Bauwelt

Wüstes Aufblühen

Pandemiebedingt verspätet, empfängt die Expo 2020 Dubai seit Oktober ihre Besucher. Kann uns das Format einer Weltausstellung noch irgendetwas sagen?

Text: Brensing, Christian, Berlin

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348 Hektar am Rande der Wüste mit Metro-Anschluss: das Dubaier Weltausstellungsgelände.
Foto: Dany Eid/Expo 2020 Dubai

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348 Hektar am Rande der Wüste mit Metro-Anschluss: das Dubaier Weltausstellungsgelände.

Foto: Dany Eid/Expo 2020 Dubai


Wüstes Aufblühen

Pandemiebedingt verspätet, empfängt die Expo 2020 Dubai seit Oktober ihre Besucher. Kann uns das Format einer Weltausstellung noch irgendetwas sagen?

Text: Brensing, Christian, Berlin

Dass es mit unserem Planeten Erde nicht zum Besten steht, dürfte inzwischen im Bewusstsein von großen Teilen der Weltbevölkerung angekommen sein. Ebenso bekannt ist, dass Dubai (noch) nicht zu den Hotspots weltweiter Nachhaltigkeit zählt. Vielleicht gerade deswegen hat sich die erste Weltausstellung in einem arabischen Land die ökologische Belehrung und Bekehrung auf die Fahnen geschrieben. Denn bis 2050 soll Dubai nach dem Willen des Vize-Präsidenten und Premierministers der Vereinigten Arabischen Emirate und des Machthabers von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, klimaneutral sein. Die Expo 2020 Dubai könnte demnach als ein erster medienwirksamer Schritt in diese Richtung auf­gefasst werden. Unter dem Motto „Connecting minds, Creating the future“ appelliert die Weltausstellung im Sinn einer optimistischen Fortschrittsgläubigkeit an unser aller Gewissen zum respektvollen Umgang mit Mutter Erde. Wie es genau im Verständnis der 192 teilnehmenden Nationen da­rum steht, lässt sich bis zum 31. März kommenden Jahres in der Wüste, 37 Kilometer südwestlich vom Stadtzentrum, auf 348 Hektar (mehr als doppelt so groß wie das Expo Gelände in Mailand 2015) in Augenschein nehmen.
Mit der Metro gelangt man innerhalb kürzester Zeit auf das Expo-Gelände, dem künftigen Stadtteil „District 2020“. Nach der Expo, in der „Legacy-Phase“ (Vermächtnis-Phase), soll das Areal zu einem lebendig-kreativen Quartier für 90.000 Einwohner werden. Premium-Sponsoren der Veranstaltung wie zum Beispiel Siemens stehen schon in den Startlöchern, um dort ihre Firmenpräsenzen für den Mittleren Osten auszubauen. 80 Prozent der Bauprojekte – einschließlich der Expo-Pavillons – sollen nachgenutzt werden. Aber Vorsicht: Dass nicht alles blüht, was auf Wüstensand gebaut ist, lässt sich beim Besuch von Masdar City, dem 2006 begonnenen Prestige-Projekt der Nachbarstadt Abu Dhabi, unschwer erkennen. Als internationaler Ökostadtteil von Foster + Partners geplant, gleicht die zu circa fünf Prozent fertiggestellte „City“ gegenwärtig eher einem verlassenen Wüstendorf. Ein ähnliches Schicksal für die Nachnutzung der Weltausstellung in Dubai ist indes nicht zu vermuten.
Über die Maßen groß, farbenfroh und lautstark ködert die Expo 2020 als Mega-Marketing-Ereignis allerersten Ranges auf allen Medien-Kanälen die Besucher. 25 Millionen werden erwartet! Auch hier, wie in allen anderen Belangen rund um Dubai und seine Weltausstellung, gelten die Maxime des Superlativs. Diese Art von „Dubai-Speak“ klingt allerdings nicht unbekannt. Ist nicht die Stadt Dubai selbst schon eine grob aus den Fugen geratene Weltausstellung?
