Bauwelt

Der Rand, nicht die Mitte

Sibylle-Berge­mann-Ausstellung in Dresden

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Sibylle Bergemann aus der Serie "Denkmal", 1985

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Sibylle Bergemann aus der Serie "Denkmal", 1985


Der Rand, nicht die Mitte

Sibylle-Berge­mann-Ausstellung in Dresden

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Marx und Engels, kopflos. Zwei auf Brusthöhe endende, überlebensgroße Torsi stehen, mit Metallseilen auf einer Grundplatte festgezurrt, im Sand vor der Usedomer Werkstatt des Bildhauers Ludwig Engelhardt.
Zahllose Essays und Vorträge zu allen mög­lichen Themen zwischen Denkmalkultur und DDR-Ge­schichte sind in den vergangenen Jahren mit diesem im Mai 1985 aufgenommenen, längst zum Klassiker avancierten Foto vom unfertigen Marx-Engels-Denkmal für Berlin-Mitte illustriert worden. Zurzeit ist das Bild im Dresdner Leonhardi-Museum ausgestellt, in einer Retrospektive auf das Lebenswerk der Fotografin Sibylle Bergemann (1941–2010).
Von den „Fenster“-Bildern, die während Bergemanns Ausbildung bei Arno Fischer (den sie später heiratete) entstanden, über Fotos von Reisen nach Paris, die erwähnte „Denkmal“-Serie, das hell er­leuch­tete Foyer in „Erichs Lampenladen“, dem Palast der Republik, bis hin zu Polaroids, die die Fotografin in erster Linie als Gedankenstütze anfertigte – die Schau, die das Museum noch gemeinsam mit der Ende letzten Jahres verstorbenen Künstlerin konzipiert hat, gibt einen breiten Überblick über ihr Schaffen. (Eine Ausstellung nur mit Polaroids findet zeitgleich in der Berliner Galerie C/O Berlin statt.) Und natürlich Modefotografie. Ab 1970 arbeitete Bergemann für das Frauenmagazin „Sibylle“. Während im Westen die Mannequins in Puppenposen den Umsatz der Modefirmen ankurbeln sollten, präsentierte „Sibylle“ eine Mischung aus Zeitgeist und realem Leben. Meist wurden junge Mädchen von der Straße, die natürlich und selbstbewusst auftraten, in Alltagssituationen abgebildet, vor abblätternden Putzfassaden verfallender Gründerzeitbauten, in verlassenen Industriean­la­gen. Allzu „echt“ sollte es dann aber doch nicht immer sein. Auf ihrer wohl populärsten Mode­auf­nah­me „Marisa und Liane“ (1981) sind zwei junge Schönheiten am Selliner Strand zu sehen. Auf Bergemanns Foto schauen die beiden offensichtlich frierenden Mädchen ausgesprochen mürrisch drein. Für die Veröffentlichung wurden ihre runtergezogenen Mundwinkel retuschiert.
Die Wohnung, die Bergemann und Fischer am Schiffbauerdamm 12 in Ost-Berlin bewohnten, war Treffpunkt von Schauspielern, Künstlern und Fotografen aus dem In- und Ausland. Es muss dort bisweilen sehr ausgelassen zugegangen sein, wie die Party-Szenen aus der Filmdokumentation „Mein Leben“ enthüllen. Sie interessiere „der Rand der Welt, nicht ihre Mitte“, hat Sibylle Bergemann einmal gesagt. Nach der Wende gründete sie mit Kollegen die Agentur Ostkreuz und startete eine internationale Karri­-ere als Fotoreporterin. Im Auftrag von Zeitschriften wie GEO oder dem New York Times Magazine reiste sie um die halbe Welt.
Fakten
Architekten Sibylle Bergemann (1941–2010)
aus Bauwelt 27-28.2011
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