Ab ins Umland!
Ein Potsdamer Wegweiser zur Moderne in Brandenburg
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Ab ins Umland!
Ein Potsdamer Wegweiser zur Moderne in Brandenburg
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Originaldokumente, historische und aktuelle Fotos, Modelle, Wochenschau-Sequenzen: Die Schau präsentiert eine enorme Bandbreite an Auffassungen und lässt die Provinz ein gehöriges Stück aus dem Schatten der Metropole Berlin herausrücken.
Sie sind Ikonen der modernen Architektur: der Einsteinturm in Potsdam, die Hutfabrik in Luckenwalde, die Bundesschule des ADGB in Bernau. Doch nicht nur Mendelsohn und Meyer haben in Brandenburg gebaut, mit Gropius, Mies van der Rohe, Scharoun, Max und Bruno Taut und den Gebrüdern Luckhardt ist nahezu die komplette Avantgarde der Weimarer Republik vertreten. Mit der vom Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam und der Brandenburgischen Architektenkammer konzipierten Ausstellung „Aufbruch in die Moderne – Architektur in Brandenburg von 1919 bis 1933“ rücken die Kuratorinnen Nicola Bröcker und Simone Oelker-Czychowski die Provinz ein gehöriges Stück aus dem Schatten der Metropole Berlin heraus.
Die opulente Schau zeigt Originaldokumente, historische und aktuelle Fotos, Modelle sowie Wochenschau-Sequenzen und präsentiert damit eine enorme Bandbreite an Auffassungen: von eher traditionellen Bauten über eine gemäßigte Moderne bis hin zur Avantgarde – von renommierten aber auch von bisher weniger beachteten Architekten. Facettenreich werden die verschiedenen Architekturströmungen und ihre Verflechtungen beleuchtet. Aber auch die Entwicklung, die einzelne Protagonisten im Laufe der Zeit nahmen: Reinhold Mohr etwa baute 1925–30 am Templiner See in Potsdam ein heute etwas skurril wirkendes Regattahaus, das mit seinen gestaffelten Geschossen und auskragenden Dächern an Pagodenarchitektur erinnert; den vis-a-vis liegenden Musikpavillon errichtete er nur wenig später als filigrane Stahl-Glas-Konstruktion mit weit auskragendem Flachdach (1932).
Backsteinexpressionismus par excellence findet sich in Neuenhagen mit Wilhelm Wagners Rathaus von 1926, eine „Stadtkrone“ mit integriertem Wasserturm. Der imposante Rathaussaal (die östlich von Berlin gelegene Gemeinde profitierte wirtschaftlich vom Pferdesport im benachbarten Hoppegarten) beeindruckt vor allem durch seine bleiverglasten Fenster, deren Farbfelder an die abstrakten Kompositionen Mondrians erinnern – eine kristalline Farbigkeit wie man sie auch von Bruno Tauts Entwürfen für eine „Alpine Architektur“ und seinem Glasbaustein-Set „Dandanah“ kennt.
Rathenow: die Stadt von morgen
Eines der zentralen Themen der Weimarer Republik, die Errichtung preisgünstigen Wohnraums und damit die Verbesserung des Wohnstandards der Arbeiter, hat seinen Niederschlag vor allem in den Zentren des Neuen Bauens, in Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder) und Luckenwalde, gefunden. Otto Haeslers kompromisslos rationell geplante Siedlung am Friedrich-Ebert-Ring (1929–31) in Rathenow pries der Architekturkritiker Adolf Behne als „Stadt von morgen“. In der Kunsthandwerkersiedlung Gildenhall bei Neuruppin (1921–29) dagegen wollten die Architekten (u.a. Otto Bartning) nach dem Vorbild des Weimarer Bauhauses reformerische Lebens- und Arbeitsideale verbinden; mittels Kontakten zum Künstlerdorf Worpswede gelang es, ein reges kulturelles Leben zu etablieren.
Bekanntermaßen bleibt der Industriebau auch nach 1933 weiter „modern“. Herbert Rimpls Großbüro baut für die Heinkel-Flugzeugwerke in Oranienburg 1936/37 eine riesige Anlage aus Industrie- und Siedlungsbauten. Die Einfliegehalle beeindruckt mit ihrer über 100 Meter frei tragenden Stahlkonstruktion bis heute – trotz ihres beklagenswerten Zustands. Zeitgenössische Veröffentlichungen zeigen, vermutlich auch aus militärischen Gründen, keine Luftbilder der Gesamtanlage, stattdessen Architekturdetails wie filigrane Fensterprofile und geschwungene Treppenläufe, einprägsam fotografiert aus waghalsigen Blickwinkeln; die „Lehrlinge auf dem Weg zum Sport“, nach Größe angetreten, marschieren in Dreier-Reihen an der Fassade des Rüstungswerks vorbei und harmonieren dabei perfekt mit den Grenadierschichten der Ausfachungen des Stahlskeletts. Egon Eiermanns Verwaltungsbau für die Märkischen Metallbau GmbH in Oranienburg (1939–41) schließlich nimmt mit grazilen Flugdächern auf kubischen Baukörpern jene Formen der gemäßigten Moderne vorweg, die in der Nachkriegszeit als vermeintlich politisch unbelastete „zweite Moderne“ wiederauflebten.







0 Kommentare