Bei allem Rummel: Was ist die architektonische „Legacy“ dieser Weltausstellung? Der von HOK Architects aus London erstellte Masterplan gruppiert drei Themendistrikte zu Mobility, Sustainability und Opportunity wie ein dreiblättriges Kleeblatt um die zentrale Al Wasl Plaza (al wasl = Verbindung) mit der darüber befindlichen Kuppel von 70 Meter Höhe und 150 Meter Durchmesser (Adrian Smith + Gordon Gill Architecture, Chicago). Jeder Distrikt wird von einem eigenen Themenpavillon beherrscht: Mobility entwarfen Foster + Partners, London; Sustainability geht auf Grimshaw Architects, London, zurück, der Opportunity-Pavillon stammt von AGI Architects, Madrid/Kuwait. Der deutsche Pavillon, „Campus Germany“ betitelt, liegt strategisch gut in Sichtweite der Al Wasl Plaza und des schneeweißen Pavillons der Vereinigten Arabischen Emirate von Santiago Cala­trava, der einen fliegenden Falken stilisiert.
Wo das Gastgeberland metaphorisch federspreizend auftritt, gibt sich der Campus-Germany-Entwurf von LAVA Architekten, Berlin/Stuttgart hinter einer silbrig-grau-gläsernen Fassade betont sachlich nüchtern (Tragwerk: sbp-schlaich bergermann und partner; Klimakonzept: Transsolar, beide Stuttgart). Auch das Innere ist funktional ausgerichtet; in drei sogenannten Labs können Besucher interaktiv miteinander und mit einzelnen Exponaten zu den drei Themenblöcken Energie, Biodiversität und Zukunft der Städte kommunizieren. Ein Atrium verbindet alle Ausstellungsebenen vom Auditorium im Erdgeschoss bis hinauf in die über 20 Meter hohe Dachkonstruktion. Tobias Wallisser von LAVA Architekten nennt den Pavillon eine „Event-Maschine“. Campus Germany wurde von der Koelnmesse GmbH organisiert, der Medienagentur facts and fiction (Köln) in Szene gesetzt und von NÜSSLI Adunic AG (Hüttwilen, Schweiz) gebaut. Als gleichsam stiller Erfüllungsgehilfe spielt die Architektur eine untergeordnete Rolle; die Architekten waren nicht Partner der ARGE Deutscher Pavillion EXPO 2020 Dubai GbR.
Der Deutsche Pavillon ist mit 4800 Quadratmetern einer der größten Länderpavillons. Während „Campus Germany“ sich mit dezent auf- und erklärenden Botschaften zum Klimawandel an seine Besucher wendet, hat die Mehrzahl der Länderpavillons ganz andere, viel simplere Botschaften. Frankreich zum Beispiel trumpft visuell mit einem Tag wie Nacht perfekt inszenierten Showstück auf (Clément Blanchet Architecture und Etienne Tricaud, AREP). Dessen eindeutiger Höhepunkt ist nicht die heterogene Ansammlung von Exponaten, sondern das kulinarisch-kommerzielle Auffangbecken für erschöpfte, hungrige oder schlichtweg gelangweilte Besucher. Österreich hält es da bescheidener. In der begehbaren „Skulptur“ aus Stahlbeton und Lehm (querkraft architekten, Wien) mit ihren nach innen geneigten, runden Wände kann fast nichts ausgestellt werden, aber zumindest reicht es für ein gekühltes Stück Sachertorte und einen Mokka.
Zuletzt eine Anregung für künftige deutsche Expo-Pavillon-Organisatoren und -Entwerfer. Dass Weltausstellungen ihren einstigen Sinn und Zweck verloren haben, wurde schon vielfach angemerkt. Ein Ort für ausgeklügelte Didaktik sind die Länderpavillons auch nicht mehr. Vielleicht sollte man sich ein paar Tipps von den in Dubai massenhaft ansässigen deutschen Influencern holen, um künftige deutsche Pavillons publikumswirksam (Instagramable!) aufzurüsten. Welche Rolle die Architektur dabei spielen wird, muss dann neu verhandelt werden.

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