Bauwelt

Altes aus Mailand

Re-Editionen auf dem Salone Internazionale del Mobile

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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Altes aus Mailand

Re-Editionen auf dem Salone Internazionale del Mobile

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Berlusconi ha finito! Ob die Erleichterung über den Abgang des „Cavaliere“ und das pragmatische Agieren seines weithin respektierten Nachfolgers Mario Monti die Gründe waren, warum der Salone Internazionale del Mobile in Mailand Ende April insgesamt ein Bewusstsein ökonomischer Stärke ausstrahlte?
Zwar war die Wirtschaftskrise in der Zurückhaltung vor allem bei den Produktpräsentationen zu spüren. Doch ist solcherlei Demut keinesfalls mit der Depression zu vergleichen, in die die Kölner Möbelmesse vor einigen Jahren gerutscht war; anders als seinerzeit am Rhein sind die Messehallen in Rho nach wie vor ausgebucht.

Auch an den beiden anderen Standorten, der wieder erstarkten Zona Tortona und dem im letz­ten Jahr etablierten Ventura Lambrate, waren keine Lücken zu erkennen. Die Bedeutung der Mailänder Messe unterstrichen die zahlreichen Stände außereuropäischer Design-Institutionen, etwa aus Brasilien, Israel oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Den meisten ihrer vorgestellten Produkte fehlte jedoch leider ein charakteristisches Profil, wie man es bei skandinavischen, aber auch bei deutschen Erzeugnissen ausmachen konnte.

Wirkte die Messe im vergangenen Jahr durch ihr merkwürdig angestrengtes 50. Jubiläum erschöpft, war sie in diesem Jahr der gewohnt perfekte Gastgeber für Aussteller und Besucher. Angeboten wurden zum Großteil formal gemäßigte Objekte, die sich auf Bewährtes beriefen – ideell, konstruktiv wie mate­riell. In dieser Woche stellen wir Neuauflagen von Mö­beln vor, die in Vergessenheit geraten waren oder länger nicht mehr produziert wurden. In der nächsten Bauwelt folgen die Neuheiten.

Ferdinand Kramers Volksmöbel

Der Architekt Ferdinand Kramer (1898–1985) war dem „neuen Frankfurt“ gleich zu zwei Zeiten verpflichtet: in den 20er Jahren unter Ernst May und dann beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt ein Vierteljahrhundert später. Wie seine Architek­tur zeichnen sich auch seine Möbelentwürfe durch Geradlinigkeit, angemessene Materialität und gute Verarbeitung aus. Der Hersteller e15 aus dem nahe Frankfurt gelegenen Oberursel hat mit Unterstüt­zung der Witwe, Lore Kramer, acht Objekte zur ersten Re-Edition von Kramer-Möbeln in seinem Pro­gramm zusammengestellt.
Die Auswahl erfolgte aus Kramers drei Schaffensperioden. Eine Liege, ein Stuhl und ein Hocker – entworfen 1925 – erinnern mit ihrer reduzierten Gestalt, ihren massiven Holzgestellen und den aus breiten Textil- oder Lederstreifen geflochtenen Sitz- bzw. Liegeflächen an das Qualitätsbewusstsein jener Zeit. Daran knüpft das sogenannte „Knock-Down-­Furniture“ an, das Kramer im amerikanischen Exil entwickelte: zwei Couchtische, deren Untergestelle sich auf den Kopf stellen lassen, was die Erscheinung der Tische völlig verändert, und ein Esstisch, dessen stark eingerücktes V-förmiges Untergestell für enorme Beinfreiheit sorgt. Unter den Möbeln, die Kramer in den 50er Jahren für die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität entwarf, wurden für die Re-Edition ein Tisch ausgewählt, dessen feingliedriges Untergestell mittels der Eckverbindungen raffiniert stabilisiert wird, und eine schlichte Garderobe. Kramer, der sich zeitlebens dem Bauhaus verbunden fühlte, hätte es sicher nicht als despektierlich empfunden, wenn man dieses Mobiliar als „Volksmöbel“ bezeichnet.

