Geologie der Deep Time
Das britisch-kenianische Team, bestehend aus Kabage Karanja und Stella Mutegi vom Architekturbüro Cave_bureau, dem Kurator Owen Hopkins und der Geografin Kathryn Yusoff, arbeitet sich mit „GBR – Geology of Britannic Repair“ am Großen Afrikanischen Grabenbruch ab, der durch den Osten Afrikas verläuft.
Text: Kafka, George, Athen/London
Geologie der Deep Time
Das britisch-kenianische Team, bestehend aus Kabage Karanja und Stella Mutegi vom Architekturbüro Cave_bureau, dem Kurator Owen Hopkins und der Geografin Kathryn Yusoff, arbeitet sich mit „GBR – Geology of Britannic Repair“ am Großen Afrikanischen Grabenbruch ab, der durch den Osten Afrikas verläuft.
Text: Kafka, George, Athen/London
Im Rahmen der offenen Ausschreibung des British Council für den diesjährigen Britischen Pavillon wurden Vorschläge von britisch-kenianischen Teams erbeten. Wie kam Ihr Team zusammen?
Kabage Karanja Wir hatten schon vor diesem Engagement einzelne Berührungspunkte. Mit Kathryn Yussof haben wir im Louisiana Museum of Modern Art in Kopenhagen zusammengearbeitet, wir haben sie eingeladen, einen Text für unseren Katalog zu schreiben. Wir hatten ihre Arbeit intensiv verfolgt und waren absolut fasziniert von ihren Theorien über Geologie und wie sie die Welt aus dieser Perspektive betrachtet. Owen Hopkins sind wir am Farrell Centre im Rahmen eines recht interessanten Panels begegnet. Wir kannten uns also in gewisser Weise, aber haben zum ersten Mal als Gruppe eine kuratorische Arbeit in dieser Größenordnung realisiert.
Weshalb dieser Fokus auf Geologie in einer Architekturveranstaltung? Was können wir heute von geologischen Denkansätzen lernen?
Kathryn Yusoff Meine Texte und die Praxis von Cave_bureau verbindet das Interesse an geologischen Strukturen der „Deep Time“, einer Milliarden von Jahren zurückliegenden Ära. Bei diesem Projekt denken wir darüber nach, wie das Gebaute tatsächlich „geerdet“, also mit der Erde verbunden ist. Wir verknüpfen alles, was ein Gebäude trägt, mit den Vorstellungen von Erde und Geographie, die sowohl der britische Pavillon als auch die Biennale von Venedig ins Spiel bringen. Das sind sehr bestimmte Vorstellung von der Weltund ihrer Zukunft. Wir haben überlegt, wie wir diese Vorstellung mit dem Boden in Beziehung setzen können, auf dem die Menschheit oft herumtrampelt oder den sie ausbeutet.
Wenn ich Sie richtig verstehe, sagen Sie, dass es eine besondere Notwendigkeit gibt, diese Ideen im britischen Pavillon und in Venedig zu untersuchen. Können Sie das näher erläutern?
Kathryn Yusoff Das ganze Biennale-Format entstand im kolonialen Kontext, um die Welt auszustellen. Uns interessiert, wer die Welt ausstellen darf. Wie gehen wir mit dem kolonialen Blick und seinen Auswirkungen auf die Kolonisierten um, auf all die traditionellen Praktiken, die platt gemacht wurden? Ein Großteil der Arbeiten im Pavillon beschäftigt sich mit Praktiken des Widerstands.
Können Sie mir etwas darüber erzählen, was wir im Pavillon sehen werden?
Stella Mutegi Eine der Installationen ist ein Perlenvorhang, der den gesamten Pavillon umspannt. Die Perlen wurden von Massai-Frauen mit der Technik hergestellt, die sie für Manyat-tas – traditionelle Häuser – verwenden. Dabei wird Ton zu Perlen geformt, die wir dann aufgereiht und um den Pavillons aufgehängt haben.
Owen Hopkins Den ersten Raum nennen wir den Earth Compass (Erdkompass). An den Wänden hängen 256 Halbkugeln – eine für jedes Land oder Territorium – die entsprechend der Lage des jeweiligen Landes in Bezug auf Vene-dig positioniert sind. Die Höhe einer jeden Halbkugel entspricht den kumulierten CO2-Emissionen des entsprechenden Landes. Die Länder mit den niedrigsten Emissionen befinden sich ganz oben, die Länder mit den höchsten ganz unten. Die Klimakatastrophe wird als globales Phänomen wahrgenommen, was sie natürlich auch ist, aber gleichzeitig wird durch die CO2-Fußabdrücke die Dominanz der westlichen, letztlich imperialistischen Länder sichtbar.
