Die neue Situation kann auch intensiver sein
Wie funktioniert die Lehre in Corona-Zeiten? Helga Sternkopf, Professorin für Entwerfen und Städtebau an der Jade Hochschule Oldenburg, betreut dieses Semester 100 Studierende aus dem Homeoffice.
Text: Lülfsmann, Ina, Berlin
Die neue Situation kann auch intensiver sein
Wie funktioniert die Lehre in Corona-Zeiten? Helga Sternkopf, Professorin für Entwerfen und Städtebau an der Jade Hochschule Oldenburg, betreut dieses Semester 100 Studierende aus dem Homeoffice.
Text: Lülfsmann, Ina, Berlin
Die Hochschulen sind nun schon seit einigen Wochen geschlossen. Wie reagieren Sie auf die Einschränkungen?
Sternkopf: Zurzeit sieht es so aus, als werde es online weitergehen. Es ist ja erst gestern (15. April, Anm. d. Red.) ein neuer Stand bekanntgegeben worden, aber das niedersächsische Ministerium hat sich noch nicht konkret geäußert. Ich kann im Prinzip entnehmen, dass weiterhin digitales Lernen angesagt ist.
Das stelle ich mir anstrengend vor.
Ja, es ist anders. Ganz klar ziehe ich das normale Unterrichten vor – es bringt mehr Spaß, ich mag auch den direkten Kontakt – die neue Situation ist aber auch interessant, weil man genauer werden muss.
Genauer in der Kommunikation?
Absolut. Dieses Semester betreue ich Master-Kandidaten, dafür ist normalerweise zweimal eine Viertelstunde mündliche Korrektur angedacht. Jetzt läuft es so ab, dass die Studierenden mir die Pläne zuschicken, ich schaue sie mir an, schreibe etwas dazu, bei einigen mache ich auch eine Skizze, ich schicke sie wieder zurück und dann besprechen wir das per Skype oder per Telefon. Für die Studierenden ist es gar nicht so schlecht, weil ich glaube, dass sie mehr Input kriegen. Aber für mich ist es schwieriger, ein Gespür für meine „Lieblingslösung“ zu bekommen. Im Grunde muss der Student mich auch ein bisschen mehr durch seinen Entwurf führen, manche machen dann eine richtige Präsentation. Ich glaube, dass das auch intensiver sein kann.
Bleibt es trotzdem bei der gleichen Korrekturzeit?
Nein, ich brauche jetzt viel Zeit, die Daten zu verwalten, Moodle, eine digitale Lernplattform der Jade Hochschule, stöhnt unter all diesen Lasten. Wir machen auch viel mit WeTransfer, das ist ein bisschen schneller. Aber das Bild ist nicht immer ideal, teilweise muss ich das hochgeladene Material der Studierenden zusätzlich ausdrucken. Das dauert.
Haben Sie eine feste Zeitvorgabe, wie lange Sie für die Korrekturen mit den Studierenden telefonieren dürfen?
Das bleibt, wie bisher, eine Viertelstunde. Ich achte aber nicht immer ganz streng darauf. Es ist ja auch verschieden, wie belastend die Situation für die Studierenden ist. Einige kommen super damit klar, gerade aus den Masterseminaren, während ich bei manchen jüngeren Bachelor-Studierenden merke, dass sich manche gar nicht melden. Das ist für die einen dann vielleicht Freiheit. Einige sind vermutlich auch aufgeregt oder haben einen kranken Opa zu Hause. Man weiß es nicht. Ich sehe auf jeden Fall, dass es durchaus Studierende gibt, die verloren gehen.
Für die Jüngeren ist es wahrscheinlich schwieriger, damit umzugehen, im dritten Semester weiß man oft noch gar nicht richtig, wie so eine Korrektur abläuft.
Da muss man auch erst noch lernen, wie man überhaupt entwirft. Was ich sonst im Gespräch locker erkläre, muss ich jetzt in einer digitalen Vorlesung verpacken. Für das vierte Semester habe ich gerade eine Präsentation hochgeladen, als systematische Arbeitsanweisung: Wie entwerfe ich mit Baulinien, Baugrößen und Volumina. Manchmal habe ich in den Seminaren auch diese Vorlesungen gehalten, aber das ist schon anders.
Gibt es denn eine Zwischenpräsentation?
Da bin ich im Augenblick noch nicht sicher. Theoretisch wäre es möglich. Bei Referaten habe ich es so gemacht, dass ich alle Abgaben bei Moodle hochgeladen habe, für alle zugänglich, mein Feedback ist auch für den Kurs öffentlich. Es ist im Grunde wie die Situation, wenn die Studierenden vortragen und ich kommentiere, da kriegen ja auch alle alles mit. Das könnte ich für die Zwischenpräsentationen in den Entwurfskursen durchaus auch so machen. Aber es ist trotzdem etwas Anderes und ich scheue mich ein bisschen, weil wir vom Ablauf hinterherhinken. Es ist jetzt Mitte April, da wären wir eigentlich weiter.
Gibt es Unterstützung durch die Hochschule?
