Peter Kulka (1937–2024)
Nachruf auf den am 5. Februar 2024 im Alter von 86 Jahren verstorbenen Architekten und Hochschullehrer
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Peter Kulka (1937–2024)
Nachruf auf den am 5. Februar 2024 im Alter von 86 Jahren verstorbenen Architekten und Hochschullehrer
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Vor zehn Jahren gingen wir den Fußweg vom Hauptbahnhof über die Lange Brücke und den Alten Markt zu „seinem Schloss“. Die Stimmung von Peter Kulka ist wie so oft sehr gelöst, es wird auch ein wenig gelästert über dies und das – so wie man ihn kennt. Eigentlich wollte er kein Potsdamer Stadtschloss nachbauen. Er war strikt dagegen, aber die Umstände führten dazu, dass - nach einem ÖPP-Verfahren 2007 - die historisch nahezu korrekte Knobelsdorff-Fassade verlangt wurde. SAP-Gründer und Mäzen Hasso Plattner hatte dafür, nach einer Abstimmung in der Stadt, unerwartet 20 Millionen Euro gestiftet. So war Kulkas sicherlich schwierigstes Projekt Schloss mit Brandenburger Landtag ein großer Kompromiss, den man sich eigentlich bei ihm nicht vorstellen konnte. Seine Entscheidung nicht auszusteigen, sondern wie gewünscht in einer „möglichst originalgetreuen Annäherung“ mit Friderizianischem Rokoko zu arbeiten, musste er immer wieder neu verteidigen: „Die Menschen sind verrückt nach solchen Bildern“.
Nach dem Durchschreiten des Fortunaportals in den Innenhof wechselte die Stimmung von Peter Kulka abrupt. Er war entsetzt über ein weißes Zelt, das für die Eröffnungsfeierlichkeiten dort platziert worden war. Gleich am Eingang zur Pressekonferenz machte er vor der Brandenburgischen Politprominenz lautstark seinem Ärger Luft und rief in den Saal „Das geht so nicht!“. Bald darauf lächelte er wieder, aber der große, aufbrausende, fast theatralische Auftritt war gelungen. Es war nicht der erste Protest in Potsdam – er beschwerte sich öfters über den mangelnden Austausch mit dem Architekten. Das Projekt war für ihn ein „großer Akt des Leidens“. Erbost, dann wieder zuvorkommend, wortstark mit pointierten Bemerkungen: Kulka war immer offen und direkt, so bleibt er auch aus vielen Sitzungen als Fachpreisrichter in Erinnerung.
Beim Rundgang durch das Landtagsgebäude zeigt sich dann Kulkas Architektur, da innen weder räumlich noch gestalterisch fast nichts an das Schloss erinnert, auch der Plenarsaal in weiß mit roten Sitzpolstern und rundem Oberlicht. Nur beim großen Treppenhaus am Eingang gibt es Bezüge zu früher aber ohne die ursprüngliche Ausstattung. Statt des reichen Zierrats ist alles schlicht. Kulkas nennt ihn einen „transformatorischen Raum“ (Bauwelt 11.2014). Auf die Frage, was der Bau für das Zentrum Potsdams bedeutet, antwortete er: „Das Gebäude ist eine Initialzündung im Guten wie im Bösen“. Mit dem Bösen meinte er den Abriss der Fachhochschule nebenan aus den 1970er Jahren. Damit war er überhaupt nicht einverstanden: „Stadt ist Leben“ rief der den Verantwortlichen in Potsdam zu, jetzt sind die Studierenden vom Alten Markt verschwunden.
Als siebenjähriger Junge erlebte Peter Kulka 1945 die Bombenangriffe auf Dresden, die Zerstörung seiner Heimatstadt. Die schrecklichen Erlebnisse blieben ein Trauma. Mit 14 Jahren begann er eine Maurerlehre, es folgte ein Ingenieurstudium, das er 1958 abschloss. Zum Architekturstudium ging der Architektensohn nach Berlin, an die Kunsthochschule Weißensee zu Selman Selmanagić. Nach einer kurzen Zeit bei Hermann Henselmann gelang ihm 1965 die Flucht aus der DDR. Es folgte bis 1968 eine Anstellung im Büro von Hans Scharoun in West-Berlin, das zu der Zeit an der Staatsbibliothek arbeitete. Dann ging es über Bielefeld nach Köln. Nach einer Zusammenarbeit mit Hans Schilling gründete er in Köln sein eigenes Büro und baute in den 1980er Jahren neben Schillings Kirche von 1964 der Benediktinerabtei Königsmünster bei Meschede ein Ensemble aus Wohnhaus, Kapelle, Rundpavillon und überdachten Wegen.
