Bauwelt

Kirchgang in Prenzlauer Berg

Dicht an dicht tummelt sich in Prenzlauer Berg ein junges Publikum. Nicht heute, sondern zuzeiten der DDR, als die Kirchen in Ost-Berlin der alternativen Szene Zuflucht boten.

Text: Mausbach, Therese, Berlin

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    Foto: Anja Müller

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Kirchgang in Prenzlauer Berg

Dicht an dicht tummelt sich in Prenzlauer Berg ein junges Publikum. Nicht heute, sondern zuzeiten der DDR, als die Kirchen in Ost-Berlin der alternativen Szene Zuflucht boten.

Text: Mausbach, Therese, Berlin

Ein unvorstellbarer Gedanke an diesem kalten dritten Advent im Jahr 2020. Ausstellungen und Kulturveranstaltungen sind derzeit nicht erlaubt, Kirchgänge schon. Frei und verwegen fühlt sich der Besuch der Zionskirche in Prenzlauer Berg an, denn dort, neben andächtigem Treiben, hängen seit dem besagten Sonntag Fotografien von Anja Müller.
Vor schwarzem Hintergrund zeigen sich dem Besucher zweiundzwanzig Personen im Gestus neuzeitlicher Porträtmalerei. Über hundert dieser Motive entstanden in den letzten fünf Jahren durch die Fotografin, nun auch veröffentlicht in dem neu erschienenen Bildband „Vorschwarz“. In Müllers Arbeiten steht stets der Mensch im Zentrum. Doch gerade ihre jüngste Strecke bringt durch die strengen Haltungen der Sitzenden die Individualität eines jeden Einzelnen zum Vorschein. Purpur- und Ultramarinfarben spielen auf alte Meister der Kunst an. Geschlechterrollen werden kokett ad acta gelegt, weil die Protagonisten an anderer Stelle mit aufgeklebtem Schnurrbart wiederauftauchen. Ungewöhnliche Accessoires belustigen, das anonyme Rollenspiel ist komplett.
In ihrer Anordnung im sakralen Hauptraum erinnern die Bildtableaus an die häufig in katholischen Kirchen befindlichen Kreuzwegstationen. An runtergekommenen Kirchenwänden präsentiert die Zionskirche die kraftvollen Fotografien und belegt, dass es das ganz authentische, alternative Prenzlberg auch noch gibt. Die evangelische Gemeinde am Weinberg hofft auf Gelder für die Restaurierung des hundertfünfzig Jahre alten Kirchengebäudes des Architekten August Orth. Es spricht also nichts gegen ein bisschen Andacht, ein klein wenig Kultur und eine großzügige Spende zur Weihnachtszeit.


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