Bauwelt

Warburg Institute in London


So respektvoll Haworth Tompkins vorgegangen sind bei der Renovierung des Warburg Institute, mit dem neuen Lesesaal verweisen sie auf den ursprünglichen Sitz der Bibliothek Aby Warburgs an der Elbe.


Text: Kafka, George, Athen/London


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    1958 wurde der neue Sitz des 1934 aus Hamburg geflüchteten Warburg Institute im Herzen von Bloomsbury eingeweiht, 2024 seine Renovierung abgeschlossen.
    Foto: Hufton+Crow

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    1958 wurde der neue Sitz des 1934 aus Hamburg geflüchteten Warburg Institute im Herzen von Bloomsbury eingeweiht, 2024 seine Renovierung abgeschlossen.

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    Die Kythera Gallery im Erdgeschoss ist ein im Zuge der Renovierung neu geschaffener Ausstellungsbereich, mit dem das Warburg Institute ein neues Publikum erreicht.
    Foto: Hufton + Crow

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    Die Kythera Gallery im Erdgeschoss ist ein im Zuge der Renovierung neu geschaffener Ausstellungsbereich, mit dem das Warburg Institute ein neues Publikum erreicht.

    Foto: Hufton + Crow

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    Aus dem neugestalteten Eingangsbereich ist der Neubau von Auditorium und Lesesaal im Hof ...
    Foto: Fred Howarth

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    Aus dem neugestalteten Eingangsbereich ist der Neubau von Auditorium und Lesesaal im Hof ...

    Foto: Fred Howarth

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    ... über zwei seitliche Fenster sichtbar.
    Foto: Fred Howarth

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    ... über zwei seitliche Fenster sichtbar.

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    Der Neubau im Hof steht nur südseitig frei.
    Foto: Fred Howarth

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    Der Neubau im Hof steht nur südseitig frei.

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    Die Lichthöfe im Westen und Osten wurden glasgedeckt.
    Foto: Hufton + Crow

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    Die Lichthöfe im Westen und Osten wurden glasgedeckt.

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    Die Bücherregale in der Bibliothek wurden neu angeordnet, ...
    Foto: Hufton + Crow

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    Die Bücherregale in der Bibliothek wurden neu angeordnet, ...

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    ... um die Räume mit mehr Tageslicht zu versorgen.
    Foto: Fred Howarth

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    ... um die Räume mit mehr Tageslicht zu versorgen.

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    Das neue Auditorium ist nach Hinrich Reemtsma benannt.
    Foto: Hufton + Crow

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    Das neue Auditorium ist nach Hinrich Reemtsma benannt.

