Bauwelt

Klassisch amerikanisch

US-amerikanische Bundesbauten müssen seit einer Executive Order von Donald Trump in Zukunft einem „klassischen“ Stil folgen. Wird der neue Präsident Joe Biden die Verordnung aufheben?

Text: Bernau, Nikolaus, Berlin

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Der 1200 Quadratmeter große Tennispavillon wurde 2020 fertiggestellt. Er hat ein Kupferdach und ist mit Kalkstein verkleidet. Das Projekt wurde durch private Spenden finanziert.
Foto: White House/Wikimedia Commons

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Der 1200 Quadratmeter große Tennispavillon wurde 2020 fertiggestellt. Er hat ein Kupferdach und ist mit Kalkstein verkleidet. Das Projekt wurde durch private Spenden finanziert.

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Klassisch amerikanisch

US-amerikanische Bundesbauten müssen seit einer Executive Order von Donald Trump in Zukunft einem „klassischen“ Stil folgen. Wird der neue Präsident Joe Biden die Verordnung aufheben?

Text: Bernau, Nikolaus, Berlin

Wenigstens einer der vielen Beschlüsse Donald Trumps dürfte einigen Bestand haben: Die im Februar 2020 geforderte und am 22. Dezember desselben Jahres in einer Executive Order fixierte Presidential Order, dass Bauten der amerikanischen Bundesregierung in Washington D.C. künftig, um ihre „Schönheit“ zu garantieren, „classical“ erscheinen sollen. Für den neuen Präsidenten Joe Biden haben Covid-19, die Beruhigung inneramerikanischer Konflikte, die Restaurierung der Nato und das Verhältnis zu Russland und China natürlich Vorrang als diese Executive Order.
Das von Trump im Wahlkampf 2016 angekündigte, aber seiner Unfähigkeit wegen überparteilich zu agieren, niemals umgesetzte Infrastruktur-Bauprogramm der Regierung will Biden so schnell wie möglich in die Realität umsetzen. Pete Buttigieg wurde erst vor zwei Wochen als neuer Verkehrsminister vom Senat bestätigt. Seit den Zeiten Ronald Reagans wurde die Instandhaltung der seit dem späten 19. Jahrhundert aufgebauten technischen und baulichen Infrastruktur der USA noch weiter regionalisiert, kommunalisiert und privatisiert als sie traditionell eh war. Die Folge: der Verfall des Schienensystems, von Strom-, Gas- und Wasserleitungen, Brücken und Straßen bis hin zu den legendären Highways. Hochgeschwindigkeitszüge nach europäischem, japanischem oder gar chinesischem Vorbild sind ausgerechnet in den USA, die wie geschaffen für sie wären, unbekannt – für den bekennenden Eisenbahnfreund Biden ein Graus − wie auch der Zustand des sozialen Wohnungsbaus oder des Umweltschutzes.
Dennoch darf nicht übersehen werden: Der Grundtenor des Trumpschen Architektur-Dekrets trifft die seit Jahrzehnten von ganz Links über die breite Mitte bis ganz Rechts geteilte harte Kritik am amerikanischen Staatsbauen. Es sei nicht angemessen und zu bürgerfern entworfen, breche mit den Traditionen, ohne neue gestalten zu können. Das kleine, mit toskanischen Säulen und Gebälken vage palladianisch gehaltene „Tennishaus“ von Melania Trump, dass diese ausgerechnet zu den Hochzeiten der Pandemie bauen ließ, muss also nicht der einzige Bau sein, der Trumps neuen Regeln folgt.
Sie gelten für jeden Bau in der Hauptstadt, der von der Bundesregierung finanziert wird und mehr als 50 Millionen Dollar kostet. Solche Projekte sollen nun im weitesten Sinn mindestens in den Fassaden jenem Neuklassizismus und dessen Nachfolgern bis hin zum Art Deco der 1920er bis 50er-Jahre entsprechen, die seit den Wettbewerben für das Capitol und das Weiße Haus 1792 charakteristisch für die amerikanische Staatsarchitektur geworden sind. In den ersten Entwürfen zu der „Order“ war, in der Tradition des vielsprachigen amerikanischen Historismus, auch noch von anderen „traditionellen Stilen“ die Rede wie der Spanisch-Mexikanische, „Mediterranean“, Neugotik oder Neuromanik.
