Bauwelt

Aus 27.000 Scherben auferstanden

Die Rettung der Skulpturen vom Tell Halaf

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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Blick in die Ausstellung im Pergamonmuseum: Bildwerke vom Palast des Kapara.
© Olaf M. Teßmer, Vorderasiatisches Museum-SMB

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Blick in die Ausstellung im Pergamonmuseum: Bildwerke vom Palast des Kapara.

© Olaf M. Teßmer, Vorderasiatisches Museum-SMB


Aus 27.000 Scherben auferstanden

Die Rettung der Skulpturen vom Tell Halaf

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Als am 23. November 1943 eine Bombe in der Charlottenburger Franklinstraße 6 einschlägt, geht eines der ungewöhnlichsten Museen Berlins unter: Max von Oppenheims Funde am Tell Halaf, seit 1930 ausgestellt in einer umgenutzten Industriehalle. Vor zehn Jahren wagten sich Restauratoren daran, die Skulpturen wieder zusammenzusetzen. Das Ergebnis ist im Pergamonmuseum zu bewundern.
„Die Küche ist ausgezeichnet, die Mahlzeiten reichlich, mit fremdartigen Gerichten neben europäischen. Der Champagner fließt. Die Laune ist stets gut.“ Vergnügt schaut Max von Oppenheim (1860–1946) auf dem 1910 aufgenommenen Foto aus dem Fond seiner Kutsche in die Kamera. Der seit der Lektüre der „Märchen aus 1001 Nacht“ vom Orient faszinierte und ab 1896 als Attaché an der Deutschen Botschaft in Kairo tätige Bankierssohn muss in der Stadt am Nil, herrschaftlich residierend und gesellschaftlich umfassend vernetzt, eine glückliche Zeit erlebt haben. Von 1893 bis zum Ersten Weltkrieg unternahm er von dort aus zahlreiche Reisen, die er in von ihm selbst choreographierten Fotoalben publizierte – diese sind, zusammen mit anderen zeitgenössischen Fotos, noch bis Sonntag im Museum für Fotografie zu sehen (Wer es nicht mehr schafft: Unter  www.arachne.uni-koeln.de lässt sich die Sammlung digitalisiert betrachten).
Die wohl wichtigste Reise führte von Oppenheim, der fließend Arabisch sprach und das Vertrauen der örtlichen Beduinenscheichs gewinnen konnte, zum Siedlungshügel Tell Halaf im Quellgebiet des Euphrat-Nebenflusses Habur an der heutigen syrisch-türkischen Grenze. Was er dort über viele Jahre leistete, langte weit zurück in die Geschichte der Menschheit und war zugleich ihrer Gegenwart verpflichtet. Von Oppenheim betätigte sich als Geograph und Ethnograph, der das Liedgut der Beduinen ebenso aufzeichnete wie er die Flora und Fauna der damals fast menschenleeren Region dokumentierte. Zuerst aber wurde er am Tell Halaf vom Juristen und Diplomaten zum Archäologen. Als solcher drang von Oppenheim mit den Grabungen 1899, vor allem aber 1911–13 und dann noch einmal 1929 bis zu den Anfängen der Stadtkultur im nördlichen Mesopotamien vor: Die ältesten Funde werden auf ein Alter von rund 8000, die monumentalsten von circa 3000 Jahren geschätzt.
Erzählerische Präsentation
Diese dann im Zweiten Weltkrieg in Berlin zerstörten und nun daselbst wieder zusammengesetzten Plas­tiken – Sphinx und Sphingenkopf, Löwe und Löwin, Stier und Greif, Doppelsitzbild und Rundbild, zwei Götter und eine Grabfigur – sind das Zentrum der auch im Hinblick auf die Besucherzahlen immens erfolgreichen Schau im Pergamonmuseum. Die vom Berliner Architekturbüro neo.studio inszenierte und in elf Themen gegliederte Ausstellung versammelt die großen Steinbilder im Schlütersaal des Messel/Hoffmann-Baus. Der Besucher ist nicht nur überrascht, wie vollständig die Wirkung der Figuren trotz ihrer bisweilen fast atomisiert zu nennenden Vernichtung wiedergewonnen werden konnte – der Greif etwa musste von den Restauratoren aus einem Berg von 2600 Scherben zusammengepuzzelt werden, im Durchschnitt war jede Plastik in 1200 Splitter zerschlagen –, überraschend ist auch, wie die basaltenen Skulpturen mit ihrem charaktervollen Ausdruck Anschluss finden an die Bildsprachen heutiger Populärkulturen. So wirkt der Riesensonnenvogel mit seinen leicht konsternierten Zügen fast ins Comic-Hafte gezogen. Unter dem durchaus treffend gewählten Wilhelm-Busch-Decknamen „Hans Huckebein“ flattert er seit November durchs Facebook und hat dort schon über 900 Freunde gefunden.

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