    Foto: Hufton + Crow

Im Zentrum Londons ist das Viertel Bloomsbury ein Labyrinth aus Räumen zum Lesen, Denken und Lehren. Zwischen seinen begrünten Plätzen und georgianischen Reihenhäusern befinden sich Institutionen wie das Petrie Museum of Egyptian Archaeology, die Wiener Holocaust Library, das Institute of Education oder die School of Slavonic and Eastern European Studies – unterschiedliche Einrichtungen der University of London und ihrer Mitgliedsinstitutionen. Dazu gehört auch das Warburg Institute. Das Gebäude mit seiner geradlinigen, dezent modernen Struktur aus rotem Backstein und großzügig fenstergesäumter Fassade wurde 1958 von Charles Holden entworfen. Es wirkt weniger imposant als Holdens ikonisches Senate House weiter unten in der Straße, verdankt seine Präsenz vor allem der Lage an den drei Plätzen Woburn, Gordon und Torrington Square. Doch das kuriose kreisförmige Emblem über dem Eingang des Warburg Institute deutet auf die bemerkenswerte Geschichte hin, die sich hinter der zurückhaltenden Fassade verbirgt.
Das Warburg-Institut wurde 1926 in Hamburg gegründet und entstand aus der privaten Büchersammlung von Aby Warburg, der 1866 in eine wohlhabende jüdische Bankiersfamilie geboren wurde. Schon in jungen Jahren zeigte Warburg eine Vorliebe für wissenschaftliche Aktivitäten: Mit 13 Jahren schloss der frühreife Jugendliche eine Abmachung mit seinem jüngeren Bruder: Er trat ihm das Geburtsrecht auf das Familienunternehmen ab – im Austausch gegen jedes Buch, das er sich jemals wünschen würde. Diese ungewöhnliche Vereinbarung führte zu einer Sammlung von über 300.000 Büchern, die Warburgs lebenslangem Studium der Kunstgeschichte und der Rolle der Antike bei der Gestaltung der modernen europäischen Zivilisation gewidmet waren – Themen, die auch heute noch im Mittelpunkt der Arbeit des Instituts stehen. Zu seinen Lebzeiten war Warburgs Sammlung in der Warburg-Bibliothek für Kulturforschung in Hamburg (heute Warburg-Haus) untergebracht. Das Gebäude stand unmittelbar neben Warburgs eigenem Wohnhaus, und hinter seiner ausdrucksstarken Backsteinfassade befand sich ein elliptischer Lesesaal.
Zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 1929 war die Warburg-Bibliothek ein etabliertes und lebendiges Forschungsinstitut mit zahlreichen Mitarbeitenden, dessen Tage in Hamburg jedoch bald gezählt sein sollten. Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wenige Jahre nach Warburgs Tod stellte eine erhebliche Bedrohung für das von Juden gegründete und mit jüdischen Mitarbeitenden besetzte Forschungszentrum dar. Daher wurde 1934 entschieden, die Einrichtung mitsamt ihrer Sammlung nach London zu evakuieren, wo sie bis zum Bau des Holden-Gebäudes im Herzen von Bloomsbury an verschiedenen Orten vorübergehend untergebracht war.
Das Institut, das seinen Nutzerinnen und Nutzern über fünfzig Jahre lang als Teil der School of Advanced Studies der University of London gedient hatte, wurde kürzlich von dem Londoner Architekturbüro Haworth Tompkins, das für seine umweltbewussten Sanierungsarbeiten an öffentlichen Gebäuden renommiert ist, umfassend erneuert. „Das Gebäude musste renoviert werden“, erklärt Architekt Nigel Hetherington. „Es war einfach nicht mehr zweckmäßig.“ Die Bauarbeiten begannen im Jahr 2018. Ursprünglich hatte die University of London eine sanfte Renovierung vorgeschlagen. Das Warburg-Team sah darin jedoch die Chance, auch das öffentliche Angebot der Einrichtung zu verändern. So entstand das Renovierungsprojekt „The Warburg Renaissance“, das im Jahr 2024 abgeschlossen wurde.
Das Ergebnis der architektonischen und organisatorischen Arbeiten ist ein neu gestalteter Raum, der ein neues Publikum zu Ausstellungen und öffentlichen Veranstaltungen anzieht, während er gleichzeitig die Einrichtungen für sein übliches wissenschaftliches Publikum verbessert. Das Eröffnungsprogramm und die Dauerausstellungen – darunter „Tarot – Origins & Afterlives“ – lockten Zehntausende in eine Einrichtung, die zuvor nur von Studierenden und Gelehrten frequentiert worden war. Diese betreten das Gebäude nun über eine modernisierte Eingangshalle. Sie offenbart eines der wichtigsten architektonischen Merkmale des Renovierungsprojekts: die Überbauung eines ungenutzten Innenhofs mit einem neuen Hörsaal und einem Lesesaal. Durch die großen Fenster des Foyers sind beide neuen Räume durch einen Lichtschacht sichtbar. Dieser bewahrt die Keramikfliesen und Fensterbeschläge des ehemaligen Innenhofs und lässt gleichzeitig Tageslicht in die Mitte des Gebäudes. Es ist ein subtiler Eingriff, der aber dem Gebäude ein Gefühl von Offenheit und Fluss verleiht und gleichzeitig die Verbindung nach außen aufrecht hält.