Wir werden unterstützt, das kann man schon sagen. Gar nicht unbedingt vom Fachbereich – klar die Dekane haben sich auch schon gemeldet, aber wir bekommen direkt von der Hochschule Tipps, zum Beispiel wie man ein Video macht oder Software einrichtet. Die Bibliothek informiert auch viel über ihre digitalen Angebote. Nicht alles ist für mich sinnvoll, bis ich mich da eingearbeitet habe, mache ich lieber einen Telefonanruf und eine Skizze. Und ich weiß auch nicht, ob ein Video so gut ist – die Vorstellung finde ich eher belustigend. Es kann natürlich sein, dass einige Studierende sich getröstet fühlen, aber das habe ich nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass jüngere Kollegen da auch mehr machen. Gerade Vorlesungen sind ein Format, das könnte eigentlich auch über ein Video sehr gut laufen.
Für das Einbinden von Modellen wäre ein Video vielleicht hilfreich.
Ja, dafür wäre es ganz gut. Ich habe aber auch Studierende, die so ein Angebot nicht wahrnehmen können, weil sie kein Internet zu Hause haben. Für die sind die geschlossenen Gebäude der Hochschule ein Problem. Das ist zwar nur selten der Fall, aber es passiert, ich war auch erstaunt. Für viele ist auch ein Problem, dass die Modellbauwerkstätten geschlossen sind. Früher haben wir mit Pappe gebaut, oder man kann vielleicht über SketchUp oder Handskizzen eine räumliche Vorstellung bekommen. Es gibt schon Möglichkeiten, aber ich merke, dass da ein Loch ist. Heute legen die Studierenden mehr Wert auf Ästhetik und handwerkliche Qualität der Arbeitsmodelle.
Vermutlich wird sich zum Ende des Semesters nicht alles wieder normalisiert haben. Wissen Sie schon, wie die Prüfungen und Kolloquien am Ende des Semesters ablaufen?
Einige Prüfungen werden nicht durchgeführt. Zum Beispiel Klausuren, die haben wir abgesagt oder verschoben. Das kann ich jetzt nicht zu einhundert Prozent nachvollziehen, da sitzt man ja weit auseinander. Vielleicht war das aber auch nicht alles zu überblicken, direkt eine Woche nach der Schließung. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Masterprüfungen stattfinden. Es kann ja durchaus sein, dass bis dahin wieder die Möglichkeit besteht, präsent zu sein, mit Abstand. Und soweit ich weiß, ist da auch am Prüfungsrecht gedreht worden, Prüfungen müssen nicht so stattfinden wie bisher, es gibt erweiterte Möglichkeiten. Da hat die Hochschule kräftig reagiert.
Ich habe von einer Studentin aus Münster gehört, dass sie ihr Master-Kolloquium per Video hält.
Ja, Videokolloquien wären auch durchaus möglich. Das steht noch nicht fest. Wir haben die Abgaben um einen Monat nach hinten verschoben, um auf die erschwerten Bedingungen zu reagieren. Vielleicht hat sich bis dahin alles etwas mehr normalisiert. Das war auch Wunsch einiger Studierender. Es müssen aber nicht alle am gleichen Datum abgeben, wie sonst. Wer will, kann auch zum ursprünglichen Termin abgeben.
Dann gibt es ja auch keine Ausstellung der Abschlussarbeiten in der Hochschule.
Wahrscheinlich. Aber wir wissen nicht wie es im Juli aussieht.
Der Anfang dieses Semesters lag noch vor den starken Einschränkungen durch die Corona-Krise, Sie mussten dann die Kurse im laufenden Betrieb umstellen.
Ja. Aber das ist das Gute, finde ich: Wir hatten in allen Seminaren eine Einführung und ich habe alle Studierenden einmal gesehen. Das ist zwar nicht viel, aber doch so, dass die Weichen gestellt worden sind. Ich habe vom Studiendekan gehört, dass 94 Prozent aller Lehrveranstaltungen weiter durchgeführt werden.
Es gibt oft auch praktische Wahlpflichtkurse, die zum Beispiel mit Materialien experimentieren. Die haben dann wahrscheinlich angefangen und mussten abgebrochen werden?
Ja, das sind sieben Veranstaltungen, die werden verschoben.
Das heißt, alle relevanten Kurse werden in irgendeiner Form umgesetzt?
Ja. Es hätte eigentlich Exkursionen nach La Tourette, Rom oder St. Petersburg gegeben, die finden alle nicht statt. Ich habe ein Wahlseminar zum Thema „Bitte mehr Respekt“, das hätte auch eine Exkursion beinhaltet. Da mache ich es so, dass die Referate, die sowieso als Leistungsumfang zum Kurs gehören, bei Moodle hochgeladen werden müssen. Um das inhaltlich ein bisschen aufzufüllen, habe ich Texte hochgeladen und Fragen dazu gestellt – ein bisschen lehrerartig – und die Studierende sollen etwas dazu schreiben – auch eher ungewohnt.
Theoretische Kurse werden oft eher schleppend angenommen.
Genau. Manchmal kommen Beiträge von einzelnen Studierenden, die über das Geforderte hinausgehen und zeigen, dass trotz der Umstände das Interesse und Engagement da ist, das sind dann positive Erlebnisse für mich als Lehrende. Das Seminar war aber anders geplant. Mit richtiger Diskussion.
Sprechen Sie sich mit anderen Professoren ab? Gibt es Videokonferenzen?
Nein. Wir hätten sogar eigentlich ein Treffen auf Langeoog haben sollen mit allen Kollegen des Fachbereichs, das findet nicht statt. Ich habe zu einigen Kollegen Kontakt, aber das ist mehr auf privater Basis.
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Helga Sternkopf ist Architektin und Stadtplanerin und Mitinhaberin des Büros Martens Sternkopf, Rosengarten







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