Kabage Karanja Raum zwei ist der Rift Room (Grabenraum). Es ist uns gelungen, den Putz von den Wänden des Pavillons zu entfernen, sodass die „Geologie“ des Pavillons sichtbar wird, seine Ziegelstruktur. Dann haben wir ein Archipel aus verschiedenen Ziegeln, die sowohl aus Kenia als aus Großbritannien stammen. An einem Ende des Raumes befindet sich eine große Karte Afrikas, auf der der Große Afrikanische Grabenbruch hervorgehoben ist und die Orte zeigt, an denen noch immer Ausbeutung und Konflikte herrschen. In der Mitte des Raumes steht ein Bronzemodell der Höhle des Parlaments der Paviane.
Stella Mutegi In Raum drei ist das Palestine Regeneration Team/PART mit einer Arbeit über Gaza zu sehen, bei der Trümmer verwendet werden, um einige der dortigen Probleme zu thematisieren. In Raum vier ist ein Teil der Webarbeiten von Cave_bureau aus dem Louisiana Museum zu sehen, die sich ebenfalls mit traditionellen Bauweisen, insbesondere der Kagome-Webtechnik, beschäftigen. Dann haben wir Thandie Loewenson in Raum fünf mit einer Hommage an Patrice Lumumba und die African Space Station. Und schließlich gibt es noch einen Raum, der in Zusammenarbeit mit Mae-Ling Lokko und Gustavo Crembil entstanden ist.
Owen Hopkins Ihr Werk heißt Vena Cava und ihr Ausgangspunkt ist das Palmenhaus in den Kew Gardens. Sie haben sich damit beschäftigt, wie es zu einem der Ursprünge der modernen Be-wegung oder des modernen Denkens über den Raum geworden ist. Und dafür, wie die Umwelt-bedingungen im Inneren durch fossile Brennstoffe und deren Abbau reguliert werden. Sie haben das Palmenhaus als eine Holzkonstruktion neu entworfen, die aus einer Reihe von Kacheln besteht, für die hauptsächlich Abfallmaterial verwendet wurde.
Welche Idee sollte ein Architekt oder eine Architektin aus der Ausstellung mitnehmen?
Kathryn Yusoff Für mich ist das ganz einfach: Es geht darum, eine neue Grundlage zu schaffen, den Boden der architektonischen Debatte zu verändern und Architektur als eine Praxis zu betrachten, die mit dem Planeten verbunden ist.
Kabage Karanja Ich glaube, dass wir als Architekturschaffende räumliche Wesen sind. Wir denken in Räumen und in der Wiedergabe von Räumen. Deshalb hoffen wir, dass es diese räumliche Verbindung mit den Architekten gibt, die kommen werden, dass wir die gleiche Spra-che sprechen können, wenn es um geologische Auswirkungen geht und darum, wie wir mit der Erde denken können, anstatt sie auszubeuten.
Owen Hopkins Die Ausstellung hat eine positive Botschaft. Sie scheut sich nicht, die historischen und aktuellen Traumata der Kolonialisierung zu thematisieren, aber gleichzeitig will sie eine positive Vision dessen vermitteln, was Architektur sein könnte. Das bedeutet, dass die Architektur, wie sie verstanden und praktiziert wird, grundlegend überdacht und auf eine ganz andere Art und Weise wieder aufgebaut werden muss.
Stella Mutegi Die meisten Besucherinnen der Biennale sind Schulkinder – die zukünftigen Generationen, die mit einigen der Dinge umgehen müssen, die wir jetzt entscheiden. Ich hoffe, dass wir so etwas wie einen Samen pflanzen, der ihnen hilft, mit der Erde zu leben.
Owen Hopkins ist Direktor des Farrell Centre an der Universität Newcastle. Zuvor war er Senior Curator of Exhibitions and Education am Sir John Soane’s Museum und Architecture Programme Curator an der Royal Academy of Arts. Außerdem ist er Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Zeitschriften, darunter zuletzt „Towards Another Architecture: New Visions for the 21st Century“.
Kabage Karanja ist Architekt, Mitbegründer und Direktor von Cave_bureau, einem Architektur- und Forschungsbüro mit Sitz in Nairobi, das er 2014 zusammen mit Stella Mutegi gründete. Er leitet die Forschung und die ästhetische Ausrichtung des Büros und ist derzeit Louis I. Kahn-Gastprofessor für Architekturdesign an der Yale School of Architecture.
Kathryn Yusoff ist Professorin für In/Humangeographie an der Queen Mary University of London. Ihre preisgekrönte (Association of American Geographers, 2021) transdisziplinäre Forschung befasst sich mit dem kolonialen Nachleben von Geologie und Rasse, kritischen Umweltstudien und den Geisteswissenschaften. Sie ist Autorin von „Gelogic Life“ und „A Billion Black Anthropocenes or None“.
Stella Mutegi ist Architektin, Mitbegründerin und Direktorin von Cave_bureau. Sie leitet die technische Abteilung bei Cave, wo sie die Ideen in gebaute Form überführt. Derzeit ist sie Louis I. Kahn-Gastprofessorin für Architekturdesign an der Yale School of Architecture.
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