gibt es im Augenblick zu viele IBAs. Früher gab es eine pro Jahrzehnt, jetzt haben wir eine alle drei Jahre. Wie soll das funktionieren?
Annette Friedrich | Es ist doch merkwürdig, dass man sich dafür rechtfertigen soll, dass wir etwas über das Allgemeine hinaus machen wollen. Als gäbe es IBA-Kontrolleure. In diesen kritischen Fragen schwingt immer mit: „Was bildet ihr euch eigentlich ein?“ Ich finde, man muss der IBA Entwicklungsmöglichkeiten lassen. Was eine IBA sein kann, wird sich zeigen. Die IBA lässt ja durchaus zu, dass man scheitert. Möglicherweise stehen wir am Ende vor unserer Ausstellung und fragen: „War es das, was wir erreichen wollten?“ Auch wenn etwas ganz anderes entstanden ist, wir werden daraus lernen. Ich glaube, gerade dieses Lernen ist wichtig, wenn das Format IBA nicht nur ein historisches sein soll.
Dirk Lohaus, sitzen Ihnen auch die IBA-Kontrolleure im Nacken?
Dirk Lohaus | Wir haben bisher noch keinen Kontrolldruck wahrgenommen. Ich finde es allerdings wichtig, dass man für Internationale Bauausstellungen eine hohe Messlatte anlegt. Es geht nicht um Kontrolle, sondern darum, besondere Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine IBA ist ein Ausnahmezustand auf Zeit – und damit eine ambivalente Angelegenheit, weil eine IBA auch immer ein staatliches Projekt ist.
Wie kuratiert man eigentlich IBA Themen?
Uns interessiert, wie kommt eine IBA zu ihrem Thema? Das IBA-Thema besteht meist aus einem prägnanten Satz, manchmal wird er ergänzt durch zwei, drei weitere Begriffe. Der Findungsprozess dieses Themas ist in der Anfangsphase offensichtlich schwierig. Beispiel Berlin, da gab es eine Reihe von Themen, die vorgestellt und dann wieder verändert wurden. Wann gibt es die Gewissheit zu sagen, o.k., mit dem Thema wollen wir jetzt die nächsten acht Jahre oder zehn Jahre arbeiten? Denn es ist ja schlecht möglich, nehmen wir mal das Beispiel Heidelberg, nach der Hälfte der Zeit zu sagen, statt „Wissen-schafft-Stadt“ brauchen wir jetzt ein anderes Thema.
Uli Hellweg | Ich möchte hier einen Begriff einführen, der bei der IBA Hamburg wichtig war: die kuratorische Verantwortung. Sie ist für mich ein Spezifikum einer IBA, und sie unterscheidet sie von einem Stadtentwicklungsträger oder von einer Task Force in der Verwaltung. Das heißt aber, die IBA muss die Freiheit haben, die Themen weiter zu entwickeln! Das bringt überhaupt erst den qualitativen Sprung und macht das Thema zu einem allgemeinen. Wenn man das Memorandum der IBA Hamburg aus den Anfängen heute liest, dann findet man ein Riesensammelsurium von sozialen und städtebaulichen Problemen. Aber es gab nur einen Überbegriff, und der hieß damals „Das Zukunftsbild der Metropole“ ...
... ein ziemlich allgemeiner Begriff ...
Uli Hellweg | Der war aber gut, weil wir damit nicht nur dieses Sammelsurium von Einzelthemen aggregieren konnten: „Kosmopolis“ als soziales Thema und „Metrozonen“ als städtebauliches Thema, sondern wir konnten auch den Weltklima-Bericht des IPCC vom Februar 2007 aufgreifen, der der Weltöffentlichkeit erstmals vorstellte, was geschieht, wenn wir das 2-Grad-Ziel nicht erreichen. An einem Ort wie Wilhelmsburg, der die Fluterfahrung von 1962 im Rücken hat, war uns natürlich klar, dass wir mit diesem Thema wirklich arbeiten müssen. Und zwar damals gegen den Widerstand der Politik und der Verwaltung. Die haben alle gesagt: „Rührt nicht am Thema Flutschutz, das ist tabu in Wilhelmsburg.“
Sie haben sich an das Tabu nicht gehalten.
