Diese Erfahrung wird unser Arbeitsleben nachhaltig verändern
Im Corona-Epizentrum New York sind die Straßen leer – und die Arbeit wurde ins Homeoffice verlagert. Working from Home, wie man in den USA sagt. Wolf Mangelsdorf, Partner bei Buro Happold, lebt seit 2017 in der Metropole und berichtet von seinem neuen Arbeitsalltag.
Text: Mangelsdorf, Wolf, New York City
Diese Erfahrung wird unser Arbeitsleben nachhaltig verändern
Im Corona-Epizentrum New York sind die Straßen leer – und die Arbeit wurde ins Homeoffice verlagert. Working from Home, wie man in den USA sagt. Wolf Mangelsdorf, Partner bei Buro Happold, lebt seit 2017 in der Metropole und berichtet von seinem neuen Arbeitsalltag.
Text: Mangelsdorf, Wolf, New York City
Beginn der dritten Woche, Lockdown in New York. Arbeiten von zu Hause entwickelt sich langsam zur neuen Normalität. Schon bevor der Staat New York die Schließung aller Büros für das, was hier nicht essenzielle Arbeit genannt wird, angeordnet hat, hatten wir beschlossen Schritt für Schritt auf WFH umzustellen. Working from Home. Als Empfehlung aber noch freiwillig, um Social Distancing zu ermöglichen; und als Testlauf für die zu erwartende Verordnung. Das lief sehr viel problemloser als gedacht. Unsere IT Abteilung arbeitete in jener Woche auf Hochtouren; noch nie zuvor haben wir so viele Laptop Computer auf einmal angeschafft und konfiguriert. Die Lenovo Kisten stapelten sich im Rezeptionsbereich und am Ende war jeder der 150 Mitarbeiter unseres New Yorker Büros mit Rechner und Headset ausgestattet.
Ich hatte von zu Hause arbeiten bis dahin weitgehend vermieden. Die Team Dynamik im Büro, die Konversationen, die zu neuen Ideen führen, die direkte kreative Auseinandersetzung mit Kollegen, aber auch Entwurfstermine im Büro der Architekten, mit denen wir arbeiten, oder Meetings mit Bauherren, sie bereichern den Tag. Das kann man vom häuslichen Schreibtisch nicht so einfach replizieren. Und die Vorstellung mich ohne die morgendliche Fahrt mit dem Fahrrad zum Büro – über die Manhattan Bridge und durch Chinatown und dann Broadway hinunter zur Wall Street – quasi direkt vom Bett an den Schreibtisch zu bewegen war noch nie sehr attraktiv. Aber hier war keine Wahl. Also musste ein Schreibtisch gekauft und ein Zimmer zurechtgemacht werden.
Mittlerweile scheinen wir alle unseren Rhythmus gefunden zu haben. Um die zufälligen Begegnungen und die so wichtigen ungeplanten Gespräche nicht ganz zu verlieren haben wir virtuelle Watercooler eingerichtet: feste Zeiten im Terminkalender mit Link zum Einwählen. Am Freitagabend wird das gelegentlich auch zum virtuellen Pub. Bier und Gespräche sind echt, der Rest elektronisch. Und alles findet über Skype oder Zoom oder Webex statt. Die Stimmung ist gut und in mancher Hinsicht ist man sich näher als im Büro, man ruft sich an, hält Kontakt und die Zeit wird konzentrierter genutzt. Das Interesse am gegenseitigen Wohlbefinden echt und notwendig, und bringt eine neue Art der Empathie in sonst oft eher nüchterne Geschäftsbeziehungen.
Die Unausweichlichkeit der Situation lässt uns kreativ damit werden, wie wir Teams zusammenhalten oder miteinander arbeiten. Ich habe einen Entwurfswettbewerb mit Architekten, mit denen ich vorher noch nie gearbeitet habe. Unter normalen Umständen würde man das nicht ohne ein anfängliches persönliches Treffen machen. Und doch läuft es erstaunlich gut, mit viel Humor und Spaß am Projekt. Einige festgefahrene Vorstellungen werden also gerade über den Haufen geworfen. Wir alle sind hier ohne Vorwarnung in einem Großversuch der elektronischen Kollaboration gelandet, der sehr viel menschlicher verläuft als ich gedacht hätte und unser Arbeitsleben sicherlich nachhaltig verändern wird.
In vieler Hinsicht sind wir in einer glücklichen Situation. Zwar wurde eine Reihe an Projekten gleich in den ersten beiden Wochen auf Eis gelegt. Dennoch haben wir im Moment noch gut zu tun. Wir verfolgen täglich wie sich die Lage entwickelt und haben mehrfach in der Woche Gespräche unter uns Partnern und mit unseren Projektleitern, Liquidität immer im Auge und in der sicheren Erwartung, dass sich alles von einem Tag auf den anderen ändern kann. Hope fort the best and plan fort the worst. Vieles hängt von Zuversicht ab, die überraschend hoch ist und doch labil wirkt. Die Krankenhauseinweisungen in New York scheinen langsam zurückzugehen. Aber Infektions- und Todesfälle sind hier höher als in irgendeinem anderen Land, und ein Ende der Pandemie ist nicht sichtbar. Es wird lange dauern bis wir ein klares Bild haben werden wie wir aus dem Lockdown wiederauftauchen. Es ist erst die dritte Woche.
Brooklyn, 7. April 2020
Der Autor Wolf Mangelsdorf ist Partner bei Buro Happold. Er lebt seit September 2017 in New York City. Zuvor war er 20 Jahre in London, seit 2002 ebenfalls bei Buro Happold.
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