In den USA blieben klassizistische und historistische Architekturformen über allen Modernismus hinweg immer lebendig. Das Holzhaus in den Formen des Georgian, Federal oder Colonial, der Beaux-Arts oder des Greek Revival ist bis heute hoch populär, sei es als Einzelbau oder als Fertighaus. Auch Joe Biden hat seine Verankerung im American Mainstream der Ostküste unter anderem dadurch bewiesen, dass alle seine Wohnhäuser und deren Einrichtungen im breiten Strom eines bürgerlich-komfortablen Klassizismus gehalten sind. Er wuchs auf in einem klassisch amerikanischen Holzhaus im Colonial Style in Scranton bei Philadelphia. Hell und freundlich und traditionsbewusst zeigen sich auch alle Häuser, die er selbst erwarb bis hin zum heiteren Strandhaus mit breiten Veranden und vielen Zimmern.
Biden demonstrierte so, dass er ein Mann der höflichen Konventionen und Traditionen ist, fest verankert in gesellschaftlichen Regeln. Er markiert damit den Unterschied zu Donald Trump, der mit dem Trump-Tower in Manhattan mit dem vielen Bronzeglas, schimmernden Edelstahl und Marmor bis heute als eines der protzigsten Hochhäuser dieser sonst auf Noblesse versessenen Stadt gilt. Seine Residenz in Florida ist ein Pasticcio aus karibischem Barock und internationalem Hotelchic. Für Trump ist Mehr an Material und Formen immer auch ein Mehr an Wirkung – Biden steht genau für das Gegenteil.
Trumps „Order“ löst jene liberale Regel ab, die 1962 vom Senator Mohinyan für Präsident John F. Kennedy formuliert wurde. Danach sollten Kommunen und Bundesstaaten sowie die Architektenverbände mithilfe von Wettbewerben und regionalen Regelwerken aushandeln, was ihrer Umgebung und der Zeit gemäß ist. Auch dieser Beschluss Trumps folgt also letztlich seinem populistischen Programm gegen den „deep state“: Die staatlichen Verwaltungen gelten vielen Republikanern und Konservativen als von Demokraten, Liberalen und Linken korrumpiert. Speziell geht es hier um die „General Services Administration“ (GSA), die zuständig ist für das öffentliche Bauen in Washington D. C. und das des Bundes insgesamt.
Diese mächtige Behörde habe nach Trumps Papier – das weit ausgreift in die Antike und die italienische Renaissance – viele Bauten zugelassen, die „unpopular with the Americans“ seien. Explizit genannt werden brutalistische und dekonstruktivistische „Stile“. Um nun die GSA zu entmachten, legt die „Order“ auch die Gründung eines „President’s Council on Improving Federal Civic Architecture“ fest, der die neuen ästhetischen Richtlinien durchsetzen soll. Er besteht aus den Mitgliedern der Bundeskommission für die Schönen Künste, dessen Sekretariat, dem ständigen Architekten des Capitol – seit Januar 2020 der von Trump berufene Marineoffizier und Bauingenieur J. Brett Blanton – der Vorsitzende der GSA und ihrem 2017 berufenen Chefarchitekten Jeff Insingna, andere vom Präsidenten berufene Beamte oder Angestellte der Bundesregierung sowie bis zu zwanzig ebenfalls von ihm berufene Bürger, „um unterschiedliche Perspektiven“ auf die Architektur zu garantieren. Den Vorsitz soll die Kommission für die Schönen Künste besetzen, berufen wieder vom Präsidenten.
Allerdings ist dieser Beraterstab bisher noch nie zusammengetreten. Dessen Amtszeit ist bis 21. September 2021 begrenzt, es sei denn, Joe Biden würde die Order von Trump bestätigen. Anzunehmen ist, dass er eher wenig begeistert ist von der spätfeudalistischen Geste, dass der Präsident festlegen soll, wie Amerika sich architekturästhetisch zu zeigen hat. Andererseits teilen nach neuesten Umfragen bis zu 75 Prozent der Amerikaner die Kritik Trumps an der staatlichen Bauästhetik. Warum sollte sich Biden in einen Kampf gegen ihre Überzeugungen begeben, der ihm allenfalls den Beifall der Architektenverbände einbringen würde?

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