Uli Hellweg | Und die Politik war klug genug, uns machen zu lassen, vielleicht auch weil wir gerade erst sechs Monate am Werk waren. Wir konnten so unser drittes Thema entwickeln, „Stadt im Klimawandel“, das dann in den folgenden sechs, sieben Jahren das stärkste Thema dieser IBA wurde. Letztlich ist es dieser Begriff, der in dem kuratorischen Prozess gesetzt wurde, mit dem die IBA Hamburg international heute am meisten identifiziert wird!
Regula Lüscher | Ich bin in Berlin jetzt in der Phase kurz vor der Einbringung in den Senat und das Abgeordnetenhaus und einem entsprechenden Beschluss. Die Politik hat also noch nicht Ja gesagt. Und erst wenn die Politik Ja gesagt hat, kann man in die kuratorische Phase eintreten. Dass die Themenformulierung der IBAs, die diesen Schritt noch nicht gemacht haben, noch relativ allgemein ist, liegt gerade in der Frage begründet: „Wie kann man die Politik für eine IBA gewinnen?“ In Berlin haben wir das Thema „Draußenstadt wird Drinnenstadt“. Da geht es darum, wie wir mit Peripherien umgehen. Um das aber in der politischen Diskussion überhaupt vorwärts zu bringen, braucht man einen politischen Treiber. Und das ist in Berlin im Moment die Wohnungsfrage, logisch! Schon die beiden Vorgänger-IBAs in Berlin hatten das Wohnen als großes Thema. Weil Wohnen natürlich der Treiber von Stadtplanungsprozessen ist.
Zuletzt ist der Eindruck entstanden, die IBA Berlin 2020 hat noch keine klare Ausrichtung.
Regula Lüscher | Heute entsteht eine IBA ja absolut öffentlich. Höchstwahrscheinlich war das bei den IBAs in der Vergangenheit nicht so. Aber eine IBA braucht diesen Suchprozess dringend. Und da bekommen die, die das verfolgen, vielleicht den Eindruck, dass ständig die Themen wechseln, weil die Überschriften im Entstehungsprozess noch wechselhaft sind. Das gehört aber zu einer Genese. Dann erst kommt die Phase, in der die Sache politisch verankert wird, in der das Motto noch sehr offen formuliert sein muss, das hat Herr Hellweg eben wunderbar dargestellt. Erst danach hat man ja die Mittel, um in die kuratorische Phase zu gehen. Und dann erst entsteht eine IBA.
Annette Friedrich | Man muss bedenken, dass die Politik ja mit einem IBA-Beschluss über die eigene Legislatur hinaus Verantwortung aus der Hand gibt und damit sehr viel Vertrauen in die Ausstellungsmacher setzt. Deswegen ist es auch verständlich, dass man im politischen Raum versucht, den Bogen thematisch möglichst weit zu spannen und so eine Basis zu schaffen, dass sich viele dort wiederfinden. Bei uns würde das sonst nicht gelingen. Heidelberg ist eine relativ kleine Stadt, und wir haben den Anspruch, die IBA stark in die Breite zu führen. Das ist kein Elitenprojekt, das ist ein Projekt der gesamten Stadtgesellschaft.
Philipp Oswalt | Wenn ich die Themen der aktuellen IBAs betrachte, habe ich nicht das Gefühl, dass das die Essenz der relevanten Themen ist, die uns heute in städtebaulichen Diskursen beschäftigen.
Christa Reicher | Ich habe an die IBA den Anspruch, dass sie neue Erkenntnisse zu einem bestimmten prägnanten Themenfeld generiert. Von jeder IBA erwarte ich wirkliche Neuerungen, was die Strategien und die vermittelnden Bilder angeht. Die enstehen aber nur, wenn es am Anfang nicht schon ein fixes Bild davon gibt, was rauskommen soll. Genau das ist es, was das Instrument IBA ausmacht. Es gibt ja nicht die echte, die wahre IBA. Es gibt übrigens auch nicht das Plagiat von IBA. Ganz im Gegenteil: Jede IBA muss sich in diesem Findungspozess selbst schärfen, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Erst dann bin ich schlauer, wie so eine Strategie aussehen kann. IBA ist eben nicht ein Konzept, das ich in zwei Jahren erstelle, sondern das entwickelt sich über einen langen Zeitraum, und zwar mit denen, die von oben die Ansage machen und mit denen, die ich von unten mitnehmen muss. Wenn ich diese Verbindung nicht schaffe, dann komme ich nicht ans Ziel, und dann hab ich auch nachher keine Strategie, die auch im internationalen Kontext dafür einstehen kann, wie man Stadt und Region gestaltet.