Refuge Tonneau 1:1

Lange Zeit stand die französische Innenarchitektin Charlotte Perriand (1903–99) im Schatten von Le Corbusier, wenngleich sie stets mit ihm und seinem Cousin Pierre Jeanneret als Urheber der Möbel aus dem Atelier Le Corbusier genannt wurde. Diese werden seit 1964 von dem renommierten italienischen Möbelproduzenten Cassina hergestellt, seit 2003 finden sich in dessen Programm auch spätere Entwürfe von Perriand, für die sie allein verantwortlich zeichnete.
Im Showroom der Poltrona Frau Group, zu der Cassina seit 2005 gehört, wurde Charlotte Perriand mit dem ersten Bau ihres „Refuge Tonneau“ im Maßstab 1:1 gewürdigt. Davon existierten bislang nur Modellfotos und Zeichnungen. Die Anregung für die Form des zwölfeckigen Schutzraums, den Perriand 1938 zusammen mit Pierre Jeanneret entwickelte, erhielt sie von der Fotografie eine Kirmeskarussells. Der für höhere Berglagen vorgesehene Holzbau, 3,80 Meter im Durchmesser, 3,92 Meter hoch und außen durch eine Haut aus Aluminiumblech geschützt, sollte acht Personen Platz bieten. Was arg eng geworden wäre: Bei der Präsentation in Mai­land wurden höchsten vier Personen gleichzeitig eingelassen. Auf minimalem Raum organisierte Per­riand die Schlafplätze – vier im niedrigen „Dachgeschoss“, vier Klappbetten im unteren Raum –,  außerdem Skiständer, Campingofen, ein Becken zum Schneeschmelzen, einen Vorratsschrank und ein Fach für die Rücksäcke. Mit dieser spartanischen, funktionalen Ausstattung des Refuge Tonneau nahm sie nicht nur den Cabanon von Le Corbusier vor­weg, den dieser sich 1952 am Mittelmeer errichtete, sondern auch die Gestaltung von Forschungssta­tionen, etwa in der Antarktis.

Filigranes von 1960

Sich seine Sporen bei Alvar Aalto und Le Corbusier zu verdienen, zwei auf den ersten Blick so unter­­schiedlichen Architekten, zeugt von großer Be­gier­de, das Wesen der Meister zu erfassen; von ihnen mag der finnische Innenarchitekt Ilmari Tapiovaara (1914–99) gelernt haben, Aufgaben formal undogmatisch anzugehen. Nachdem er zunächst in der Tradition seiner Heimat Holz als Material für seine Möbelentwürfe einsetzte, begann er nach einer Gastprofessur am Illinois Institute of Technology mit Metall zu arbeiten.

Die dortige Begegnung mit Ludwig Mies van der Rohe hat ihre Spuren in Tapiovaaras Sitzmöbel- und Tischprogramm KIKI hinterlassen. Das von Aalto mitbegründete Unternehmen Artek stellt das Möbelprogramm nun wieder her. Nüchtern konstruiert und von bescheidener Dimension, komfortabel im Gebrauch und von eleganter Erscheinung, spiegeln die feingliedrigen Gestelle aus schwarz lackiertem Stahlrohr auch das Entwurfsjahr 1960 wider. Die zu den abgerundeten Ecken hochgezogenen Sitzflächen von Stuhl und Hocker scheinen über den Kreuzen, die das Gestell aussteifen, zu schweben, wohingegen die dicken Polster auf Sessel, Sofa und Liege diese eher statisch wirken lassen. Tapiovaara unterschied die Polster nicht von Ungefähr derart: Man sitzt auf dem Stuhl, und man sitzt im Sessel.
Fakten
Architekten Kramer, Ferdinand (1898–1985); May, Ernst (1886-1970); Perriand, Charlotte (1903–99); Aalto, Alvar (1898-1976); Le Corbusier (1887-1965); Tapiovaara, Ilmari (1914–99)
aus Bauwelt 20.2012
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