Bauwelt

Jinyun Quarries – Der Steinbruch als Bühne

Von ökonomischer Ausbeutung zu ökologischer

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

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    Die bergige Landschaft in Jinyun
    Foto: Wang Ziling © DnA_Design and Architecture

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    Die bergige Landschaft in Jinyun

    Foto: Wang Ziling © DnA_Design and Architecture

Jinyun Quarries – Der Steinbruch als Bühne

Von ökonomischer Ausbeutung zu ökologischer

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

Vor vier Jahren hatte die Pekinger Architektin Xu Tiantian. Gründerin des Büros DnA_Design and Architecture, ihren ersten großen Auftritt im Aedes Architecture Forum in Berlin (und später auch auf der Architekturbiennale in Venedig): „Rural Moves – The Songyang Story“ war die Schau ihrer zahlreichen baulichen Interventionen in verschiedenen Ortschaften in der bergigen Landschaft im Südosten Chinas überschrieben, die mit detailreichen Holzmodellen und großformatigen Fotos Eindrücke ihres Paradigmas einer „Architectural Acupuncture“ vermittelte. Mit ihrer neuesten Werkschau von Pilotprojekten einer ungleich komplexeren Planungsaufgabe im Kreis Jinyun – unweit von Songyang, ebenfalls in der Provinz Zhejiang südlich von Shanghai – ist sie nun in den gleichen (hinteren, größeren) Ausstellungsraum auf dem Pfefferberg zurückgekehrt, den sie auf eine noch mal beeindruckendere Weise bespielt.
Nicht nur beeindruckend, sondern geradezu unermesslich ist die Aufgabe, die Xu Tiantian erst 2021 gestellt wurde: Sie sollte Nutzungskonzepte für zunächst neun aufgelassene Steinbrüche im Xiandu-Tal – das mit seiner Naturlandschaft und einem 1994 wiederaufgebauten Tempel für den legendären Gelben Kaiser (Huangdi) schon länger eine Touristenattraktion ist – ausarbeiten, um durch das Einfügen von öffentlicher Infrastruktur in die von Menschen größtenteils mit sehr archaischen Mitteln geschaffenen bizarren Hohlräume des Tuffsteingebirges die Regionalentwicklung zu unterstützen. Nur ein Jahr nach Planungsbeginn sind die ersten Interventionen zugunsten von kulturellen und sozialen Aktivitäten in einer von insgesamt über 3000 Steinbrüchen übersäten Landschaft fertiggestellt – ihnen widmet sich die Ausstellung bei Aedes.
Mit raumhohen Fotobahnen, die einen schluchtartigen Zugang zu einem der oft sehr schmalen und tiefen Steinbrüche simulieren, wird den Besuchern gleich am Zugang zum Ausstellungsraum ein Eindruck von der im wahrsten Sinne des Wortes gewaltigen Planungsaufgabe vermittelt: Die bis zu 38 Meter hohen kathedralenartigen Hohlräume mussten zunächst mit Beton stabilisiert werden, ohne den Charakter der alles umschließenden Tuffsteinwände zu beeinträchtigen. Es war eher eine landschaftsgestalterische Aufgabe, wenngleich bei allen bislang fertiggestellten Projekten auch so manches Detail der überwiegend vergleichsweise kleinen architektonischen Interventionen betört. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Projekt Nr. 8, „Book mountain“, von dem bei Aedes ein Modell im Maßstab 1:10 mit originalem Tuffstein-Plattenbelag (der vor Ort auf einem 50 mm dicken Zementmörtel als Ausgleichsschicht über dem massiven Tuffsteingrund aufgebracht ist) errichtet wurde, das durch großformatige Fotos ergänzt wird. Ein an die Wände angeschmiegter Treppenweg erschließt die kaskadenartigen Galerien für das Bücherstudium, die zugleich Ausblicke in den sehr speziellen, nach oben offenen Raum gewährt. Mit den Brüstungsfeldern aus Bambus und deren Halterungen und den Handläufen aus Stahl hat die Architektin gerade mal zwei neue Baustoffe in diesen ansonsten vom Tuffstein geprägten Ort neu eingebracht.
Bei Projekt Nr. 9, einem Raum für Opernaufführungen, beschränkten sich die Interventionen – von den Sicherungsarbeiten mit Beton abgesehen – auf den Einbau einer erhöhten Bühne mit einem Bühnenbild aus Natursteinblöcken und von seitlichen Brüstungen aus Bambus und Stahl; bei Bedarf können zudem Stühle für die Zuschauer aufgestellt werden. Ansonsten dient der originale (Leer-)Raum als alles umschließende Kulisse. Das Prinzip minimaler architektonischer Akupunkturen zieht sich durch alle neun Projekte, die in Berlin allesamt durch ein von der Decke abgehängtes, transluzentes und hinterleuchtetes Plexiglasmodell mit Einbauten aus Bambusholz dreidimensional visualisiert werden. Ein großformatiger Übersichtsplan und einige kurze Filme führen den Ausstellungsbesuchern die Gesamtdimension und die Hintergründe dieser bislang einzigartigen Planungsaufgabe vor Augen. Unbedingt ansehen!
Jinyun Quarries – Der Steinbruch als Bühne. Von ökonomischer Ausbeutung zu ökologischer Umnutzung
Bis 5. Mai. Aedes Architecture Forum, Christinenstraße 18–19, 10119 Berlin, Di–Fr 11–18.30 Uhr, So/Mo 13–17 Uhr. Ein Katalog ist für April angekündigt.


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