[Regula Lüscher verabschiedet sich wegen eines Termins]
Die Hürden in der Realisierungsphase
Kommen wir auf die Projektebene: Was kennzeichnet ein gutes IBA-Projekt?
Uli Hellweg | Eines ist klar: In dem Augenblick, wo eine IBA operativ ist und über Geld verfügt – und sei es auch noch so wenig – kommt plötzlich eine Heerschar von IBA-Fans und sagt: „Ich hab genau das richtige Projekt für euch.“ Und dann muss man gucken, dass man den thematischen Schärfungsprozess mit Kriterien verbindet. Wir haben sieben Kriterien definiert. Zum Beispiel: Ist ein Projekt strukturwirksam? Bedient es mehrere IBA-Themen, das heißt, ist es „multitalentiert“? Extrem innovative technologische Projekte, die nur das einzelne Thema Umwelt oder Energie bespielt haben, haben wir zum Beispiel abgelehnt, was viele Leute nicht verstanden haben. Wir haben zum Beispiel auch gefragt, ob ein Projekt der IBA überhaupt bedarf. Damit wollten wir verhindern, dass sich jemand nur mit dem IBA-Labelschmückt, weil es gerade schick ist. Diese Kriterien waren extrem erfolgreich. Wir haben allerdings immer vermieden, einen Unterschied zwischen Leuchtturmprojekt und den „Projekten der Vielfalt“ zu machen. Übrigens ist der Prozess noch nicht zu Ende: Es kommen immer noch Investoren oder Universitäten, die ein IBA-Projekt machen wollen. Dann diskutieren wir das an Hand der Kriterien und beschließen Qualitätsvereinbarungen. Die Projekte werden 2013 zwar nicht fertiggestellt, wir stellen sie nur über Pläne aus. Aber die sind dann qualitativ über diese Vereinbarungen genauso gesichert wie die anderen.
Nach welchem Schlüssel haben sie dann das Geld verteilt?
Uli Hellweg
| Die Projekte, die wir selber bauen, haben wir auch selber finanziert. Die privaten Träger hingegen erhielten eine sogenannte IBA-Exzellenz-Förderung. Bei dem Haus mit Algenfassade haben wir uns zum Beispiel nur an der Finanzierung der Fassade beteiligt. Als jemand Räume für den Nachhilfeunterricht migrantischer Kinder einrichten wollte, haben wir uns an den Investitionskosten für diese Räume beteiligt. Es waren nie mehr als fünf bis sieben Prozent der Investitionssumme, die von uns kamen. Und irgendwann waren unsere Investitionsfördermittel auch mal alle. Zum Glück entwickelte die IBA dann eine Dynamik, wo es einfach angesagt war, mit dabei zu sein. Die Bewerber gingen auf unsere Kriterien ein und verlangten kein Geld mehr.
Gab es einen Auslöser für diese Dynamik?
Uli Hellweg | Das war das Velux Model Home, eigentlich ein eher kleines Projekt. Die Firma Velux wollte damals fünf Modellhäuser in Europa bauen, eins davon im Rahmen unserer IBA. Wir fanden das gut, wollten aber keinen weiteren Neubau. Velux war dann bereit zu zeigen, wie man mit einem Siedlungshaus der dreißiger Jahre, wovon es in der Bundesrepublik Millionen gibt, exemplarisch umgeht. Sie veranstalteten einen studentischen Wettbewerb mit Manfred Hegger und der Uni Darmstadt (Bauwelt 15–16.11) und bauten ein Haus um zum „Velux Model Home“. Das Haus wurde das am meisten publizierte IBA-Projekt der letzten Jahre und hat uns keinen einzigen Cent gekostet. Als das Furore machte, kamen andere, die auch im Rahmen der IBA was Exzellentes machen wollten.
