Bauwelt

Die Liebe der Zarin

Architektur­zeichnungen in der Eremitage

Text: Jaeger, Falk, Berlin

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Lebbeus Woods (1940–2012), Archi­tekturkomposition, 1989
Lebbeus Woods

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Lebbeus Woods (1940–2012), Archi­tekturkomposition, 1989

Lebbeus Woods


Die Liebe der Zarin

Architektur­zeichnungen in der Eremitage

Text: Jaeger, Falk, Berlin

Der Eingang ist schwer zu finden. Der große Torbogen gegenüber des Winterpalais der Eremitage ist mit Bauplanen verhangen. Ein Durchschlupf führt in das Gebäude des Generalstabs, das zu Sowjetzeiten als Projektinstitut diente.
Der östliche Bauteil gehört seit Kurzem zur Eremitage und bietet üppigen Platz für die Verwaltung, aber auch für Ausstellungen der Abteilung moderne Kunst, für die im Winterpalais und in Klenzes Museumsanbau nie richtig Platz war. Mit seiner 60.000 Quadratmeter-Erweiterung wagt das traditionsreiche Haus den Sprung ins 21. Jahrhundert. In welcher Liga man spielen will, wird im Innenhof deutlich. Unter einem Glasdach führt eine überbreite Freitreppe zu den Ausstellungsräumen ins dritte Obergeschoss. Zwei wahrhaft pharaonische Türflügel leiten in die Enfilade der Oberlichtsäle. Viel Sichtbeton hat das St.Petersburger Büro Studio 44 der beiden Brüder Oleg und Nikita Yavein für die Neubauteile in den Innenhöfen verwendet, die umgebenden klassizistischen Trakte wurden nach Maßgabe der Denkmalpfleger ertüchtigt.

Die erste Ausstellung zeigt freilich keine zeitgenössische Malerei, sondern hochkarätige Architekturzeichnungen aus fünf Jahrhunderten. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsausstellung der Eremitage und der Berliner Tchoban Stiftung. Der Architekt Sergei Tchoban, selbst ein renommierter Architekturzeichner, errichtet gegenwärtig ein Museum für seine Sammlung auf dem Berliner Pfefferberg.

„Ich bin verrückt nach Architekturbüchern, mein ganzes Zimmer ist voll davon“, schrieb Zarin Katharina die Große, von der berichtet wird, sie sei regelrecht verliebt gewesen in die Zeichnungen etwa von De Wailly. In der Tat hatte die Sammlung zu ihren Lebzeiten einen erstaunlichen Umfang angenommen. In Tausenden Büchern und Zeichnungen war das architektonische Wissen der Zeit in St.Petersburg präsent. Sie kaufte ganze Sammlungen, erhielt Präsente von Monarchen und reichlich Geschenke von Architekten, die auf Aufträge hofften. Die Sammlung diente nicht zuletzt als Inspiration für die von ihr beauftragten Baukünstler.

Die kuratorische Idee der Ausstellung „Library of Architecture“ setzt auf Kurzweil. Ein wissenschaftlicher Überbau, sonst oft künstlich herbeigezwungen, wird gar nicht erst beansprucht. Eigentlich geht es nur darum, wunderschöne Stiche, Zeichnungen und Aquarelle zu präsentieren. Immer paarweise werden die 82 Blätter vorgestellt (brauner Rahmen Eremitage, schwarzer Rahmen Stiftung Tchoban), jeweils einander ergänzend oder korrespondierend. Mal geht es um bautypologische Gemeinsamkeiten, mal um den Bildaufbau, mal um das Material. So bekommt es eine skurrile Bildgeschichte Gottfried Müllers mit einem Turmprojekt Nicola Michettis aus dem Jahr 1722 zu tun, Frank Gehry mit Jean Gougeon aus dem 16. Jahrhundert und Daniel Libeskind mit Nicolas Pineau (1723). Hier und da ist auch ein Blatt von Sergei Tchoban dazwischen geschmuggelt, dessen Strich jenem eines Ferdinando Galli Bibiena oder eines Pietro Gottardo Gonzagae aus dem 17. bzw. 18. Jahrhundert nicht unähnlich ist. Katharina II. hätte an der Schau ihre Freude gehabt.

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