Bauwelt

Bilder erzählen

Schinkel als Universalkünstler im Berliner Kupferstichkabinett

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Der Brand von Moskau, 1812/1813 (Ausschnitt)
Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

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Der Brand von Moskau, 1812/1813 (Ausschnitt)

Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett


Bilder erzählen

Schinkel als Universalkünstler im Berliner Kupferstichkabinett

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Der Ausstellung des Berliner Kupferstichkabinetts gelingt es, die Person Karl Friedrich Schinkel verständlicher zu machen - und damit sein unglaublich umfangreiches Lebenswerk greifbarer.
Neues von Schinkel? In jungen Jahren hatte ich das Glück, die beiden großen Ausstellungen zu Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) zu besuchen, die 1981 aus Anlass seines 200. Geburtstags in West- und in Ostberlin stattfanden. Mit beiden Katalogen ausgestattet, war man damals überzeugt, umfassende Nachschlagewerke über den Baumeister im Regal zu haben. In der Zwischenzeit gab es weitere Ausstellungen zu Teilbereichen seines Werks, zuletzt 2006 in Potsdam. Mit „Karl Friedrich Schinkel – Geschichte und Poesie“ im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin am Kulturforum ist nun, dank eines Konzepts, das in unsere Zeit passt, in der Tat etwas Neues gelungen.

Marie am Strand von Scheveningen

Den Kuratoren war es wichtig, die Person Schinkel in seiner Zeit hervorzuheben und Querbezüge zu Freunden, Zeitgenossen und Auftraggebern herzustellen. So beginnt die in neun „Tableaux“ gegliederte Schau mit einem Saal, der ihm, seiner Familie und seinen Freunden gewidmet ist. Die hier gezeigten Porträts von Schinkel sind bekannt. Nicht so die Bilder seiner Kinder, eine Leihgabe aus dem Museum von St. Louis/Missouri. Ursprünglich hatte Schinkel ein großformatiges Gemälde aller vier Kinder geplant. Es blieb unvollendet. Nach seinem Tod hat man das Werk in Einzelbilder aufgeteilt. Zu sehen ist auch eine für Schinkel ungewohnt ausdrucksstarke Bleistiftzeichnung seiner Tochter Marie am Strand. Fast schon anrührend die kleine Zeichnung der sechsköpfigen Familie in einer Pflanzenarabeske: Schinkel selbst umarmt den Schaft einer Säule. Gut, dass auch das berühmte Bild einer antikisierenden Tempel­anlage nicht fehlt, die als Denkmal für Friedrich den Großen auf den Leipziger Platz in Berlin gedacht war; gemalt hat es 1796/97 Schinkels Lehrer Friedrich Gilly. Für den 16-Jährigen war es ein Schlüsselerlebnis, dieses Projekt kennenzulernen.

Um den Blick auf Denkmäler in Preußen und im Süden Europas geht es im zweiten Saal. Schinkels Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, Gesehenes in einem eigenen Stil frei umzuzeichnen, müssen ihn beflügelt haben. So fügte er auf seiner ersten Italienreise 1803/04 bei der Darstellung der Kirche Santa Maria del Popolo in Cittaducale einen zweiten Turm hinzu und ließ die kleinstädtische Umgebung einfach weg. Den Palazzo Butera in Bagheria bei Palermo zeigte er nicht als Barockpalast, sondern als arabisch-normannisch anmutende Festung. Sehr persönlich ist die symbolisch überhöhte Zeichnung vom Gipfel des Ätna bei Sonnenaufgang, auf der er sich, fast am Ziel, mit wehendem Mantel darstellt.
Von der Antikensammlung wurde die Schmuckbasis einer Säule vom Concordia-Tempel aus dem Forum Romanum ausgeliehen, die Schinkel 1824 während der zweiten Italienreise für „sein“ Altes Museum am Lustgarten gekauft hatte. Damit wird die Grundlage für seine Architektur, die „Geschichte“, unmittelbar gegenwärtig. Und mit „Poesie“, dem Erzählerischen, hebt die Ausstellung auch den zweiten Begriff hervor, der für Schinkel essenziell war, um ein Bauwerk oder Objekt zu einem Kunstwerk werden zu lassen.