Das heißt, dann kamen die Privaten?
Uli Hellweg | Die Privaten hatten wir schon vorher. Sie bekamen diese fünf bis sieben Prozent Investitionsförderung für die Exzellenzmaßnahmen. Aber ich muss auch sagen: Unser Anfang war alles andere als leicht. Wilhelmsburg war ein No-go-Area für Investoren. Mein erster öffentlicher Auftritt – da war ich kaum 14 Tage bei der IBA – war in einem der Nobelhotels an der Außenalster, wo immer diese Immobilienkongresse stattfinden. In der Kaffeepause kamen drei Leute auf mich zu, der ich da alleine mit meiner Kaffeetasse stand, und sagten: „Seien Sie nicht böse. Aber von uns investiert da keiner. Da hat noch nie jemand investiert. Aber reden Sie mal mit der SAGA. Die bauen Ihnen bestimmt ein paar Sozialwohnungen für Ihre Ausstellung.“ So ging das los. Und wir machen ja nicht nur Strukturpolitik, sondern auch eine Bauausstellung mit neuen architektonischen Typologien. Das begann mit den internationalen Wettbewerben über die Smarthäuser mit einem Erfolg, den wir so gar nicht erwartet hatten. Dafür konnten wir Investoren interessieren. Nachdem das funktioniert hatte, fielen die Vorbehalte. Da musste man als Hamburger, und Hamburger sind in gewisser Weise auch Patrioten, da musste man dabei sein. Das Eis war gebrochen. Das war aber erst 2011, also relativ spät.
Philipp Oswalt | Wenn wir mal zurück schauen: Weißenhof 1927, Berlin 1957, das waren Top-down-Prozesse, wo es einen Chef gab, der die Architekten eingeladen hat. Das ist offenkundig heute nicht mehr der Fall. Bei der IBA Stadtumbau2010 in Sachsen-Anhalt war es eher wie ein Coaching-Prozess: Akteure zusammenbringen und Projekte entwickeln, indem man viele schwache Kräfte zu einer kritischen Masse verdichtet. Da ist auch der Unterschied zur IBA Emscher Park. Da gab es noch unglaubliche Fördermittel. Die IBA Sachsen-Anhalt hatte nur einen Bruchteil davon. Wir sprechen heute von homöopathischen Dosen bei der Finanzierung.
Top-down und bottom-up einfach zusammendenken?
Eines der Kennzeichen, um die die IBA als Instrument auch international beneidet wird, ist, dass es in der Findungs- wie in der Gestaltungsphase gleichzeitig Top-down-Prozesseund Bottom-up-Prozesse gibt. Peter Bertholet, wie ist das bei Ihnen in Limburg?
Peter Bertholet | Wir haben das IBA-Format gewählt, um die zweite Konversionswelle für die Region viel stärker bottom-up zu gestalten. Wir hatten 2007 einen Strukturplan entwickelt und 2010 ein Regionalprogramm. Da hatten wir die Bottom-up-Form auch schon probiert. Zurzeit läuft ein Stadtumbauprogramm mit einer Finanzierung von 260 Millionen Euro in fünf Quartieren. Die Wohnungsbaugesellschaften sind bei uns wichtige Investoren, sie stecken da 180 Millionen hinein. Sie wollen die IBA, genauso wie der Verbund von Unternehmern aus der Region.
Wie weit reicht in Limburg die Palette der Projekte?
Peter Bertholet | Wir haben zum einen die Leitprojekte. Wir müssen jetzt auch die Gemeinderäte überzeugen. Wir hatten gerade wieder so eine Versammlung. Reimar Molitor von der Regionale Köln-Bonn war bei uns zu Gast und hat die „Greatest Hits“ von früheren IBA-Projekten gezeigt: Zollverein, Energiebunker und solche Sachen. Aber für uns sind gerade auch die kleinen, die Bürgerbeteiligungs-Projekte sehr sehr wichtig. Die muss man auch coachen. Das machen wir jetzt zum Beispiel mit einem Projekt, das Schüler aus der Region vorgeschlagen haben. Sie haben für einen Spielplatz, der beim Spielen gleichzeitig Energie erzeugt, einen nationalen Preis für Innovation gewonnen. Zusammen mit einer Hochschule und einem Ingenieursbüro wollen wir das jetzt umsetzen.
