Bauwelt

Rudolf Stingel

Werkschau des konzeptuellen Malers in der Fondation Beyeler

Text: Drewes, Frank F., Berlin

Bild 1 von 5
  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Frank F. Drewes

    • Social Media Items Social Media Items

    Foto: Frank F. Drewes

Rudolf Stingel

Werkschau des konzeptuellen Malers in der Fondation Beyeler

Text: Drewes, Frank F., Berlin

Eine erstklassige Museumsarchitektur ist noch kein Garant für gute Kunst, wie auch ein solides Budget nicht automatisch in sehenswerte Ausstellungen mündet. Viel wichtiger ist ein Kurator, der mit Wissen und Fantasie ausgestattet, aus jeglichen Rahmenbedingungen etwas Besonderes schaffen kann. Die Rudolf Stingel Werkschau in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel schöpft in dieser Hinsicht aus dem Vollen. Der Bau von Renzo Piano bietet einen idealtypischen Rahmen, das Budget ist immer äußerst solide und mit Udo Kittelmann wurde ein Gastkurator betraut, der als Stingel-Spezialist gilt. Das Spektrum des Œuvres Stingels bietet perfekte Voraussetzungen, denn die Werkgruppen changieren zwischen monumental und filigran, von Abstraktion bis zu Fotorealismus, von starker Farbigkeit bis zu farbloser Monochromie. Und auch die Materialität spannt diesen extremen Bogen von "billigen" Baumarktprodukten wie Styropor, Celotex-Dämmplatten und Teppichen bis zu aufwändiger Malerei in Öl und Emaille oder auch galvanogeformtem Kupfer und Gussbronze.
Ein grundlegendes und verbindendes Element aller Stingel-Arbeiten ist das Malerische und die Präsenz von Spuren, denn es handelt sich niemals um reine Repräsentationen eines Sujets in höchster Präzision. Fotorealistische Selbstportraits tragen beispielsweise die Alterungs- und Gebrauchsspuren der Fotos, die als Vorlage dienten. Eine üppige Blumenwiese entpuppt sich anhand der gemalten Risse als detailgetreue Wiedergabe einer historischen Malerei. Ölgemälde können tagelang auf dem Atelierboden ausgelegt werden, um wahrhaftige Spuren anzusammeln.
Innenarchitektonische Relevanz ist ein Spezifikum von Stingel-Ausstellungen, da seine Werke nicht nur auf Wänden gezeigt werden, sondern Wände repräsentieren können. Ein extremes Beispiel hierfür war die Solo Show im Palazzo Grassi in Venedig (2013), wo sämtliche Böden und Wände mit Teppichen beklebt waren. Dabei handelte es sich um Auslegware mit repetitiven Aufdrucken von Perser-Teppichen. 2010 legte Stingel in Berlin das gesamte Erdgeschoß der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe mit Teppichen aus und hängte einen gewaltigen Kronleuchter von der Decke ab. Auch das wandfüllende Aufbringen von Celotex-Dämmplatten ist ein wiederkehrendes Thema in Stingels Ausstellungen. Hier kann sich jeder Besucher selbst verewigen, was zu einem flächendeckenden Ornament im Stile einer öffentlichen Toilettenwand gerät. In galvanogeformtes Kupfer übertragen und vernickelt (oder auch vergoldet) werden Ausschnitte aus diesen Readymades wiederum zu hochpreisigen Unikaten.
Für die Werkschau in der Fondation Beyeler ließ Stingel - in starker Vergrößerung und in Schwarz-Weiß - das Motiv eines persischen Sarugh-Teppichs auf Auslegware drucken, womit ein ganzer Raum ausgekleidet wurde und einen Kabinett-Charakter erhielt. Diese Teppiche können für sich stehen, als räumliche Aussage, aber auch als Hintergrund für ein fotorealistisches Portrait oder einen abstrakten Bronzeabguss, der an ein erodiertes Flussbett erinnert. Ein weiterer Raum weist eine gänzlich mit einem leuchtenden orangefarbenen Spannteppich belegte Wand auf. Hier dürfen die Besucher wiederum vergängliche Spuren hinterlassen, denn jeder kann die Schöpfungen seines Vorgängers wieder verwischen und neu belegen. Die Spuren in den Celotex-Dämmplatten hingegen sind permanent und können lediglich ergänzt werden. Der letzte Raum der Ausstellung ist komplett mit Wandteppichen und Celotex ausgekleidet und enthält in der Mitte einen riesigen, ebenfalls mit Dämmplatten belegten Tisch, auf dem stapelweise Ausstellungskataloge ausgebreitet sind. Dieser luxuriöse Band ist ein Fest für die Augen und die Sinne und lädt zum völligen Entspannen ein, denn er enthält konsequent nur Abbildungen - viele in situ, aber nicht aus der aktuellen Ausstellung - und keinerlei Text, nicht mal ein Inhaltsverzeichnis oder Register.


0 Kommentare


loading
x
loading

11.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.