Das Auditorium selbst ist mit einem Eichenparkettboden und akustisch optimierten Holzrippenwänden ausgestattet. Diese treten jedoch gegenüber den überraschenden, elliptischen Formen der dicken, polierten Betonbalken an der Decke in den Hintergrund. Die Konstruktion ist eine direkte Hommage an den Lesesaal in Warburgs ursprünglichem Gebäude in Hamburg. Auch dieser war mit elliptischen Elementen verziert, die die Bedeutung dieses Symbols für Aby Warburg widerspiegelten: eine Darstellung der Schwingungen „zwischen Denken und Forschen“. Die neue Decke in London wurde ortbetoniert und stellt einen ausdrucksstarken Ausreißer in einer ansonsten zurückhaltenden Renovierung dar. Unter dem Auditorium öffnet sich ein neuer Lesesaal zu den Lichtschächten. Er ist zwar für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, aber vom großen Foyerfenster aus einsehbar.
Der übrige Teil des Warburg-Renaissance-Projekts besteht hauptsächlich aus der Neugestaltung, Rationalisierung und Öffnung vorhan-dener Räume. So wurde beispielsweise ein schäbiger Bereich im Erdgeschoss, in dem sich Büros und Kopiergeräte befanden, geräumt, um Platz für einen Ausstellungsraum zu schaffen. In den oberen Geschossen, in denen die Sammlung untergebracht ist, wurden die Bibliotheksregale neu ausgerichtet, um mehr Tageslicht hereinzulassen. Darüber hinaus wurde die Gebäudetechnik effizient erneuert, was eine ästhetische und gleichzeitig ökologische Verbesserung darstellt. Als Mitbegründer der britischen Bewegung „Architects Declare” für Klimaschutzmaßnahmen war das Architekturbüro Haworth Tompkins schon immer ein Vorreiter in Sachen CO₂-neutrale und biodiversitätsfreundliche Architektur – und dieses Projekt bildet da keine Ausnahme: Von den oberen Stockwerken des Instituts aus kann man Wildblumen auf dem begrünten Dach über dem Auditorium sehen. Und für eine bessere Temperaturregulierung wurden im Innenbereich zusätzliche Verglasungselemente ein-gebaut.
Im Rahmen des Warburg-Renaissance-Projekts hat das Büro Haworth Tompkins neben der Rationalisierung der Gebäudebereiche und des Grundrisses auch die Wegführung und die Beschilderung im gesamten Gebäude verbessert. Dies wird am deutlichsten in der Anordnung der Sammlung, die dem eigenwilligen Ordnungssystem von Aby Warburg folgt. Demnach sind Bücher und Bilder in vier Kategorien unterteilt – Bild, Wort, Orientierung und Handlung –, denen jeweils eine eigene Etage der Bibliotheksregale zugeordnet ist. Um die Orientierung in diesem ungewöhnlichen System zu erleichtern, wurde ein neues Farbschema eingeführt, das auf den Beschilderungen im gesamten Gebäude abgebildet ist.
Auf den ersten Blick wirkt das Warburg Institute sowohl von außen als auch beim Betreten noch wie eine „gewöhnliche“ akademische Einrichtung: mit seiner ruhigen Fassade, dem steinernen Foyer, den stillen Lesesälen und den sauberen Ausstellungsräumen. Doch in Details wie dem Farbschema, das das einzigartige Bibliothekssystem der Sammlung offenbart, wird das Vermächtnis von Aby Warburg sichtbar. Man fragt sich, ob die Einzigartigkeit der Institution im Rahmen des Renaissance-Projekts noch stärker hätte herausgearbeitet werden können. Schließlich handelt es sich um eine Bibliothek mit besonders umfangreichen Beständen an Büchern über Monster, Wahrsagerei, Mnemotechnik, Kosmologie, die Geschichte des utopischen Denkens, jüdische Mystik und andere esoterische Themen. Da die Sammlung und die In-teressen der Institution durch ihr Ausstellungsprogramm nun ein breiteres Publikum erreichen, erscheint die Distanz zwischen den einzigartigen Beständen der Einrichtung und dem Ausdruck des Gebäudes, das zwar schön, aber auch unauffällig ist, vergrößert. Dies ist jedoch nicht unbedingt die Schuld von Haworth Tompkins, deren Renovierungsarbeiten sorgfältig und subtil erscheinen und die Nutzbarkeit des Gebäudes verbessern. Es handelt sich um eine Renovierung, die dem ursprünglichen Gebäude von Charles Holden treu bleibt. Dieses wurde zwar speziell für die Warburg-Sammlung gebaut, könnte aber wohl jede Sammlung ähnlicher Größe beherbergen. Eine Ausnahme bildet die Decke des Auditoriums mit ihrem „falschen Oculus“ (der ellipsenförmigen Betonkonstruktion), die, wenn nicht auf die Sammlung, dann zumindest auf die Migrationsgeschichte der Institution und den frühentwickelten Geist ihres Gründers verweist.
Übersetzung aus dem Englischen: Beate Staib



Fakten
Architekten Haworth Tompkins, London
Adresse The Warburg Institute, Woburn Square, London WC1H 0AB, Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 17.2025
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