Heißt das, zu Ihnen kommen nicht nur die Investoren, sondern auch die Kleinen? Oder sind das Prozesse, die die IBA immer erst anstoßen muss?
Peter Bertholet
| Um den Leuten zu zeigen, was eine IBA kann, veranstalten wir sogenannte „Allianzfabriken“. Das sind immer zwei Tage, an denen Leute zusammenkommen, über ihre Pläne reden und versuchen, sich gegenseitig zu helfen: Unternehmer, kulturelle Unternehmer, Wohnungsbaugesellschaften, Schulen, Bürger. Bisher sind neun solcher Allianzen entstanden, die zu Projekten werden könnten. Ein Hochschulabsolvent zum Beispiel hat ein Unternehmen für die Wiederverwendung von Material beim Abriss von Gebäuden gegründet. Wir haben ihn mit zwei Wohnungsbaugesellschaften zusammengebracht, die derzeit gerade Wohnungen abreißen. Ich will noch nicht sagen, dass das bereits ein IBA-Projekt ist. Aber es ist eine Initiative, die in die Richtung gehen könnte.
Philipp Oswalt | Das Problem ist ja nicht, dass den Leuten Ideen fehlen. Die Schwierigkeit ist, wie wir mit diesen IBA-Prozessen andere Stadtmacher finden. Früher hatten wir den Wohlfahrtsstaat, da hat der Staat finanziert und gemacht. Seit den siebziger Jahren regiert der Neoliberalismus und die Stadtplanung zielt darauf, Investoren anzulocken. Heute gibt es aber interessanter Weise vermehrt Bemühungen, kapitalschwache Akteuren zu unterstützen, die engagiert aber unerfahren sind und deswegen ein Coaching brauchen.
Christa Reicher | Was Herr Bertholet gesagt hat zeigt doch, dass es wichtig ist zu gucken, was andere IBAs generiert haben, auch im Sinne von Leuchtturmprojekten.
Clash der großen und kleinen Projekte
Geht das so einfach, kleine und große Projekte zusammen zu coachen? Nehmen wir etwa die IBA Basel: Da gibt es auf der einen Seite dieses Riesenprojekt Rheinhattan, die Uferbebauung, und auf der anderen Seite die Idee, das ehemalige Hafengebiet mit vielen kleinen Projekten zu einem neuen Stadtquartier zu entwickeln. Wie kriegen Sie das denn zusammen? Kommen die alle zu Ihnen ins IBA-Büro und stellen ihre Projekte vor?
Dirk Lohaus | So ist es gedacht. Unser Vorgehen gleicht dem, das Uli Hellweg für die IBA-Hamburg beschrieben hat. Das IBA-Label gibt es erst am Schluss. Zuerst kommen die Kriterien: Erstens wollen wir Projekte fördern, die eine Bedeutung für die Grenzüberschreitung haben, die gemeinsame Räume und einen grenzüberschreitenden Nutzen schaffen. Zweitens müssen sie Modellcharakter und eine Qualität haben. Und drittens müssen sie machbar und bis 2020 mindestes teilweise realisiert sein. Dazu haben wir ein in mehreren Schritten ablaufendes Qualifizierungsverfahren entwickelt.
Inwieweit können Sie die Qualität der Projekte tatsächlich beeinflussen? Im Verhältnis zu früheren IBAs gibt es viel weniger Geld. Die IBA-Leitung, so wie sie hier am Tisch verstanden wird, scheint uns eher wie eine Art Supervision für privat entwickelte Projekte zu funktionieren. Manche Projekte werden da ein Erfolg, und andere laufen eben auch schief. In der Bauwelt-Redaktion haben zum Beispiel Architekten angerufen und sich beklagt, weil sie mit ihren prämierten IBA-Projekten bei den Investoren gestrandet sind und sich im Stich gelassen fühlen.
