Leistungsschau Hochschule
HfG Ulm: Ausstellungsfieber
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Leistungsschau Hochschule
HfG Ulm: Ausstellungsfieber
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Gern wird die Hochschule für Gestaltung Ulm, kurz HfG, als legitime Nachfolgerin des Bauhauses bezeichnet. Und in der Tat gibt es einige Parallelen. Beide Institutionen bestanden jeweils nur für eine Handvoll Jahre: das Bauhaus zwischen 1919 und der Selbstauflösung im Juli 1933, die HfG nach ihrer Gründung 1953 bis zum Jahresende 1968. Beide Male war die Schließung politisch bedingt: Das NS-Regime kannte keine Gnade mit dem Bauhaus, das Bundesland Baden-Württemberg sperrte der HfG den überlebensnotwenigen finanziellen Zuschuss. Beide Schulen postulierten innovative Ansätze in ihrer Lehre und entfachten trotz widriger Existenzbedingungen eine große Wirkung, die aber nur zum Teil durch ihre pädagogischen und inhaltlichen Leistungen zu begründen gewesen wäre. Denn beide Schulen waren auch Meister ihrer institutionellen Selbstdarstellung und zogen dabei viele Register modernen Marketings. Ein wichtiges Mittel wurde die Ausstellung von vorbildhaften Arbeiten der Dozent:innen und Studierenden: Leistungsschauen der Selbstvergewisserung, die Zweifel beseitigen und weitere Förderer oder Geldgeber gewinnen sollten.
Unter dem Druck politisch konservativer Kräfte in Weimar hatten Gropius und der Meisterrat für den Sommer 1923 eine derartige Überblicksschau mit einer eröffnenden „Bauhauswoche“ beschlossen, die im Vorfeld mit einem 20teiligen Postkartensatz von sechs Meistern und acht Schüler:innen beworben wurde. Der ab Herbst zu besichtigende Reklamebau, das Musterwohnhaus Am Horn mit seiner kompletten Ausstattung durch die Bauhauswerkstätten, sorgte dann zwar für internationales Aufsehen. Aber eigentlich war er zu früh und mit heißer Nadel realisiert, da der reguläre Lehrbetrieb, dem etwa eine Architekturabteilung ja noch fehlte, derartige Resultate gar nicht zu liefern im Stande gewesen wäre.
Die HfG Ulm musste sogar einen Kaltstart hinlegen. Sie hatte 1953 in Räumen der Ulmer Volkshochschule mit dem Unterricht von 19 Studierenden begonnen, konnte sich aber erst ab Herbst 1955, mit dem Bezug des Neubaus von Max Bill am Ulmer Kuhberg, als eigenständige Hochschule auch nach außen darstellen. Gleichwohl wurde eine Eröffnungsausstellung verlangt, die einerseits die Nähe zu pädagogischen Konzepten des Bauhauses dokumentieren sollte – immerhin hielt Walter Gropius die Eröffnungsrede – andererseits mit einer eigenen Designauffassung, die wissenschaftliche Erkenntnisse und internationale Normierungen als Basis systematischer Produktgestaltung vertrat, bereits die Emanzipation von jeglich subjektiv künstlerischem Entwurfsverständnis, also auch dem Bauhaus, vollzog.
Diese erste Ausstellung entfesselte einen wahren Reigen folgender, etwa Diplom-Präsentationen oder die „Mensa-Ausstellung“ 1958 mit über 100 Tafeln, die sogar der Tagesschau einen ausführlichen Bericht Wert war. Auch externe Kunden wussten da bereits die Dienste der HfG zu schätzen. Max Bill entwarf 1955 einen offenen Holzpavillon für die Stadt Ulm auf der Landesausstellung Baden-Württemberg, schon 1954 war sein interner Kontrahent Otl Aicher mit einem simplen System aus Stahlquadratrohren und abgependelter Beleuchtung für die Wanderausstellung „Gutes Spielzeug“ des Ulmer Stadtmuseums in Erscheinung getreten. Messestände für die Firma Braun, aber auch ein kompletter Outdoor-Pavillon für ihren Auftritt auf der Rundfunkmesse in Frankfurt 1959 folgten – das Messewesen boomte im deutschen Wirtschaftswunder.
Wenig verwunderlich, dass die Ausstellungsgestaltung und die Entwicklung von Ausstellungssystemen Einzug in den Lehrplan der HfG hielten. Studien-und Diplomarbeiten, oft mit direktem Auftragsbezug, versuchten sich, etwa Hans Roericht mit leichten und kostengünstigen Pappkonstruktionen. Susanne Eppinger-Curdes dachte gleich das Transportsystem mit, Sigrid Ramstein konzipierte eine Spirale aus Faltwänden, andere nutzten das fertige Merosystem. In manch Entwurf geriet das Präsentationsdisplay dann allerdings zu dominant, wie der externe Diplom-Gutachter Herbert Pée 1966 anmerkte.
Ausstellungen und Beteiligungen in eigener Sache lesen sich ebenso weltläufig wie die Nationen der Studierenden und Dozent:innen der HfG: 1956 im Museu de Arte Moderne in Rio de Janeiro, 1960 auf der XII Triennale in Mailand, 1964 in der Neuen Sammlung in München, 1965 im Stedelijk Museum in Amsterdam und als Höhepunkt sicherlich 1967 die Expo in Montreal mit 50 Millionen Besucher:innen – ein Jahr vor dem Ende der HfG! Das Ausstellungsfieber der Nachkriegsjahre, in dessen Zentrum sich die Ulmer Schule wie wohl keine zweite deutsche Hochschule selbst verortete, rekapituliert nun eine werkstatthafte Ausstellung des HfG-Archivs in den ehemaligen Räumen der Weberei im Bauhaus Dessau. Sie war ja 1923 maßgeblich am Erfolg der Weimarer Bauhaus-Ausstellung beteiligt.
HfG Ulm: Ausstellungsfieber, bis 6. März, Bauhausgebäude Dessau, Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau, Mittwoch bis Sonntag 10-17 Uhr
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