Bauwelt

Centre Pompidou unterwegs

Text: Caille, Emmanuel, Paris

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Centre Pompidou unterwegs

Text: Caille, Emmanuel, Paris

Ein Staatsprojekt: Bei der Eröffnung des von Patrick Bouchain mit Loïc Julienne entworfenen Centre Pompidou Mobile im Oktober war sogar Nicolas Sarkozy anwesend. Mit dem „Wander-Museum“, das eine Auswahl von nur 14 Werken zeigt, sollen Kleinstädte kurzzeitig in den Genuss bedeutender moderner und zeitgenössischer Kunst kommen.
Preisfrage: Lässt sich die pseudomondäne Bildungs-Überheblichkeit des klassischen Museums soweit in den Hintergrund schieben, dass sich auch jene 50 Prozent der Franzosen über die Schwelle trauen, die bisher keinen Fuß in ein solches Etablissement gesetzt haben? Wie wird Kunst allen zugänglich – ohne auf angemessene Inszenierung verzichten zu müssen, sodass neben dem Aspekt Unterhaltung auch die nötige Aufmerksamkeit und der Respekt dem Kunstwerk gegenüber einlöst werden kann? Ganz im Gegensatz zum Centre Pompidou Metz (Bauwelt 22.2010), jenem effekthascherischen technologischen Moloch, der seinen Inhalten alles andere als gerecht wird, kommt diese Umsetzung der Idee als scheinbar leichtes Machwerk daher: Das Centre Pompidou Mobile koppelt rustikalen Pragmatismus mit unbekümmertem Innovationsgeist. Derzeit kampiert es im Städtchen Chaumont, nächste Station ist im Februar Cambrai.
Museen begreifen sich heute entweder als „Tempel“ oder als „Supermärkte“ der Kultur. Aller unterschwelligen Ironie zum Trotz schwingt in solchen Formulierungen aber doch ein gewisser Respekt mit. Die Idee eines offenen Ortes für alle, noch dazu mobil, ist eine altbekannte Litanei kulturpolitischer Instanzen, bleibt aber meist ein Lippenbekenntnis. Immerhin hatte es der Künstler Thomas Hirschhorn 2004 geschafft, Duchamp, Dalí, Le Corbusier und Malewitsch in La Courneuve in einem Schuppen aus vorgefertigten Systembauteilen zu zeigen. Auf einmal waren diese Hauptwerke des Mu­sée National d’Art Moderne von den Wohnblocks der Cité Albinet aus zu erreichen, einem als besonders problematisch verschrienen Wohnviertel der Pariser Banlieue.
Damit war die Idee auf den Weg gebracht – ein Wettbewerb für den Entwurf einer mobilen Architektur, mit der man die schönsten Stücke aus dem Pariser Centre Pompidou in alle Ecken des Landes tragen wollte, wurde ausgelobt. Der Ansatz schien einfach genug: ein Wandermuseum, das für jeweils drei Monate in unterschiedlichen Städten Station machen sollte; so ließen sich die wichtigsten Werke ausstellen und zugleich zu den Beständen der jeweiligen Regional-Fonds für moderne Kunst in Bezug setzen. Man wollte jeweils maximal fünfzehn ausgewählte Arbeiten präsentieren, um durch die sparsame Hängung die Aufmerksamkeit der Besucher auf die Bedeutung der Stücke zu lenken; Öffnungszeiten sechs Tage die Woche, Eintritt frei.
Den Siegerentwurf reichte Patrick Bouchain gemeinsam mit Loïc Julienne ein. Das Projekt stellte sich im Vergleich zur Einrichtung eines festen Hauses als weitaus komplexer dar. Die Anforderungen, insbesondere an die Sicherheit und die Einhaltung konservatorischer Auflagen, waren in der Tat sehr hoch.
Eine Zirkusschule, Reithallen und Spielstätten auf Zeit – Bouchain und Julienne bringen viel Erfahrung in Sachen mo­biler Bauten mit, wobei sie erfinderischen Einfallsreichtum und Pragmatik mit einfachen und bewährten technischen Lösungen verbinden. „Wir greifen auf eine Technik zurück, die in mehr als dreißig Jahren Praxis x-mal erprobt und verbessert wurde“, erklärt Bouchain. „Es handelt sich um ein Zeltsystem mit einer Hülle aus Planen und Spannseilen wie man sie benutzt, um Segel an Schiffsmasten zu fixieren. Wir verwenden diese Kombination von Plane und Unterbau ohne sie technisch zu verändern. Nur die äußere Form ist neu.“
Die drei rautenförmigen Module des Centre Pompidou Mobile basieren auf Metallgerüsten, über die Planen gezogen werden, eine Konstruktion, die sonst auf Jahrmärkten zum Einsatz kommt. Das erste Zelt bildet den Einlass, die beiden anderen sind für die Kunst bestimmt. Die Aufstellung lässt sich an die unterschiedlichen topografischen und klimatischen Bedingungen der Standorte anpassen. Windfang-Schleusen verbinden die einzelnen Module untereinander. Jedes Modul ist in drei Zonen unterteilt, deren Raumklima sich entsprechend den kuratorischen Anforderungen und den jeweiligen Außentemperaturen des mobilen Museums regulieren lässt. Die erste Klimazone besteht aus einer isolierenden doppelten Außenhaut, in deren Kammer Luft zirkuliert. Deren äußere, mit einem Stahlnetz verstärkte Membran bietet zudem wirksamen Schutz vor Kunstdiebstahl. Zweites Segment ist der nach Bedarf klimatisierbare Besucherbereich. Der Kunst bleibt die dritte Zone in der Mitte der Zelte vorbehalten. Diese autarke Kernzelle, ein langgezogenes, schiefes Prisma ganz in Weiß, um das die Besucher herum gehen, verfügt über ein unabhängiges Beleuchtungs- und Belüftungssystem. Öffnungen in der Wandmembran geben den Blick auf die hinter Glas ausgestellten Kunstwerke frei. Eine riskante Entscheidung – allzu leicht kann der Eindruck entstehen, man habe die Kunst in gläserne Kästen gesperrt. Doch durch den Abstand von gut vierzig Zentimetern wirken die Scheiben hier letztlich weniger störend als das Schutzglas, das mittlerweile in vielen Häusern üblich ist. Störende Reflexe ließen sich durch eine leichte Neigung umgehen. Ein Meisterstück ist die Lichtregie: Die Lichtquellen sitzen auf der Innenseite der Sichtfenster-Rahmen. Durch diese Anordnung wird ein störender Schattenwurf ausgeschaltet.
Während die großen bunten Zelte an die Welt des Wanderzirkus’ erinnern, bieten die eingebauten Schaukästen mit den Kunstwerken eine für Betrachtung von Kunst angemessene, besondere Aura der Konzentration.
Fakten
Architekten Bouchain, Patrick, Paris; Julienne, Loïc, Paris
aus Bauwelt 47.2011
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