Dirk Lohaus | Private oder öffentliche Projekte – für mich ist der Unterschied nicht so groß.
Michael Braum | Und ich halte von dem Geldargument nicht so viel. Heute ist mehr Geld da als früher, es wird nur anders verteilt. Man muss sich überlegen, wie man mit dem IBA-Gedanken so überzeugt, dass Leute bereit sind, Projekte zu realisieren.
Wenn innovative Projekte stranden
Was wird aus den Projekten, die mit hohen Ansprüchen starten und dann nicht durchhalten?
Uli Hellweg | Eines der sieben vorher erwähnten Kriterien bei uns heißt Prozessqualität. Und zwar deswegen, weil die Qualität eines Gebäudes nach unserer Auffassung nicht nur in der Architektur und im Städtebau liegt, sondern auch in der Frage der Nutzbarkeit, der Bewohnerakzeptanz, der Mitwirkung von Bewohnern, der ökologischen Qualität. Wir haben also ganz bewusst einen komplexen Qualitätsbegriff. Und bis auf ganz wenige Ausnahmen hat jedes unserer Projekte im klassischen Sinne ein Wettbewerb- oder Gutachterverfahren durchlaufen. Aber das war eben nur ein Aspekt in dieser Prozessqualität. Drei, vier Wettbewerbsgewinner in den extrem innovativen Verfahren haben sich in der Praxis als nicht umsetzbar erwiesen. Und die kritisieren uns heute teilweise auch massiv, sagen: „Die IBA baut mein Projekt, aber es ist nicht mehr mein Projekt.“ Das liegt aber daran, dass diese Projekte so extrem innovativ waren, dass man sie gar nicht bauen konnte und schon gar keinen Investor dafür fand. Da wir ja nicht das Geld haben, um alle Projekte selbst zu finanzieren, haben wir Investoren gesucht. Nehmen wir das Projekt von Splitterwerk aus Graz. Deren Algenhaus wird nicht so gebaut, wie Herr Blaschitz es gezeichnet hat. Es wird die sehr innovativen Grundrisse haben, nur eben nicht Algenfassaden an allen vier Seiten, weil eine Algenfassade im Norden Unsinn ist. Algen brauchen Sonneneinstrahlung. Man könnte jetzt vielleicht argumentieren, dass es besser gewesen wäre, das Projekt nur auf dem Papier zu lassen und in der Ausstellung zu zeigen. Und vielleicht kann man später mit anderen Technologien auch Algenfassaden im Norden bauen. Herr Blaschitz jedenfalls ist stolz, dass wir sein Projekt hier bauen. Aber es gibt andere, die nicht mehr zu hundert Prozent hinter ihrem Projekt stehen.
Annette Friedrich | Mir scheint, dass es auch eine Frage der Transparenz im Umgang mit den Projekten ist. Ich könnte mir vorstellen, dass sich auch die Projekte, genauso wie das IBA-Thema, einem öffentlichen Diskurs stellen müssen. Wir haben das ja mit dem BarCamp versucht. Da haben wir zugelassen, dass jeder seine Idee vorstellen kann, aber sich auch der Frage stellen muss, was dieses Projekt mit IBA zu tun hat. Was ist das Mehr, das er oder sie zu tun bereit ist im Vergleich zu einem normalen Projekt?
Philipp Oswalt | Ich denke, wenn wir jetzt lauter Qualitätskriterien addieren, wird das irgendwann die Innovationskraft einschränken. Wir müssen ja auch den Sprung ins Unbekannte machen, ein Risiko eingehen. Und ich glaube, dass es einerseits etwas braucht, zu fördern, was am Ort verwurzelt ist, in gewisser Weise einen Bottom-up-Prozess, dass es aber auch etwas geben muss, was von außen kommt, das sind in der Regel die Gestalter. Die IBA-Büros haben die Aufgabe, beides zusammenzubringen, den Prozess zu moderieren.