Als Dresdener war es für ihn kurz nach 1989 ein großes Geschenk, den Wettbewerb für den Neubau des sächsischen Landtagsgebäudes zu gewinnen. Er eröffnete kurz darauf in Dresden sein zweites Büro und beendete seine Professur an der RWTH Aachen. Seit 2019 arbeitet sein Büro an der Erweiterung des Landtags. In Dresden hat er sich viele Jahre mit dem Ausbau und der Ergänzung des Residenzschlosses befasst, dazu gehörten mehrere Ausstellungssäle, u.a. die „Türkische Cammer“ für die osmanisch-orientalische Sammlung, und die Überdachung eines Schlosshofs. Zuvor sanierte und baute er das Hygiene-Museum von Wilhelm Kreis um.
2001 folgte für ein Haus der Stille die Rückkehr Kulkas zu den Anfängen, zum Kloster bei Meschede. In Berlin baute er 2003 den kleinen Werner-Otto-Saal ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt von Schinkel (Bauwelt 16.2003). Besonders hervorzuheben ist 2004 die Erweiterung in den Park von Haus Heidehof der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart mit großer Eigenständigkeit aber auch großem Respekt vor dem Altbau (Bauwelt 4.2005). In Leipzig baute er 2013 den Bayerischen Bahnhof (Bauwelt 6.2014), in Freiburg entstand 2014 das UWC Robert Bosch College, zwölf einzelne, zueinander verdrehte Würfelhäuser am Hang (Bauwelt 46.2015).
Wem seine Blöcke zu streng waren, sagte er: „Ich kann gut mit Schuhkartons umgehen“ – so sind sie alle auch immer durchdacht, mit Feinheiten bedacht und daher nie nur ganz eckig. Unvergessen bleibt 2007 der Besuch seiner Hauptfeuerwache in Heidelberg, eine Komposition von Blöcken mit weit auskragendem, von V-Stützen getragenen Obergeschoss. Das Staunen der Feuerwehrmänner über ihre Sporthalle und Ballspielfelder, beide offen hoch oben zwischen den Stützen, war groß. Damals eine neue Idee (Bauwelt 3.2008).
Kulka war lange Zeit mit Köln eng verbunden. Er mochte die Stimmung in der Stadt, die Lebendigkeit und Toleranz. Doch vor einigen Jahren hat er sein Büro dort geschlossen und ist ganz nach Dresden zurückgekehrt. Er sei mit Dresden verheiratet sagte er einmal. Mit der Entscheidung für den Wiederaufbau der Frauenkirche hat es sich schwergetan. 2002 sagte er dann: „Aber wenn ich sie jetzt im Stadtbild sehe, bin ich bezaubert von ihr. Ich lerne“.
Bereits seit 2012 ist seine Tochter Katrin Leers-Kulka in der Geschäftsführung des Büros Peter Kulka Architektur, das nun von ihr weitergeleitet wird. Sein eigenes Wohn- und Atelierhaus in Sichtbeton wurde 2015 fertig. Es steht nicht an einem der schönen Präsentierteller der Stadt, sondern am Bahnhof, für Kulka „in der Bronx von Dresden“. Im Erdgeschoss ein offener Atelierraum, links vom Eingang eine kleine Dusche für den Hund, darüber zwei Geschosse für ihn und zwei Geschosse mit zusätzlichem Terrassengeschoss für die Familie der Adoptivtochter mit jeweils einem großen, geschossübergreifenden Fenster zur Straße.
In Erinnerung bleibt auch der gemeinsame Besuch seines Erweiterungsbaus für das Hoesch-Museum in Düren (Bauwelt 44.2009). Er war damals noch nicht ganz fertig, so trafen wir uns im Baubüro und Kulka skizzierte - der Auftrag war kurz zuvor erteilt worden - etwas amüsiert den Schnitt und den Grundriss vom Potsdamer Kompromiss-Schloss mit verkleinertem Innenhof, da mehr Büros in den Seitenflügeln untergebracht werden mussten, die zudem wegen eines zusätzlichen Geschosses Fenster in die Attika geschnitten bekamen. Das Museum in Düren ist hingegen ein typischer Kulka mit Ecken und Kanten. Alt und neu nebeneinander in unmissverständlicher Klarheit und Stringenz. Dazu ein weit herausgeschobener Schaufenster-Erker mit Blick auf die Kirche St. Anna von Rudolf Schwarz, wie Kulkas Neubau ein großer geschlossener Block – aber aus Trümmersteinen der alten Kirche. Düren wurde drei Monate vor Dresden fast vollständig durch Bomben zerstört. Am 5. Februar ist Peter Kulka in seiner Heimatstadt gestorben.
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