Der Brand von Moskau
Faszinierend der Saal „Die Bühne und die Welt – Geschichtsphantasien und das Fremde im Theaterbild“. Hier zeigt sich die Passion Schinkels für Inszenierung und Idealisierung am deutlichsten. Mit Opern-Bühnenbildern und optischen Schaubildern gelang es ihm, die Zuschauer in ferne Länder zu versetzen. 40 solcher Bilder hat er geschaffen. Bei den Schauplätzen in Mittelamerika oder dem Orient kommt seine ganze Vorstellungskraft zum Tragen. Die berühmte blaue Sternenhalle der Königin der Nacht, eine Kulisse für Mozarts „Zauberflöte“, hat in der Ausstellung einen Ehrenplatz.

Die Zeichnung „Der Brand von Moskau“ von 1812/13 diente als Vorlage für ein Schaubild, das im „Optisch-Mechanischen-Theater“ in Berlin gezeigt wurde. Schinkel war nie in Moskau, musste sich also auf Druckgrafiken der Stadt stützen. Für die Ausstellung wurde das perspektivische Schaubild mit Theatereffekten im kleinen Maßstab rekonstruiert. Es baut sich nach Art eines Dioramas in mehreren Schich­ten hintereinander auf. Im Vordergrund bewegen sich die vor Napoleons Truppen fliehenden Menschen sonderbar tänzerisch; auf der Brücke, die das Bild durchzieht, sind es Menschenmassen mit Pferden, die mechanisch hin und hergeschoben werden. Im Hintergrund, beim Kreml, flackert rotes Licht, das zusammen mit etwas Getöse den Brand darstellen soll.

Gotischer Dom am Wasser
Im Saal „Die späten Utopien“ werden ausführlich die späten Projekte und Visionen von Großprojekten dargestellt. Dazu gehören der von Friedrich Wilhelm von Preußen vermittelte Palast für Otto von Griechenland auf der Athener Akropolis 1834 und die beiden Variationen von Schloss Orianda bei Jalta auf der Krim 1837–39. Schinkels gebautes Werk vor al­lem in Berlin ist ebenfalls mit den bekannten Zeichnungen und manchen Vorskizzen präsent, spielt aber nicht die entscheidende Rolle in der Ausstellung – die Bauten sind eher das Ergebnis seiner großen Träume. Schinkels Arbeitsweise als „Baukünstler“ und nicht als „Baumeister“ ist das Thema. Dazu passen auch seine Gemälden, reine Bild-Erfindungen, wie der „Gotische Dom am Wasser“ von 1813 – das Bild hängt in der Ausstellung zum ersten Mal ne­-
ben einer Kopie gleicher Größe von Eduard Biermann von 1830. Schinkels Hang zur Gotik wird bereits in einer frühen Zeichnung der Innenansicht vom Stephansdom in Wien deutlich. Auch einen Aufriss der Westfassade des Kölner Doms fertigte er an; er sah es als patriotische Pflicht an, den Dom zu vollenden.

Mit der klaren Ordnung der Themen gelingt es der Ausstellung, die Person Karl Friedrich Schinkel verständlicher und damit sein unglaublich umfangreiches Lebenswerk greifbarer zu machen. Schade nur, dass die Säle im Museum teilweise getrennt voneinander liegen. Der Besucher muss zurück zum nüchternen Treppenhaus, das eher zu einem Amts­gebäude passt, und wird dabei jäh aus der Bilderwelt Schinkels herausgerissen.
Fakten
Architekten Schinkel, Karl Friedrich (1781–1841)
aus Bauwelt 40-41.2012
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