Christa Reicher | Ich glaube, man sollte sich auch von der Idee verabschieden, dass alle Projekte nach einer gewissen Zeit fertig sein müssen. Manchmal ist der lange Atem wichtig. Ich denke etwa an den Landschaftspark bei der IBA Emscher Park. Da gab es das Projekt des Umbaus der Emscher, eines siebzig Kilometer langen Abwasserkanals. Am Anfang haben alle gesagt: „Das dauert über dreißig Jahre! Das ist doch kein IBA-Projekt. Unsere IBA dauert doch nur zehn Jahre.“ Aber das Entscheidende ist, dass die Projekte die richtige Botschaft aufrufen.
Weniger IBAs? Mehr IBAs?
Es wurde in letzter Zeit viel über das „offene“ Format der IBA diskutiert. Sollte es mehr institutionalisierte Kontrolle darüber geben, was eine IBA ist und was nicht? Wenn in ein paar Jahren auf einmal fünf weitere IBAs mit im Rennen wären, hielten Sie das für gut? Oder plädieren Sie eher für eine künstliche Verknappung der IBAs mit strengeren Qualitätskriterien?
Philipp Oswalt
| Das kommt drauf an, was man haben will. Die politischen Interessen sind ja in die Projekte eingeschrieben. Wenn man Qualität haben will, fände ich es wichtig, dass es ein fachliches Regulativ gibt, das bestimmte Hürden aufbaut, die die Akteure unter Druck setzen, Qualitätsmerkmale zu erreichen. Dann hätte man natürlich weniger IBAs, aber die hätten eine Qualität. Das andere Modell wäre, man begreift eine IBA als Selbstermächtigungsprozess von lokalen Akteuren, die sich selbst weiterbringen. Dann könnte es auch hundert IBAs geben.
Michael Braum | Mir jagt die Vorstellung einen Schrecken ein, dass wir in dreißig Jahren fünfzig IBAs haben könnten. Und deswegen finde ich ein paar verbindliche Kriterien, wie sie im IBA-Memorandum festgelegt sind, auch richtig. Das sind die Anhaltspunkte, die man jeder IBA ins Logbuch schreiben sollte, um den Anspruch einer IBA umzusetzen. Und darüber hinaus stellt sich die Gretchenfrage: Wenn wir das Format IBA reglementieren möchten, um auch auf die Qualität mehr Einfluss zu haben, dann müssen wir, dann muss der Bund, da wirklich mehr Geld rein stecken.
Annette Friedrich | Ich glaube nicht an eine IBA-Inflation. Erstens steht man immer im Vergleich zu den anderen IBAs, auch denen, die schon gelaufen sind. Und natürlich will man sich diesem Vergleich stellen. Außerdem, welches Gremium könnte denn entscheiden, wer eine IBA machen darf? Ich würde die IBA ungern zu einem weiteren Förderprogramm des Bundes machen wollen. Es gibt ja bereits gute Einrichtungen, die den Prozess stützen, wie etwa die „IBA meets IBA“-Veranstaltungen. Ich finde es ausreichend, dass sich der Bund Gedanken darüber gemacht hat, wie man dieses Netzwerk – das ja die Qualitätsdiskussion zwischen den IBA-Machern fördert – stärken kann.
Christa Reicher | Die Diskussion über eine mögliche Inflation von IBAs hat ja einen wirklichen Grund! Wir haben vielerorts festgestellt, dass wir mit den herkömmlichen Planungsstrategien und -konzepten und den Masterplänen nicht mehr weiterkommen und nach neuen spezifischen Formen der Stadt- und Regionalentwicklung suchen, in der Kombination von bottom-up und top-down. Deshalb gibt es diese intensive Diskussion bei der Suche nach neuen Strategien. Und die IBA hat an vielen Stellen gezeigt, dass sie neue Wege gehen kann.
Zertifizierung, ja oder nein?
Christa Reicher | Wir haben unser Forschungsprojekt über die zurückliegenden IBAs auch mit der Erwartungshaltung des Ministeriums begonnen, da kommt am Schluss eine Art Zertifizierungsverfahren raus. Unsere Schlussfolgerung war: Es kann höchstens eine Art Monitoringverfahren sein, was einem in der Vorbereitung, in der Projektphase und auch in der Präsentationsphase hilft, Dinge richtig zu machen und eine Art Selbstjustierung vorzunehmen. Wenn man stärker in diese Strukturen eingreift, dann verhindert man Innovationen. Ein Beispiel: Das Ruhrgebiet will sich gerade für die European Green Capital bewerben. Aber es scheitert schon daran, dass es Regeln gibt, die besagen, dass nur eine Stadt und keine Region teilnehmen kann. Wenn es so etwas zu IBA-Zeiten gegeben hätte, dann wäre die IBA Emscher Park nie entstanden.
Stolz auf das Format
Peter Bertholet | Wir haben in den Niederlanden ziemlich lange darüber diskutiert, warum wir es IBA und nicht IBT nennen, Internationale Bouwtentoonstelling, wie es auf Holländisch heißt. Aber wir wollten gerade an die deutsche Tradition anschließen! Denn bei den IBAs ist ein „body of knowledge“ entstanden, den wir nutzen möchten. Und dieser Wissensfundus besteht aus seiner Vielfalt. Darauf kann man in Deutschland auch stolz sein. Ich war übrigens mal in Aachen in einer Kommission für die Bewerbung zur Internationalen Gartenausstellung IGA, das war unglaublich kompliziert. So ein Verfahren wäre der Tod der IBA.
Uli Hellweg | Ich glaube nicht, dass es jemals dreißig oder fünfzig IBAs geben wird, weil das Format bereits vorher kaputt wäre. Ich will auch nicht ausschließen, dass das Format irgendwann tatsächlich kaputt ist. Das ist ein Risiko. Sobald die Attraktivität der IBA hinfällig ist, ist das Format am Ende. Das Format kann aber durch Formalisierungen oder Zertifizierungen nicht geschützt werden, sondern nur durch eine Art Selbstregulierung. Dazu gehört die Fachpresse, die Fachszene. Dazu gehören die formellen und informellen Netzwerke, die dafür sorgen müssen, dass das Format diesen Anspruch hat. Wie formelle Geschichten üblicherweise laufen, wissen wir doch. Wir wissen, wie Gartenschauen funktionieren. Ich will gar nicht sagen, dass die schlecht sind, aber es ist ein eingefahrenes Format. Wir wissen auch, wie Expos und andere solche Institutionen funktionieren. Entweder wir riskieren, dass das Format IBA an der mangelnden Intelligenz unserer Profession stirbt, oder wir sind so klug und so engagiert, dass wir die Qualität dieses Formats halten können.  
Peter Bertholet | Geschäftsführer der Stadregio Parkstad Limburg 2020. Die IBA Parkstad Limburg ist die erste IBA außerhalb von Deutschland.
Michael Braum | seit 1. März 2013 Geschäftsführer der IBA Heidelberg 2022 GmbH. Zuvor war er fünf Jahre als Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur tätig.
Annette Friedrich | leitet seit 2004 das Stadtplanungsamt Heidelberg. Sie war Abteilungsleiterin für Verbindliche Bauleitplanung und Stadtgestaltung sowie stellvertretende Leiterin des Stadtplanungsamtes in Dresden.
Uli Hellweg | Geschäftsführer der IBA Hamburg 2013 GmbH. Für ihn ist es bereits die zweite IBA: In den Achtzigern war er Koordinator für Pilotprojekte bei der IBA 1987 in Berlin.
Dirk Lohaus | Projektleiter der IBA Basel 2020. Er ist zuständig für das Themenfeld „Mobilität und Siedlungsentwicklung“ und koordiniert die wissenschaftliche Zusammenarbeit der IBA mit den Hochschulen.
Regula Lüscher | Senatsbaudirektorin in Berlin. Seit 2010 arbeitete sie mit einem Prä-IBA-Team an der Konzeption für die IBA 2020. In diesem Jahr soll die IBA Berlin in die Take-off-Phase gehen.
Philipp Oswalt | war Geschäftsführer der IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010. Seit 2009 ist er Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, außerdem leitet er das Fachgebiet Architekturtheorie an der Uni Kassel.
Christa Reicher | Stadtplanerin und Architektin. Sie leitet an der TU Dortmund das Fachgebiet Städtebau und hat im Auftrag des BMVBS das Forschungsprojekt „IBA Revisited“ durchgeführt.

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